Bald wagt sich auch Deutschland aus der Deckung. Zum 1. Januar 2021 führt die Bundesregierung einen Preis für CO2 ein. Er beginnt mit 25 Euro pro Tonne Kohlendioxid. Bis 2025 soll er auf 55 Euro steigen. Die Schweiz ist da schon weiter. Hier kostet die Tonne CO2 umgerechnet etwa 89 Euro. Aber das ist nicht der einzige Unterschied zwischen den beiden Ländern. In der Schweiz fließen die Einnahmen aus der CO2-Abgabe zum größten Teil wieder als Bonus an die Bürgerinnen und Bürger zurück. Grüner Kapitalismus mit Ökobonus, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit – kann das funktionieren?
Die Schweizer Melange aus Klima-Abgabe und Bonus-Rückzahlung bewegt auch hierzulande die Gemüter. Auch Franz Untersteller, grüner Umweltminister von Baden-Württemberg, hält viel vom sogenannten Schweizer Modell. Auf Deutschland übertragen will er es jedoch nicht. Gegenüber Kontext verhehlt Untersteller nicht, dass sich seine Landesregierung einen höheren Einstiegspreis als CO2-Abgabe gewünscht hätte als die beschlossenen 25 Euro. Statt den Bürgern jedoch ein Energiegeld auszuzahlen, wünscht er sich eine andere Form des Ausgleichs: nämlich eine Senkung der Steuern auf Strom, um die Unternehmen und die Haushalte zu entlasten und gleichzeitig die E-Mobilität zu fördern.
Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit verbinden
Die Eidgenossen dagegen sind stolz darauf, dass die Einnahmen aus der CO2-Abgabe zum größten Teil wieder an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließen. Dieses Modell ist das Ergebnis einer langen gesellschaftlichen Debatte über Klimaschutz und Gerechtigkeit im Kapitalismus, die weit über die Schweiz hinausging. In Deutschland vertrat Ernst Ulrich von Weizsäcker, von 1998 bis 2005 Stuttgarter SPD-Abgeordneter im Deutschen Bundestag, das Konzept der "ökologisch wahren Preise". Seine Hoffnung: Wenn man die "wahren ökologischen Kosten eines Produktionsprozesses durch Umweltabgaben in die Preise integriert", dann würden umweltbelastende Produkte und Herstellungsprozesse teurer und deshalb eingespart.
Was so logisch klingt, stößt bei Gewerkschaften, aber auch bei vielen Sozialpolitikern und sozial Engagierten auf Kritik: Ökoabgaben könnten zwar den Klimaschutz fördern, aber gleichzeitig verteuerten sie das Leben der einfachen Leute, während die Reichen einfach weiterleben könnten wie bisher. Schließen sich also Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit aus?
4 Kommentare verfügbar
Susi Sonnenschein
am 19.10.2020Aktuell besteht an dieser Stelle durchaus einen Zielkonflikt!! Dieser Frage gebührt viel mehr Aufmerksamkeit.
Unabhängig von der bevorstehenden Einführung der CO2-Abgabe, war eine klimaschonende Lebensweise bislang bereits in…