Dafür haben Europaabgeordnete sehr viel Verantwortung. Sie haben erst kürzlich sehr drastisch den Einfluss der Lobbyisten beschrieben. Wie ist der gebändigt worden? Oder ist das gar nicht gelungen?
Ich hätte mir mehr vorstellen können, zum Beispiel, dass der CO2-Ausstoß schneller beschränkt wird. Gerade wir Grüne haben im Team drei Jahre richtig harte Arbeit hinter uns, insbesondere damit, uns gegen die Mitgliedsstaaten durchzusetzen. Deshalb bin ich zufrieden. Wenn auch mit einer großen Ausnahme: Wir haben eine große Leerstelle, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, um den Ausgleich. Also darum, wie Menschen, die sich die Transformation nicht leisten können, verlässlich unterstützt werden. Wir schwemmen mit dem Emissionshandel Milliarden Euro direkt in die Etats der Mitgliedsstaaten. Bundesfinanzminister Christian Lindner freut sich. Aber es ist völlig ungeklärt, wie die Bürger und Bürgerinnen davon wieder etwas zurückbekommen.
Da rächt sich, dass die EU keine sozialpolitischen Zuständigkeiten hat.
Das ist nicht ungefährlich, speziell vor der Europawahl im kommenden Jahr. Denn unstrittig hat die EU ein Instrument geschaffen, das den Leuten Geld wegnimmt, wenn sie fossile Energieträger nutzen. Wir haben in das beschlossene Paket hinein verhandelt, dass alle Einnahmen entweder ins Klima oder in den sozialen Ausgleich fließen. Wenn von diesem Geld, das die Mitgliedsstaaten bereitwillig einnehmen, nichts oder zu wenig an die Menschen zurückfließt, wird es Ärger geben. Und dann ist Europa wieder einmal die Böse. Deshalb ist meine dringende Forderung, zumindest einen Teil der Einnahmen auch wieder auszuschütten als Klimageld. Das Verschmutzen wird teuer, die Reduktion der CO2-Emissionen wird vergütet. Es geht um sozial gerechte Klimapolitik und nur darum, das muss einer breiten Öffentlichkeit erst noch klar werden. Wir machen keine Steuerpolitik, damit Herr Lindner seinen Haushalt füttern kann.
Die Grünen regieren mit in Berlin. Trauen Sie der Ampel zu, diesen notwendigen sozialen Ausgleich vielleicht sogar vorbildlich auch für andere EU-Staaten anzupacken?
Mir kommt in der öffentlichen Debatte viel zu kurz, was die Ampel schon alles angepackt hat. Der Ausbau der Erneuerbaren ist beispiellos weltweit. Und das Klimageld ist im Koalitionsvertrag vereinbart, wobei wir gelernt haben, dass allein eine Verankerung im Koalitionsvertrag nicht ausreicht. Papier ist geduldig, das Klima ist es nicht. In Baden-Württemberg sind die Durchschnittstemperaturen überdurchschnittlich angestiegen. Auch deshalb braucht es jetzt gesellschaftliche Akteure, die sich für die Akzeptanz der Maßnahmen und für einen gerechten finanziellen Ausgleich stark machen, und es braucht auch die Medien, die informieren.
Sie sind seit bald 15 Jahren bei den Grünen aktiv und Vater einer kleinen Tochter. Wie schauen Sie auf das Erreichte und in die Zukunft?
Wenn ich die Zahlen des Weltklimaberichts lese, dann ist das viel emotionaler als früher. Ich kann mir ausrechnen, dass die Welt, wenn meine Tochter 40 oder 45 ist, womöglich um drei Grad wärmer ist. Milliarden Menschen wären von Hungersnöten bedroht, von Dürren, von Überschwemmungen, von Verzweiflung. So eine Welt will ich nicht. Aber wahr ist eben auch, dass sich in den vergangenen fünf Jahren mehr verändert hat im Kampf gegen die Erderwärmung als die zwanzig Jahre zuvor. Gerade Fridays for Future hat eine unglaubliche Dynamik ausgelöst. Eine Generation ist aufgestanden und hat gesagt, dass sich etwas ändern muss. Es hat sich etwas geändert auf europäischer Ebene, wir hätten das allein nie hinbekommen. Die jungen Leute haben dieses so wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts erstritten. Und diese Dynamik müssen wir nutzen, um endlich endgültig von der Fehleinschätzung anderer Parteien wegzukommen, Klimapolitik sei ein grünes Thema. Nicht nur Grüne sind bedroht, sondern alle Menschen.
2 Kommentare verfügbar
Grischa
am 27.04.2023Mal ganz abgesehen davon, dass nicht ausgemacht ist das nciht wieder Donald oder Desantiss gewinnen bei der nächsten Wahl.
Aber nehmen wir mal an die Dems regieren die nächsten 10 Jahre.
37 Milliarden pro Jahr sollen jetz der große Wurf sein?
Bei…