Nicht der womöglich nächste Bundeskanzler, nicht die Bundesvorsitzende Saskia Esken, nicht die baden-württembergische Nummer Eins Andreas Stoch oder sein Generalsekretär Sascha Binder haben den besten Rat parat für die GenossInnen. Beim SPD-Landesparteitag in Freiburg am vergangenen Wochenende war es Tim Strobel. Schon während des Mitgliederentscheids um die Parteiführung war der 24-jährige Student Olaf-Scholz-Fan. Jetzt will er nicht mitmachen beim Frohlocken über die fast 26 Prozent bei der Bundestagswahl und die beiden Umfragen, die die SPD im Land bei 20 und 21 Prozent sehen und sogar vor der CDU. Denn es gebe "ein großes Aber, wenn wir in die nähere Vergangenheit blicken". Vor einem Jahr habe die Sozialdemokratie noch als tot gegolten. Daran zeige sich, wie volatil die Parteienlandschaft sei – "da müssen wir uns ehrlich machen".
Zu tun gibt es einiges auf diesem weiten Felde. Denn bei aller Freude über das beste Bundestagswahlergebnis seit 16 Jahren (und damit der demoskopischen Fast-Verdopplung seit dem Elf-Prozent-Debakel bei der Landtagswahl im März 2021) beschreiben den Ist-Zustand ganz andere Zahlen. Im Baden-Württemberg-Trend hat infratest-dimap gerade erst erhoben, wie viel Arbeit vor Stoch liegt, der so gerne Baden-Württembergs zehnter Ministerpräsident werden möchte. Nur 43 Prozent der Befragten kennen den Heidenheimer Rechtsanwalt überhaupt, nur 19 Prozent sind mit seiner Arbeit zufrieden. Zum Vergleich: Die Landesregierung kommt selbst unter SPD-AnhängerInnen auf 66 Prozent.
Floskeln und oberflächliche Attacken gegen Grün
Da wirkt sein vielbeklatschter Rundumschlag auf dem Parteitag doch ziemlich gewagt. Von Neustart fehle jede Spur, schimpft der Ex-Kultusminister, der von Winfried Kretschmann gerühmt worden ist als der beste in der Landesgeschichte. Grün-Schwarz, so Stochs Verdikt, habe weder die Kraft noch die Motivation, die Herausforderungen im Land anzupacken. Nicht politische Inhalte, sondern die "persönliche Gefühligkeit" des Ministerpräsidenten habe im Frühjahr eine Ampelkoalition im Land verhindert: Würde der "den Wahl-O-Mat machen, kämen definitiv nicht die Grünen heraus", stichelt Stoch in der Freiburger Messehalle.
Und der 52-Jährige stolpert gleich auch noch in die Falle der unglaubwürdigen Fundamentalkritik. Etwa wenn er unterschlägt, dass die Regierungsfraktionen im Landtag eine erste Novelle des Klimaschutzgesetzes bereits verabschiedet haben. Oder dass sich Teile des Koalitionsvertrags sehr wohl in den Vereinbarungen der Berliner Ampel-Partner wiederfinden. "Einfach mal ins Sondierungspapier schauen", twittert Caro Blarr, Sprecherin im Staatsministerium, "Zwei-Prozent-Flächenziel bei der Windkraft, Photovoltaik-Pflicht, Artenschutz analog beim Biodiversitätsgesetz im Land. Dazu Bürgerräte … alles made in BaWü."
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!