Sein Sündenregister ist ellenlang – und zuletzt sollte Hans-Georg Maaßen dafür auch noch belohnt und befördert werden: Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) verletzte mehrfach seine Dienstpflichten, verfolgte seine eigene Agenda mit Berührungspunkten zu rechtsaußen, er informierte Politiker der AfD in vertraulichen Gesprächen über unveröffentlichte Erkenntnisse des "Verfassungsschutzes" (VS), soll sie gar beraten haben, wie die Partei mit nachgewiesenen Verflechtungen ins rechtsradikale Spektrum eine Beobachtung durch den VS vermeiden kann; er bezweifelte, relativierte, ja verharmloste fremdenfeindliche Ausschreitungen, rassistische Hetze und Angriffe auf Migranten in Chemnitz; belog das Parlament über den Einsatz eines V-Manns im Umfeld des Attentäters Anis Amri, verdächtigte den Whistleblower Edward Snowden, ein russischer Spion zu sein, und löste mit einer Strafanzeige gegen zwei Journalisten des Internetportals netzpolitik.org Ermittlungen aus, die die Pressefreiheit in Gefahr brachten. Und ein solcher Mann sollte an oberster Stelle Demokratie und Verfassung schützen? Wer schützt uns vor solchen "Verfassungsschützern"?
Hans-Georg Maaßen, der sich zwar als "Dienstleister für Demokratie" bezeichnet, reiht sich vortrefflich in die lange und erschreckende Skandalgeschichte des BfV ein. Dieser Mann muss nun zwar wegen seiner skandalösen Verfehlungen als BfV-Chef seinen Schlapphut nehmen, sollte aber zunächst mit einem faulen "Kuhhandelskompromiss" der Großen Koalition auch noch dafür belohnt, zwei Besoldungsgruppen hochgestuft (was einen satten Zuschlag von rund 30 000 Euro pro Jahr bedeutet hätte) und zum Staatssekretär im Bundesinnen- und Heimatministerium (BMI) von Horst Seehofer (CSU) befördert werden. Seehofer hatte ihm trotz aller Verfehlungen das Vertrauen ausgesprochen, das er als BfV-Präsident bei den meisten Bundestagsparteien, mit Ausnahme von CSU und AfD, nicht mehr genießt. Dafür sollte sogar SPD-Staatssekretär Gunther Adler im BMI weichen, der sich dort mit den Themen Wohnen und Naturschutz beschäftigt und als anerkannter Experte in der Baubranche gilt. Ein solches Schmierentheater, wie es ursprünglich ausgehandelt worden war, trägt zur Erosion der Demokratie und zur grassierenden Politikverdrossenheit in weiten Teilen der Bevölkerung bei – und befördert damit antidemokratische Tendenzen.
Beim Koalitionspartner SPD brodelte es daraufhin gewaltig. Die Rede war gar von einem "Staatsstreich" (Nina Scheer, SPD-Bundestagsabgeordnete), wenn "ein Verbreiter rechter Verschwörungstheorien" (Ralf Stegner, SPD-Vize) für seine Fehlleistungen auch noch zum Staatssekretär befördert werde. Deshalb suchte die Bundesregierung nach einer anderen, weniger bizarren Lösung und ruderte zurück: Maaßen soll nun als Sonderbeauftragter (im Rang eines Abteilungsleiters) für europäische und internationale Fragen ins BMI wechseln, bei gleichen Bezügen wie bisher für einen neu zu schaffenden Posten (Besoldungsgruppe 9).
Ein Dienstleister für Demokratie oder ein "furchtbarer Jurist"?
Statt also Maaßen als unhaltbaren politischen Spitzenbeamten sofort in Ruhestand zu versetzen (und am besten seinen BMI-Vorgesetzten Seehofer gleich mit), hätte dieser als Staatssekretär für Sicherheitsfragen, Bundespolizei und Cybersicherheit, wie ursprünglich vorgesehen, noch weit mehr politischen Einfluss und im Zweifel noch weit Schlimmeres anrichten können als bislang schon. Doch auch als "Sonderbeauftragter" für europäische und internationale Fragen ist das nicht auszuschließen. Denn hier geht es nicht zuletzt um hochsensible Fragen zu Flucht, Umgang mit Geflüchteten und EU-Abschottung und um das Aushandeln von Abkommen zur Abschiebung von Asylbewerbern sowie von problematischen Deals mit afrikanischen Staaten. Es geht bei diesem Ressortzuschnitt also, um mit Maaßens Chef Horst Seehofer zu sprechen, um die Migrationsfrage als "Mutter aller politischen Probleme".
Anlass zur Sorge bietet in diesem Zusammenhang auch Maaßens Wirken vor seiner Zeit als BfV-Chef. Bereits als Leiter der "Terrorismusbekämpfung" in der Abteilung Öffentliche Sicherheit und als Referatsleiter für Ausländerrecht im BMI hatte er sich den Ruf eines sicherheits- und migrationspolitischen Hardliners erworben. Im Herbst 2002 war Maaßen mitverantwortlich dafür, dass der im US-Gefangenenlager und Foltercamp Guantánamo unrechtmäßig eingesperrte Bremer Murat Kurnaz nicht nach Deutschland zurückgeholt wurde. Maaßen argumentierte in einem Gutachten, Kurnaz habe sein unbegrenztes Aufenthaltsrecht in Deutschland verwirkt, da er mehr als sechs Monate außer Landes gewesen sei und sich nicht bei den zuständigen Behörden gemeldet habe. Maaßen wusste genau, dass Kurnaz sich gar nicht melden konnte – wie auch, aus Guantánamo? Diese groteske Rechtsauffassung trug dazu bei, dass Kurnaz' Qualen in Guantánamo um Jahre verlängert wurden. Damit erwarb sich Maaßen schon frühzeitig den Ruf eines "furchtbaren Juristen", wie es der grüne Bürgerrechtler Roland Appel formuliert.
Maaßen-Personalie lenkt von strukturellen Problemen ab
Dieser "angebräunte" ("Frankfurter Rundschau") Beamte gelangte 2012 an die Spitze des BfV, nachdem sein Vorgänger Heinz Fromm wegen geschredderter Akten im NSU-Komplex in den vorzeitigen Ruhestand geflüchtet war. Die jetzt wieder heiß diskutierte und umstrittene Personalie Maaßen und sein skandalöses Wirken lenken indessen davon ab, dass es letztlich um strukturelle und tiefliegendere Probleme geht, die durch einen bloßen Wechsel an der Spitze des BfV keinesfalls gelöst werden können. Die politischen Konsequenzen müssten also wesentlich weiter gehen – nämlich an die Substanz des Inlandsgeheimdienstes, der unter dem Tarnnamen "Verfassungsschutz" (VS) firmiert.
6 Kommentare verfügbar
Elmar Fässler
am 31.12.2018In den diversen Untersuchungsausschüssen hat er mit nicht zu überbietender Arroganz und Dreistigkeit agiert.
Im Fall Amri muss man ihm zu Gute halten dass er…