Seit zwölf Jahren ist das Bundesverkehrsministerium nun in CSU-Hand. Zwölf verlorene Jahre? "Ja", sagt Leidig, "die Bilanz der Verkehrsentwicklung ist für die Auto- und Baukonzerne gut, aber für die Lebensqualität, die Umwelt, das Klima katastrophal". Verlorene Jahre, findet auch Gastel: "Die CSU-Minister haben alle stark dazu geneigt, Bayern-Politik zu machen, den Rest zu vernachlässigen. Wir reden da von zahlreichen Fördermaßnahmen, die in erster Linie für bayerische Interessen aufgelegt wurden." Also quasi Landespolitik von Bundespolitikern. Und Klientelpolitik. "Eigentlich ist das, was die CSU-Minister gemacht haben, keine Verkehrspolitik, sondern Lobbypolitik", sagt Gastel, "oder vielleicht auch eine Untersparte der Wirtschaftspolitik." Die Verkehrsminister trafen und treffen sich immer oft und regelmäßig mit Vertretern der Automobilwirtschaft; eine Vertrautheit, die auch deutlich wurde, als Scheuer bei einer Veranstaltung der IHK Stuttgart im Oktober 2018 den Daimler-Cheflobbyisten Eckart von Klaeden den "lieben Ecki" nannte. Natürlich müsse sich ein Verkehrsminister auch mal mit der Automobilwirtschaft treffen, so Gastel, "aber diese Einseitigkeit, die ist wirklich so krass, dass ich das ungeheuerlich und unverschämt finde."
Unverschämt sei darüber hinaus auch, wie Scheuers Ministerium mit parlamentarischen Anfragen umgeht: Es sei laut Gastel "das Ministerium, das die mit Abstand schlechtesten Antworten gibt und dafür am meisten Zeit braucht". Und das "systematisch", betont auch Leidig – die dies darüber hinaus ein "krasses Ausbremsen der parlamentarischen Rechte" findet. Denn: "Wir haben ja gar nicht die Möglichkeit als ParlamentarierInnen, die Ressourcen des Ministeriums zu nutzen. Und die Ministerien haben ja nicht die Aufgabe, eigenständig Politik zu machen, ihr Wissen zu bunkern und so weiter. Sondern eigentlich sind sie ausführende Institutionen."
Viel zu tun
Es muss sich also einiges ändern. Das Ministerium dürfe "nicht wieder in die Hände der CSU fallen", war schon im Juni auf der Homepage der grünen Bundestagsfraktion zu lesen. Kann Gastel sich vorstellen, dass es nach der Wahl einen grünen Bundesverkehrsminister gibt? "Ich hoffe darauf!", kommt mit großer Entschiedenheit zurück. Wer könnte das sein, vielleicht der jetzige oder vorige Verkehrsausschuss-Vorsitzende oder ein bahnpolitischer Sprecher? Namen will er keine nennen, aber es gebe "viele Leute, die in Frage kommen".
Kommt die nächste Frage: In einer Koalition mit wem? Auch hier möchte sich Gastel nicht festlegen, glaubt aber, mit der SPD könne "am meisten bewegt werden", und selbst in einer Koalition mit der FDP lasse sich etwas erreichen, auch wenn er die "nicht gerade anstrebe". Also, nach dem Ausschlussprinzip, am ehesten Rot-rot-grün. Diese Konstellation liege "natürlich auf der Hand", antwortet Leidig etwas direkter.
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Heinz Heckele
am 01.09.2021Vor einigen Wochen bin ich nach Franken gefahren. Dabei ist mir aufgefallen, daß sowohl an Autobahnen als auch an Bahnstrecken ausgesprochen viele Lärmschutzwände zu sehen waren. Den Anwohnern sei es gegönnt. Dies unterstreicht aber die Vermutung, daß die letzten drei…