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Forum für neurechten Elitenzüchter

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Die staatlich finanzierte Studienstiftung des Deutschen Volkes wollte mit Götz Kubitschek einen führenden Rechtsradikalen der Republik zu einer Diskussion nach Heidelberg einladen. Nach heftigen Protesten wurde die Veranstaltung mit dem neurechten Verleger und Netzwerker abgesagt.

Die Kehrtwende der Studienstiftung des Deutschen Volkes erfolgte in wenigen dürren Worten über das soziale Netzwerk Twitter. Das für den 23. März in Heidelberg geplante Seminar "Diskurs(-), Feindschaft und das Politische" könne nicht stattfinden, da eine Panelistin abgesagt habe. So könne das Phänomen des "politischen Feindes im öffentlichen Diskurs" nicht mehr angemessen diskutiert werden. Das von Bund und Ländern kofinanzierte Begabtenförderwerk – als dessen Schirmherr seit 2017 Bundespräsident Steinmeier fungiert – wollte in einer dreitägigen Konferenz laut der "Frankfurter Rundschau" eruieren, wo die "Grenze zwischen politischen Gegnern und Feinden" verlaufe, inwieweit es einer "Veränderung der aktuellen Diskussionskultur" bedürfe und ob es politische Feinde gäbe, "mit denen nicht diskutiert werden darf".

Die letzte Frage scheint schon durch die Teilnehmerabsagen beantwortet worden zu sein, als klar wurde, wem die Studienstiftung ein Forum zur Selbstdarstellung bieten wollte: Einer zentralen Figur der Neuen Rechten, dem Verleger und Strippenzieher Götz Kubitschek. Nachdem der Journalist Stefan Laurin die Teilnahme Kubitscheks am 22. Februar öffentlich machte und seine Absage am Seminar ankündigte, zog auch die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Jessica Tatti aus Reutlingen, ihre Zusage zurück. Tatsächlich haben Tatti, der ebenfalls geladene FDP-Abgeordnete Jens Brandenburg und der terminlich verhinderte Historiker Volker Weiß aufgrund der "intransparenten" (Tatti) Vorgehensweise der Stiftung erst durch die Veröffentlichung Laurins auf dem Blog "Ruhrbarone" von der Teilnahme Kubitscheks erfahren. Laurin wunderte sich, dass die Stiftung zwei Bundestagabgeordnete auf dieselbe Stufe stelle wie "einen der führenden Köpfe der rechtsradikalen Szene".

Wer ist also jener Götz Kubitschek, den die staatlich finanzierte Studienstiftung mit Bundestagsabgeordneten diskutieren lassen wollte? Wegen der Beteiligung an "rechtsextremistischen Bestrebungen" schon im Jahr 2001 kurzfristig aus der Bundeswehr entlassen, um erst nach einer Kampagne der Wochenzeitung "Junge Freiheit" wieder formell eingestellt zu werden, mauserte sich Kubitschek zu einem der maßgeblichen Akteure in der neurechten Szene. Neben seiner anfänglichen journalistischen Tätigkeit für die "Junge Freiheit", die in der publizistischen Grauzone zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus agiert, war der neurechte Netzwerker an der Gründung des Instituts für Staatspolitik beteiligt (IfS), das für sich den Anspruch erhebt, eine "Denkfabrik" der Neuen Rechten zu sein. Zudem ist Kubitschek Geschäftsführer des rechten Verlags Antaios (benannt nach einem knapp 30 Meter großen Riesen aus der griechischen Mythologie, der in einer Höhle lebte, auf Fremde Jagd machte, Löwen verspeiste und Tempel aus den Schädeln seiner Feinde errichtete), wie auch der szenebekannten Zeitschrift "Sezession" und des Blogs "Sezession im Netz".

