Immer wieder war in den vergangenen Wochen bundesweit zu lesen, dass die Aufsteigerin mit dem verschlungenen Berufsweg – Chauffeurin, Postbotin, Schreibkraft und dann Informatikerin – in ihrem Wahlkreis Calw im Schwarzwald bei der Bundestagswahl nur gut zwölf Prozent und somit ein Minus von fast sieben Prozent eingefahren hat. Zumindest letzteres liegt im Bundestrend, die AfD mit gut 25 Prozent in Calw dagegen deutlich darüber. Um deren Wählerschaft will sich die 63-Jährige vor Ort jetzt besonders kümmern, sagt sie zum Abschied.
Gute Freund:innen waren sie nie
Immer wieder war auch zu lesen, dass ihr gerade im eigenen Landesverband die Unterstützung fehlte. Das ist richtig, aber nichts Neues, denn schon 2019 im Duo mit Walter-Borjans wurde sie nicht vom eigenen, sondern vom nordrhein-westfälischen Landesverband in den Mitgliederentscheid geschickt. Wirklich gute Freund:innen waren die SPD-Spitzen im Südwesten und Esken nie. Aktuell war Generalsekretär Sascha Binder einer der wenigen, die früh aus der Deckung kamen, um die Bundesvorsitzende offen zu kritisieren. Per Zeitungsinterview hatte er ihr seine Unzufriedenheit ausgerichtet: "Wir haben sieben Kabinettsposten, und ich gebe Saskia Esken Recht, dass vier davon an Frauen gehen sollen, aber dann geht es danach, wer sind die vier Besten?"
Die Selfmade-Frau, wie die "Zeit" sie aufgrund ihrer Vita bezeichnete, zählte Binder nicht dazu. "Und das", beteuert er, "war keine Frage des Geschlechts." Um die programmatische Ausrichtung der Südwest-SPD geht und ging es sehr wohl. Vor allem aber war der Landesverband ein Durchlauferhitzer, über Jahrzehnte kamen Impulsgeber:innen von hier: im Nachkriegsdeutschland Schumacher, Carlo Schmid und Fritz Erler, dann Alex Möller, der erste sozialdemokratische Bundesfinanzminister überhaupt, Erhard Eppler, der umwelt- und friedenspolitische Vordenker, Volker Hauff, Herta Däubler-Gmelin, Walter Riester oder Hermann Scheer. Vergangene Zeiten – diesmal blieben nur drei Staatssekretärsposten in den Ministerien für Verteidigung, Umwelt und Soziales. In Binders Bestenauslese jedenfalls schaffte es überhaupt niemand aus Baden-Württemberg.
Schmerzlich las sich hierzulande denn auch die Mail des neuen SPD-Bundestagsfraktionschefs Matthias Miersch aus seinen letzten Tagen als Generalsekretär mit der Aufforderung: "Lerne das Regierungsteam jetzt näher kennen." Denn abgesehen von den Promis Klingbeil (Finanzen), Boris Pistorius (Verteidigung) und Bärbel Bas (Arbeit und Soziales) kamen nur Unbekannte zum Zuge, im Kabinett und sogar in der Parteispitze. Der neue Generalsekretär heißt Tim Klüssendorf, ist ein Linker mit Geburtsort und Wahlkreis Lübeck – weit entfernt von Baden-Württemberg.
Gesundbeten und Aufarbeiten im Schnelldurchlauf
Gegen den Bedeutungsverlust half und hilft in der Logik vieler Roter schon seit Jahren vornehmlich die Methode Gesundbeten. Martin Gerster, Sprecher der gerade noch 13 Köpfe zählenden baden-württembergischen SPD-Landesgruppe im Bundestag, spricht von "besonders verantwortungsvollen Positionen" für die Südwest-SPD. Dabei muss sich gerade mit Nils Schmid ein mit summa cum laude promovierter Finanzexperte, früherer Landesvorsitzender und stellvertretender Ministerpräsident mit dem Posten als Staatssekretär im Ministerium von Boris Pistorius zufrieden geben.
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Klingbeil an den Pranger!
am 15.05.2025Ich klaue mir von der taz "Vom Klingbeil erschlagen": Etwas Schäbigeres gibt es kaum, als das, was dieser Herr, nein, nicht Herr, dieser Mensch mit seiner Co-Vorsitzenden Esken…