Ausgerechnet die FDP mit ihrer "Liebe zur Freiheit", wie es im liberalen Leitbild heißt, "um selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu leben", attackiert die Politik manchmal, als gehörte sie selbst gar nicht dazu. Generalsekretär Volker Wissing, bis Mitte Mai Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz, ist sich nicht zu schade dafür, die Bundesregierung in Haftung dafür zu nehmen, "dass Menschen auf der Intensivstation landen und sagen: 'Wenn ich das gewusst hätte'". Union und SPD sind aus seiner Sicht ihrem Aufklärungsauftrag einfach "nicht in vollem Umfang nachgekommen". In Wahrheit bieten die Internetseiten der verantwortlichen Ministerien in Bund und Ländern umfangreichste Informationen in vielen Sprachen. Umfragen haben aber ergeben – auch kein Ausweis für die Demokratiefestigkeit einer Gesellschaft –, dass amtlichen Auskünften, Zahlen, Daten und Fakten kein ausschlaggebendes Gewicht zugeschrieben wird.
Bundeseinheitliche Regeln? Fehlanzeige
Außer natürlich in Bayern. Markus Söder, das eigene Image immer fest im Blick, preschte zu Wochenbeginn wieder einmal vor, um sich als Vorreiter zu stilisieren. Er will ein "neues Kapitel" in der Pandemiebekämpfung aufschlagen, muss aber bei 3G bleiben, weil er die mit seiner CSU koalierenden Freien Wähler nicht von neuen Maßnahmen überzeugen konnte. Da ist Baden-Württemberg durchaus weiter, was aber gerade nicht dazu führt, den verbreiteten Wunsch nach einheitlichen Regeln bundesweit zu erfüllen. Das Land wird drei Warnstufen, basierend auf der Hospitalisierung, einführen. 2G wird möglich bei hohem Druck auf Intensivstationen, und die Inzidenz weiterhin täglich kreisscharf ausgewiesen, sodass sich alle, die eine Impfentscheidung von der Entwicklung im eigenen Umfeld vor Ort abhängig machen wollen, sich informieren können.
Mittel- bis langfristig kann und will Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ohnehin nichts ausschließen. Schon vor der Sommerpause hat er seine Erfahrungen damit gemacht, was passiert, wenn ein Politiker nach Zwangsmaßnahmen gefragt wird. "Es ist möglich, dass Virus-Varianten auftreten, die das erforderlich machen", lautete die strenge Antwort des ehemaligen Biologielehrers. Denn im evolutiven Geschehen hätten ansteckendere Mutanten eben einen Selektionsvorteil und setzten sich durch. Das ist ein Faktum, aber deshalb – wie die vergangenen 20 Monate lehren – noch lange nicht überzeugend.
4 Kommentare verfügbar
Aron
am 11.09.2021Bin über die Doku, Stuttgart, Ich hänge an Dir, auf "den Kontext" aufmerksam geworden. Wegen der gezeigten Äußerungen zu Stg21, fragte ich mich, wie es wohl heute mit der Kritikfähigkeit Ausschauen mag.
Ich schließe mich den Kommentaren zum Artikel an, und freue mich, immerhin, diese…