Gabi Rolland müht sich redlich. Die stellvertretende Vorsitzende der Südwest-SPD lobt die Pläne, die ihre Partei gerade in der Bundesregierung in die Tat umsetzt. Und das sind keine Kleinigkeiten: Das Rentenniveau ist stabilisiert, das Kita-Gesetz auf den Weg gebracht, die Parität in der Krankenversicherung wird wiederhergestellt und der Topf für den sozialen Wohnungsbau mit 2,5 Milliarden Euro gefüllt. Und worüber wird geredet bei der LandesvertreterInnenversammlung am vergangenen Samstag in der Tuttlinger Stadthalle unter den Delegierten, die die Europawahl im kommenden Mai vorbereiten? Darüber jedenfalls nicht, sondern über Hans-Georg Maaßen natürlich, über Horst Seehofer und darüber, dass die Südwest-SPD nicht mehr vorkomme in der öffentlichen Wahrnehmung.
Nach den neuesten Forsa-Zahlen sehen noch vier Prozent der Baden-WürttembergerInnen die SPD vorne im Ranking der Problemlösungskompetenz. Wobei es deutschlandweit auch nur noch fünf Prozent sind. Der Niedergang der Sozialdemokratie lässt sich im Südwesten wie unter einem Brennglas betrachten. Seit mittlerweile 35 Jahren scheitern alle Versuche, immer neue Tiefststände bei Wahlen und in Umfragen als "Talsohle" zu interpretieren. Stattdessen: Schlimmer geht immer. "Jetzt drohen Ergebnisse unter zehn Prozent", sagt ein altgedienter Genosse, der inzwischen ungern durch die eigene Stadt geht. Früher sei wenigstens diskutiert worden, heute schlage Sozialdemokraten "vor allem Mitleid entgegen". Aus diesem Motiv sei eine Partei aber noch nie gewählt worden.
Keine Rezepte zur Profilstärkung
Erst recht nicht dafür, frühere Fehler zu reparieren. In diesen turbulenten Monaten rückt, unter vielem anderen, mit dem versuchten Schwenk in der Wohnungsbaupolitik die Ära Kohl wieder ins Blickfeld. Zahllose Einschnitte, die direkt in die heutigen Armutsstatistiken münden, wurzeln in den Jahren ab 1983: vom Total-Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau bis zur Abschaffung der Vermögenssteuer. Der Kündigungsschutz wurde eingeschränkt, die Frühverrentung auf Kosten der BeitragszahlerInnen gefördert, die Mehrwertsteuer mehrfach erhöht und so weiter und so fort. Die Liste ist überlang. Allerdings brachte Rot-Grün weder die Kraft noch den Willen auf, das zu korrigieren, was selbst ein Helmut Schmidt als "Abwendung vom Sozialstaat hin zur Ellenbogengesellschaft" missbilligt hat. Ganz im Gegenteil. In den Hartz-IV-Gesetzen gipfelte unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer ein fataler Prozess der Entsozialdemokratisierung der Sozialdemokratie.
9 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 28.09.2018Zu diesem Kommentar • Martin Erz Vor 2 Tagen 3 Stunden – Auszug:
Warum hat Nahles nicht den Sarrazin rausgeworfen? Mit ihm wurde rechtes…