Kubitschek vernetzt Pegida, AfD, Identitäre Bewegung und Ein Prozent

Die publizistische Tätigkeit und die Organisation von Vorträgen und Schulungen, in denen eine neurechte Elite herangezüchtet werden soll, geht einher mit den Bemühungen Kubitscheks, sich auch als Aktivist und politischer Stratege zu betätigen. Neben gescheiterten Kampagnen wie der "Konservativ-subversiven Aktion" (KSA) und dem Kampagnenprojekt "Ein Prozent für unser Land", an dem auch der ehemals linksradikale "Compact"-Herausgeber Jürgen Elsässer beteiligt ist, war Kubitschek an der Ausformung der rechtsextremistischen "Identitären Bewegung" (IB) beteiligt. Politisch ist der Verleger und Publizist am rechtsextremen, völkischen Rand der AfD zu verorten. Er pflegt sehr gute Kontakte zu seinem Duzfreund, dem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, der schon mal rassistische Vorträge über die "Reproduktionsstrategien" des "afrikanischen Ausbreitungstyps" bei Veranstaltungen der "Denkfabrik" Kubitscheks halten darf. Zudem engagierte sich der neurechte Strippenzieher bei der völkischen Pegida-Bewegung, wo er ab 2015 mehrfach als Hauptredner auftrat.

Veranstaltungen, wie das von der Studienstiftung anvisierte Seminar, bei dem rechte "Intellektuelle" als Gesprächspartner in der "Mitte" des öffentlichen Diskurses akzeptiert würden, passen perfekt ins strategische Konzept des Instituts für Staatspolitik. Allein schon die Teilnahme Kubitscheks wäre ein Erfolg, da es hierbei nicht so sehr um den konkreten Verlauf der Diskussion geht, <link https: www.deutschlandfunkkultur.de external-link-new-window>sondern darum, "Unsagbares wieder sagbar" zu machen, wie es Philip Stein, Leiter der Kampagne "Ein Prozent für unser Land", formulierte. Die Neue deutsche Rechte, die sich in der <link https: www.kontextwochenzeitung.de debatte dobrindt-auf-rechtsaussen-4856.html external-link-new-window>Tradition der sogenannten konservativen Revolution in der Weimarer Republik sieht, will eine "Metapolitik" im vorpolitischen Raum betreiben, die auf die Erringung einer kulturellen Hegemonie abzielt. Kubitschek selber bezeichnete diese reaktionäre Bewegung in der Weimarer Republik, die von Historikern oft als ein Wegbereiter des Nationalsozialismus eingeschätzt wird, als "Leitbild" seiner politischen Tätigkeit.

Vor allem die von Kubitschek geförderte Identitäre Bewegung sieht ihr "Operationsfeld" im "Kulturbetrieb, den öffentlichen Debatten, den Medien und auf der Straße". Der "vorpolitische Raum" solle durch eine rechte Hegemonie geformt werden, um hierdurch die Diskurse zu prägen, die "als Grundlage für direkte und konkrete politische Entscheidungen" dienten. Dieses Konzept, das sich an die Theorien des Marxisten Antonio Gramsci anlehnt, will somit durch die Okkupation des kulturellen vorpolitischen Raumes die Agenda der öffentlichen Diskussion bestimmen. Der ideologische Rahmen, in dem sich öffentlich Auseinandersetzungen bewegen, soll so reaktionär umgeformt werden. <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik verrohung-von-rechts-4565.html external-link-new-window>Die Grenzen des öffentlich "Sagbaren" werden quasi organisch verschoben. Gerade eine "Öffentliche Debatte" mit Bundestagsabgeordneten der Linkspartei und der FDP, organisiert von einer staatsnahen Stiftung, eignet sich perfekt als Manövrierfeld für Strategien der Metapolitik der Neuen Rechten, die auf eine reaktionäre Kulurrevolution abzielt.

Die Strategie: Grenzen zwischen rechts und rechtsextrem verwässern

Die Agenda des IfS ist dabei klar antidemokratisch, die Politikwissenschaftlerin und Publizistin Christiane Florin bezeichnete das Schrifttum der Familie Kubitschek-Kositza schlichtweg als rechtsradikal. In den im Antaios Verlag publizierten Büchern werden oft Versuche unternommen, rechtskonservative und rechtsextreme Diskurse zu verknüpfen. Diese Strategie der rechten Brückenschläge zwischen konservativen und extremen Rechtsströmungen, die durch ideologische "Unschärfe" eine effektive Ausgrenzung der extremen Rechten verhindern soll, äußerte sich in der Kooperation mit Identitären, Pegida und dem rechten Rand der AfD. Letztendlich ruft Kubitschek im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise zum gezielten Rechtsbruch, zur Aktion "jenseits geltender Gesetze" auf, um den Staat "Beine zu machen".

