Der für Kultur zuständige Banause Wolfram Weimer (CDU) erklärte bei seiner ersten Rede als Staatsminister im Kanzleramt von Friedrich Merz, ihn leite das "Grundmotiv Friedrich Schillers", wonach "die Kunst eine Tochter der Freiheit ist". Weltweit, so führte Weimer bereits 2018 aus, sehe er die Wissenschafts-, Meinungs- und Kunstfreiheit in Gefahr durch einen "globalen Kulturkampf". Was macht er also als Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien? Richtig, erstmal Kulturkampf gegen freie Rede, in Form von Sprechverboten und Umerziehung: Die Verwendung von gendersensibler Sprache ist seinen rund 470 Mitarbeiter:innen fortan untersagt.
Als konservativer Ideologe sieht Weimer in der Gender-Ideologie einen Angriff auf eine angeblich natürliche Ordnung, in diesem Fall die "natürliche Aufeinanderbezogenheit von Mann und Frau". Und das kann ihm natürlich nicht gefallen, hat er doch ebenfalls 2018 die "Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit" definiert. Darunter: "Tradition hegen", "Nation ehren" und "Familie lieben".
Wer aber Traditionen hegen will, braucht geschichtliche Grundkenntnisse, und in dieser Hinsicht scheint der Hinweis nicht deplatziert, dass die Steuerung von Sexualität und Fortpflanzung ein wesentliches Merkmal der völkischen Geschlechterideologie darstellt: "Die Familie gilt als Keimzelle des Volkes und um dessen Fortbestand zu sichern, werden in biologistischer Argumentation die Rollen zugewiesen", schreibt Kontext-Redakteur Oliver Stenzel und zitiert den Historiker Thomas Stöckle: "Eine Gleichstellung der Geschlechter wird abgelehnt", entsprechend würden Selbstbestimmung über Geschlechterrollen, Homosexualität, Trans- und Intergeschlechtlichkeit "als Bedrohung für die völkische Ordnung" und als "unnatürlich" diffamiert.
Erschreckend ist dabei, dass völkisches Gedankengut keine Randerscheinung darstellt, die nur bei Rechtsextremisten verbreitet ist, sondern Anklänge in breiten Bevölkerungsschichten findet. Umso schlimmer, dass Konservative den "globalen Kulturkampf" hierzulande im Schulterschluss mit der extremen Rechten führen, weil der gemeinsame Feind die Regenbogenflagge ist. "Viele Menschen verunsichert auch das Tempo von Veränderungen in der Gesellschaft, und das nutzen gut organisierte rechte Kräfte nicht nur im Netz aus, um gegen Aufklärung, gegen Geschlechtergerechtigkeit, gegen den Feminismus zu agitieren", sagt Gudrun Christ im Interview mit Kontext. Die langjährige Geschäftsführerin von Pro Familia Baden-Württemberg betont: "Gleichstellung, aber auch geschlechtliche Vielfalt und Gleichberechtigung werden als Gender-Ideologie diffamiert und bekämpft. Dabei ist Antifeminismus immer die Vorhut für Radikalisierung."
Bahn bleibt wohl auf S-21-Mehrkosten sitzen
Ein bisschen überraschend war es dann doch. Zwar hatte das Stuttgarter Verwaltungsgericht (VG) im Mai vergangenen Jahres recht deutlich die Klage der Deutschen Bahn abgewiesen, die ihre Stuttgart-21-Projektpartner (Land Baden-Württemberg, Stadt und Region Stuttgart) gerichtlich zur Übernahme von Mehrkosten bei dem aus dem Ruder gelaufenen Milliardenprojekt verpflichten wollte. Doch der Vorsitzende Richter Wolfgang Kern hatte schon am ersten Verhandlungstag deutlich gemacht, dass er damit rechne, dass die Klage durch weitere Instanzen gehen werde (Kontext berichtete). "Ende des ersten Akts" hieß entsprechend der Kontext-Artikel zum Urteil (Kontext berichtete).
Doch nun sieht es so aus, als werde es keinen weiteren Akt mehr geben. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH), die nächste mögliche Instanz, wies am Dienstag den Antrag der DB auf Berufung ab. Die Bahn habe, so der VGH, keine Gründe vorgelegt, die eine Zulassung der Berufung rechtfertigten. Damit ist nun voraussichtlich Ende Gelände für die Bahn. Sie kann zwar theoretisch noch vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, doch Beobachter:innen zufolge sei das eher unwahrscheinlich, schreibt "Legal Tribune Online". Nun muss die Bahn die, Stand jetzt, ungedeckten sieben Milliarden Euro Mehrkosten selber tragen, was bei einem bundeseigenen Konzern also bedeutet, dass es am Bund hängen bleibt. Sondervermögen Infrastruktur, ick hör dir trapsen, pfeifen die Spatzen bereits von den Dächern.
Tweet war nicht strafwürdig
Im Mai vergangenen Jahres haben wir über den ehemaligen Politiker Jörg Tauss berichtet, von 1994 bis 2009 saß er für die SPD im Bundestag, seit vielen Jahren ist er Vorsitzender der West-Ost-Gesellschaft Baden-Württemberg. Wegen eines Tweets, der die Worte "russische Krim" enthielt und damit in diesen Zeiten als Störung des "öffentlichen Friedens" interpretiert werden kann, wurde er von einem ukrainischen Verein angezeigt. Das Ganze ging schließlich vor Gericht, die Karlsruher Staatsanwaltschaft hielt eine Strafe von etwa 7.000 Euro für angemessen. Die Richterin gab Tauss allerdings recht: Meinungsfreiheit. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Widerspruch ein. Seitdem hat Tauss – nichts mehr gehört. Jetzt, mehr als ein Jahr später, wurde die Berufung schließlich zurückgenommen. Das sei "erfreulich", meint Tauss.
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Oben bleiben? Für die Frau: JA!
vor 19 Stunden