Vera Sompon steht schon in der Tür und empfängt uns herzlich, als wir die letzten Stufen der langen Treppe zu ihrem Büro in der Göppinger Innenstadt erklimmen. Im Eingangsbereich hängen gerahmte Fotos von großen Vorbildern. Zur Inspiration, sagt sie. Nelson Mandela mit kämpferisch erhobener Faust. Oder Rosa Parks, die 1955 in den USA wegen ihrer Weigerung, Weißen im Bus ihren Platz zu räumen, verhaftet wurde, was jene Proteste auslöste, die zum Ende der Rassentrennung führten. Vera Sompon ist Gründerin, Beraterin und Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins Sompon Socialservice, der sich um MigrantInnen vor allem afrikanischer Herkunft kümmert.
"Wir übernehmen nicht die Arbeit von anderen", sagt sie, "sondern wir unterstützen die vorhandenen Strukturen." Sie und ihr Team – acht festangestellte MitarbeiterInnen und mehr als 80 ehrenamtlich Engagierte – beraten, vermitteln, betreuen, animieren, helfen. Ob es sich dabei um Alltagsprobleme, Aufenthaltsgenehmigungen oder Sprachkurse handelt, um Kita-Plätze, Wohnungs- und Jobsuche oder Freizeit- und Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche. Oder darum, traumatisierende Erlebnisse und rassistische Diskriminierung zu verarbeiten. Der Verein veranstaltet Gesprächsreihen, Fortbildungen und Mentorenprogramme, Afrikawochen und das Esslinger Afro Neckar Festival. Ein großes Netzwerk steht hinter Sompon. Es gibt derzeit zwei Standorte: das Hauptbüro im Schelztorturm in Esslingen und seit vier Jahren die Zweigstelle in Göppingen. Eine weitere Beratungsstelle soll in Bremen entstehen.
Vera Sompon besitzt eine wohlklingende, kräftige Stimme. Man hört ihr gerne zu, und man versteht sofort, was die Menschen meinen, die sie schon mal auf einem Podium erlebt haben und von einer Energie berichten, die einen schier wegfege. Sie bringt sich nicht nur in ihrem Verein ein, sondern zum Beispiel auch im Paritätischen Wohlfahrtsverband, als Sprecherin des Forums der MigrantInnen.
Woher kommt diese Kraft, das große Engagement?
Vor 42 Jahren wurde sie in Bafut-Mambu, Kamerun, als Vera Nkenyi Ayemle geboren und wuchs mit elf Geschwistern in der Hauptstadt Yaoundé auf. Ihr Vater stammt aus dem französischsprachigen Mbouda, ihre Mutter aus dem englischsprachigen Bamenda. Weil Kamerun 285 Landessprachen hat, wachsen die Kinder dort mehrsprachig auf. Sompon ist mit fünf Sprachen groß geworden. Neben den beiden Amtssprachen – Hinterlassenschaften der Kolonialmächte – spricht sie die Regionalsprachen ihrer Eltern, dazu noch Kameruner Pidgin-Englisch, das als Verkehrssprache dient.
Ihre Eltern seien große Vorbilder für sie. Ihr Vater war Kommissar bei der Polizei und habe sich immer gegen die Korruption gestellt. Ihre Mutter sei eine Macherin, die immer als erste die Initiative ergreife, wenn etwas fehle vor Ort – ob es sich dabei um Kleidung, Haarschnitte oder Trinkwasser handele. Die immer versuche, Probleme selbst zu lösen, statt sich zu beschweren. "Diese Einstellung habe ich von ihr wohl geerbt", sagt sie.
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