Die Situation ist paradox: Weil immer mehr kleine, größere und größte Entscheidungen in der unendlichen Stuttgart-21-Geschichte hinter verschlossenen DB-Türen und auf nicht nachvollziehbarer Basis getroffen werden, wäre ein neuer Faktencheck, wie es 2010 einen mit Heiner Geißler gab, dringendst geboten. Die vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) schon seit geraumer Zeit erhobene Forderung wird von den ProjektpartnerInnen, insbesondere natürlich von der Bahn, aber gerade deshalb nicht erfüllt, weil sonst die immer neuen Ungereimtheiten, Widersprüche und unerfüllbaren Versprechungen ans Licht kämen.
Das aktuell schlagendste Beispiel stammt aus dem Stuttgart-21-Lenkungskreis, der 28. Runde ihrer Art, am vergangenen Montag. Projektchef Olaf Drescher kündigt danach vor der Presse Neuerungen im Planungsverfahren zum Pfaffensteigtunnel (früher als Gäubahntunnel bekannt) an, wie sie bisher noch nie stattgefunden hätten: "Ich kann hier zum Besten geben, dass wir ausprobieren wollen, wie schnell man in Deutschland bauen kann." Das Vorhaben könne bis Ende 2025 planfestgestellt und in weiteren sechs Jahren fertig gebaut sein. S-21-KennerInnen hingegen gehen mit guten Argumenten von etwa 15 Jahren ab heute aus.
Die Bahn will schneller planen. Ach
Würde der gute Rat von Schlichter Heiner Geißler befolgt werden, kämen jetzt alle an und alles auf einen Tisch, und Drescher müsste seine Prognose mit Fakten unterfüttern. Nicht nur der VCD-Landesvorsitzende Matthias Lieb ist aus Erfahrung hochgradig skeptisch: "Das Versprechen, Planungen zu beschleunigen, taucht alle paar Jahre auf." Erfüllt habe es die Bahn aber noch nie.
Vorentscheidungen immerhin müssen diesmal jedoch geradezu in Windeseile und vor allem transparent getroffen werden. Denn schon im Juli soll bei einer Sondersitzung des Lenkungskreises entschieden werden, ob die Ampelkoalition in Berlin das zusätzliche Bauwerk zwischen Böblingen und Sindelfingen finanziert. "Das Risiko verlorener Kosten für die Vorabmaßnahmen im Falle einer fehlenden Realisierung des Pfaffensteigtunnels trägt die Bahn", heißt es unter Punkt drei der neuen Vereinbarung. Und die Hürden für ein endgültiges Okay legen die anderen ProjektpartnerInnen so hoch wie schon lange nicht.
Verlangt wird eine Erklärung des Bundes zur "raschen und vollständigen Finanzierung" des Pfaffensteigtunnels. Außerdem müssten die "leistungsfähige verkehrlich-infrastrukturelle Ausgestaltung des völlig neuen Streckenabschnitts" sowie "ausreichende Störfallkonzepte für den Bahnbetrieb zwischen Gäubahn und dem Stuttgarter Hauptbahnhof" vorliegen. Das Land will den Weiterbetrieb des letzten Gäubahnabschnitts, der Panoramabahn, bis zum neuen Nordhalt beim Nordbahnhof für die Zeit, in der die Gäubahn durch die neuen Planungen abgehängt ist, und zudem die Aufrechterhaltung des IC-Stundentakts. Nicht nur der VCD freue sich auf Informationen zu diesen und anderen Punkten, weil "dann endlich Details offen gelegt werden müssen", sagt Lieb. Gerade auch zu der Frage, ob denn das Bundesverkehrsministerium überhaupt bereit ist, weitere Milliarden in Stuttgart 21 zu investieren.
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Michael Schwarz
am 06.05.2022