Man kann es drehen und wenden, wie man will: Mit seinem Aufruf zu einer "konservativen Revolution" in Springers "Welt" ist Alexander Dobrindt als Politiker endgültig untragbar geworden. Denn entweder er ist zu dumm, um zu wissen, in welches politische Umfeld er sich mit einem solchen Aufruf begibt. Ein Blick auf Wikipedia hätte genügt, um zu erkennen, dass alle Anhänger einer solchen Revolution durch antiliberale, antidemokratische und antiegalitäre Züge geeinigt sind. Oder aber der ehemalige CSU-Minister wusste genau, dass er sich in eine politische Position begibt, die durch unsere Grundrechtsordnung nicht mehr abgedeckt ist. Dann ist er als Politiker erst recht nicht mehr haltbar.
Für eine ihm durchaus bewusste Einordnung in eine rechtsextreme Position spricht, dass er das Gebrüll eines Jörg Meuthen, der von einem "links-rot-grün verseuchten 68er-Deutschland" sprach, nachkläfft: Die Meinungsdiktatur der 68er, die die Gleichheit aller einfordere, aber dabei die deutschen "Bürger" ausgrenze, müsse beendet werden; die "Stimme der Bürger" solle wieder Gehör finden. "Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger." ("Die Welt", 4.1.2018)
Eine "linke Revolution der Eliten"? Wann und wo soll es die gegeben haben? Von 1982 bis 1998 unter Helmut Kohl und der CSU? Unter der neoliberalen Regierung von Gerhard Schröder und Joschka Fischer (ohne die CSU)? Oder gar seit 2005 unter Angela Merkel und der CSU? Fake news, möchte man sagen. Aber Dobrindt geht es um etwas anderes: Er möchte mit der "konservativen Revolution" die AfD rechts überholen, so wie es seine Vorgänger Anfang der 1990er Jahre schon einmal in einem vergleichbaren politischen Kontext gemacht haben. Da ging es um die Republikaner und deren drohenden Einzug in den Bundestag sowie eine rechtsextreme Gewaltwelle mit vielen von Rechtsextremen Ermordeten – und dies zum Teil unter unverhohlenem und öffentlichen Beifall der "Bürger", die Dobrindt als Wähler gewinnen will. Auf Druck insbesondere der CSU wurde 1992 das Grundrecht auf Asyl faktisch außer Kraft gesetzt in einer Art und Weise, die der Philosoph Jürgen Habermas veranlasste, von einer neuen Form von Regierungskriminalität zu sprechen.
Es geht um ein Programm jenseits von Demokratie
Aber solche Lügen bezüglich einer "linken Revolution", "linken Elitenherrschaft" und "linken Meinungsführerschaft" sind nur Mittel für ganz andere Zwecke: Es geht Dobrindt, aber auch anderen CSU- und CDU-Politikern, schon um ein politisches Programm jenseits von Egalitarismus, Liberalismus und Demokratie. Und genau deswegen die Forderung nach einer "konservativen Revolution" und nicht "nur" nach einer "geistig-moralischen Wende", die im Vorfeld der Kanzlerschaft Kohls zu einem großen Teil auch schon von den rechten Ideologen eingefordert wurde, die – wie insbesondere Armin Mohler und Gerd-Klaus Kaltenbrunner – diese Wende als Vorbereitung einer konservativen Revolution verstanden.
Was ist nun genau unter "konservativer Revolution" zu verstehen? Da mit den Büchern von Volker Weiß "Die autoritäre Revolte: Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes" (2017) und Michael Wildt "Volk, Volksgemeinschaft, AfD" (2017) schon sehr gute Überblicke zu diesem Thema verliegen, möchte ich den Akzent etwas anders setzen.
5 Kommentare verfügbar
David Sohn
am 19.01.2018Heute wird doch derjenige, welcher die CDU Werte von 1970 - 1990 vertritt, schon als rechts oder als Nazi betittelt, mit dem damit verbundenen Versuch, ihn mundtot zu machen.
Man höre sich übrigens mal die Reden…