Die militanten Aktionsformen, wie Blockaden von Flüchtlingsheimen, die als "ziviler Ungehorsam" bezeichnet werden, will Kubitschek mit dem reaktionären Konstrukt der "Staatsidee" legitimiert wissen. Die "konkrete Staatswirklichkeit" weiche von der "Staatsidee" eines Kubitscheks derzeit ab, da die "die Rechtsordnung an sich aus den Fugen" geraten sei – folglich müsse die "Staatswirklichkeit" bekämpft werden, bis sie wieder der autoritären "Staatsidee" entspricht, die in diesem neu-rechten Milieu gepflegt wird. Das IfS sieht folglich den deutschen Staat im "Niedergang" begriffen, da die Gesellschaft "den umfassenden Anspruch des Staates, direkt und indirekt, in Frage" stelle. Interessengruppen würden den Staat "für ihre jeweiligen Sonderinteressen instrumentalisieren" und ihn somit "zu ihrer Beute" machen. Der deutsche Staat könne aber nur durch die Stärkung der nationalen Identität erhalten werden. Hieran knüpft die Kritik an der "multikulturellen Gesellschaft" und an dem "geschichtspolitischen Missbrauch der deutschen Vergangenheit" an.

Der Kampf um den autoritären deutschen Staat, der die Gesellschaft wieder seinem "umfassenden Anspruch" unterwirft, ist für das IfS vor allem ein Kampf um eine neue, reaktionäre Elite, es ist gewissermaßen ein Elitenkampf. Diese neue Elite will das IfS durch seine Schulungsarbeit und Vortragstätigkeit als Denkfabrik der Neuen Rechten heranzüchten. Geschichte wird nach Ansicht des IfS von "historischen Minoritäten" gemacht, wie es der ehemalige "wissenschaftliche Leiter" des Instituts, Karlheinz Weißmann, in Anlehnung an einen Begriff Enzensbergers formulierte. Nur diese weltanschaulich gefestigte Auslese verfüge über die "Einsicht, wirkliche Einsicht", um die "tatsächlichen Zusammenhänge" zu begreifen. Das IfS will Eliten formen, die "notfalls gegen erdrückende Mehrheiten ihre Position behaupten" und handlungsfähig bleiben, wenn der Krisenfall eintritt – die Neue Rechte wartet somit auf einen ernsthaften Krisenschub. Sobald die bestehende Gesellschaftsformation in eine existenzielle Krise verfalle, sobald Staat und Gesellschaft von Zerfall bedroht seien, will man eine grundlegende Veränderung der politischen Verhältnisse durchsetzen und die herrschenden Eliten ablösen.

Schon im Jahr 2007 sprach Kubitschek von einem "Vorbürgerkrieg" in Deutschland, den es zu gewinnen gelte: "Der Kampf um die Vorherrschaft im eigenen Raum" sei eben "ein Kampf, keine Diskussion", bei dem es nicht zivilisiert zugehen könne: "Sollten wir Deutsche zu zivilisiert für die Notwendigkeiten des Vorbürgerkriegs bleiben, ist die Auseinandersetzung bereits entschieden: 'Nur Barbaren können sich verteidigen', sagt Nietzsche."

Dass dieses strategische Programm des IfS, das letztendlich auf einen autoritären "Elitewechsel" in Krisenzeiten abzielt, doch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sein dürfte, fiel letztendlich auch den Verantwortlichen der Studienstiftung des deutschen Volkes auf. Gut 18 Stunden nach dem ersten, obig erwähnten Tweet, folgte noch die Ergänzung, dass es ein Fehler gewesen sei, Kubitschek einzuladen und dass Personen, die außerhalb des Grundgesetzes stünden, keinen Platz in der Studienstiftung hätten.


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2 Kommentare verfügbar

  • Klaus Kramer
    am 27.02.2019
    Antworten
    Ich würde mir bei künftigen Veröffentlichungen zum Thema hinsichtlich der besseren Verständlichkeit des von Ihnen Gemeinten wünschen, dass Sie entweder selbst klar beschreiben, was sie für rechtsextrem halten, oder eine der politikwissenschaftlichen Typologien bemühen, oder sich auf definierte…
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Ausgabe 459 / Grüne Anfänge mit braunen Splittern / Udo Baumann / vor 1 Tag 11 Stunden
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