Seit November 2021 darf Andreas Renner nicht mehr in seinem Job arbeiten, bekam aber bislang seine vollen Bezüge: mehr als 8.000 Euro im Monat. Der Ex-IdP stand wegen sexueller Nötigung vor dem Landgericht Stuttgart und war im Juli 2023 freigesprochen worden. Das Verfahren ist rechtskräftig abgeschlossen, allerdings läuft noch ein Disziplinarverfahren aus, außerdem wird wegen Bestechlichkeit gegen ihn ermittelt. Die Anklageerhebung, so wird gemutmaßt, steht unmittelbar bevor.
Lange hatte Renners oberster Dienstherr, Innenminister Thomas Strobl (CDU), nicht viel getan in der Causa. Insofern kam die Meldung überraschend, dass Renner nun vorläufig des Dienstes enthoben ist, womit auch sein Gehalt vorläufig gekürzt wird. Die Opposition sieht sich bestätigt, Renners schillernde Anwältin Ricarda Lang – berühmt geworden in einer berüchtigten Gerichtsshow von Sat.1 – hat bereits Klage eingereicht. Viele Einzelheiten dürften aus Datenschutzgründen nicht öffentlich werden, teilte das Innenministerium mit. Vor geraumer Zeit waren zwei Richter:innen ins Innenministerium abgeordnet worden, um Verfehlungen des einstigen Spitzenbeamten zusammenzutragen und zu bewerten. Ihre klare Einschätzung: Die Verfehlungen reichen aus für eine vorläufige Dienstenthebung.
Etliche der Renner belastenden Erkenntnisse stammen aus dem Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags zur Besetzungs- und Beförderungspraxis in der hiesigen Polizei. Demnach hat Renner in sein Büro im Landeskriminalamt geladen, es gab Alkoholrunden, er hatte Kolleginnen-Kontakte über die Dienstzeit hinaus und erklärte seltsam offensiv von sich aus, kein Verhältnis mit der neuen Beamtin an der Spitze des Sondereinsatzkommandos (SEK) in Göppingen zu haben. Dabei war das von niemandem unterstellt worden.
Ein sexueller Übergriff reicht nicht für eine Entlassung
Dreh- und Angelpunkt der jetzt getroffenen Entscheidung sind die Ansprüche an einen Staatsdiener, die höher sind als an Angestellte oder sonstige Normalos. Ein böser Treppenwitz ist, dass der Vorwurf der sexuellen Belästigung – der Auslöser der gesamten Affäre – nicht ausgereicht hätte, selbst wenn Renner nicht freigesprochen worden wäre. Das Innenministerium bezieht sich auf eine Rechtsprechung aus den 90er-Jahren, wonach ein einziger sexueller Übergriff unzureichend für eine Entlassung wäre.
Inzwischen liegen allerdings andere Urteile vor. etwa durch das Verwaltungsgericht München. Dieses stufte es vor zwei Jahren im Falle eines Polizeiobermeisters in der Funktion eines Fahrlehrers als "ein schweres Dienstvergehen" ein, "innerdienstlich eine Anwärterin im Rahmen der Ausbildung sexuell belästigt zu haben und sich weiteren Anwärterinnen im Rahmen der Ausbildung gegenüber durch sexuell anzügliche Bemerkungen verbal unangemessen verhalten zu haben". Das wiederum stelle ein "erheblich vertrauens- und ansehenschädigendes Verhalten" dar.
In der Causa Renner muss der Freispruch im Juli 2023 durch das Landgericht Stuttgart zweifellos als Entlastung bewertet werden. Außerdem kritisieren selbst Strobls Juristen-Parteifreunde den Umgang des Ministers mit einem Anwaltsschreiben im Disziplinarverfahren. Das hat der Innenminister bekanntlich an einen einzigen Journalisten in Erwartung der Veröffentlichung durchgestochen, angeblich um, wie er mehrfach betonte, "für maximale Transparenz zu sorgen". Wer die Perspektive verändert und – im vorliegenden Falle ausnahmsweise – jene des Untergebenen Renner einnimmt, könnte aber auch zu dem Schluss kommen, Strobl habe als oberster Dienstherr mit der Weitergabe des Schreibens seine Fürsorgepflicht als Vorgesetzter verletzt.
4 Kommentare verfügbar
Frieder Kohler
am 14.08.2024