Eines ist sicher: Das hätte Rommel seinen ParteifreundInnen nicht durchgehen lassen, egal auf welchem Felde der Stadtpolitik. Wider besseres Wissen, wider die Vernunft und die vielen Erkenntnisse rund um den Erdball wird eine sinnvolle und notwendige Diskussion unterbunden. Immer die billigen politischen Punkte und den nahenden Wahlkampf im Blick, gibt der CDU-Kreisvorsitzende Stefan Kaufmann seine "Empörung" und seine "Fassungslosigkeit" zu Protokoll, weil Fritz Kuhn die alte Debatte über eine sinnvolle Verkehrslenkung neu beleben will. Zudem, so Kaufmanns Behauptung, habe Kuhn im Wahlkampf das Gegenteil versprochen und sei insofern wortbrüchig geworden. Vielleicht würde Rommel einen seiner berühmten Sprüche auspacken oder einen der gekonnten Schenkelklopfer erfinden, mit denen er sein Publikum zu unterhalten pflegte, bis die Tränen kamen. Auf jeden Fall würde schnell klar, auf welcher Seite der Alt-OB stünde: nicht auf der seiner Partei.
Denn mit voller Absicht werden zwei Begriffe vermengt, die die Debatte zwar seit bald drei Jahrzehnten mitbestimmen, aber offenbar nur von Fachleuten auseinandergehalten werden. Kuhn hatte in seinem Wahlkampf 2012 tatsächlich erklärt, eine City-Maut werde es mit ihm nicht geben. Und obwohl die Nahverkehrsabgabe ein völlig anderes Instrument ist, stecken die CDU-Kommunalpolitiker beides in einen Sack, um ordentlich darauf einprügeln zu können. Anders als die City-Maut verlangt die Nahverkehrsabgabe von allen, die mit ihrem Auto nach Stuttgart fahren wollen, einen Betrag abzuführen bis hin zum Jahresticket für den öffentlichen Personennahverkehr, kurz: ÖPNV.
Dahinter steckt die realistische Hoffnung, dass dieses Ticket immer öfter genutzt und das Auto stehengelassen wird. Er kenne seine Schwaben, so Rommel Anfang der 1990er Jahre: Wenn sie erst einmal bezahlt hätten für Bus und Bahn, dann würden sie auch einsteigen. Die City-Maut hingegen ist eine Gebühr, die bei jeder Einfahrt entrichtet werden muss. Und ebenfalls nicht des Teufels. Immerhin lenken 14 europäische Städte ihren Verkehr auf diese Weise, von Bergen und Oslo über Edinburgh und London bis Mailand und Rom. In Stuttgart, dem Mekka der Premium-Hersteller, ist so etwas allerdings politisch nicht durchsetzbar.
Apropos Teufel: Als Erwin Teufel vor 28 Jahren und ziemlich plötzlich mitten in Lothar Späths Traumschiff-Affäre Ministerpräsident wurde, strebte die Debatte um verkehrslenkende und -beschränkende Maßnahmen einem ersten Höhepunkt entgegen. Aufgegriffen hatte diese Idee der Grünen ausgerechnet ein CDU-Mann, Manfred Rommel, damals Präsident des Deutschen Städtetags. In einem dpa-Gespräch vom Januar 1991 vertrat er die Ansicht, auf Dauer führe an einer solchen Abgabe "kein Weg vorbei".
In Stadt und Land spielt die CDU mal den Antreiber, mal den Bremser
Turnusmäßig trafen sich damals zum Jahresanfang Unionsfraktionschefs aus Bund und Ländern in Stuttgart, erstmals saßen jene aus den neuen Ländern mit am Tisch. Eine gemeinsame Resolution schrieb der Verkehrspolitik "eine neue Dimension" zu, nicht nur zwischen West und Ost, sondern auch im Verhältnis Straße zu Schiene. "Die Zahlen unterstreichen den Handlungsbedarf", sagte Heinrich Haasis, damals CDU-Fraktionsvize im Stuttgarter Landtag und später Deutschlands Sparkassen-Präsident. Von 1970 bis 1989 hatte sich der Straßenverkehr etwa verdoppelt, während es auf der Schiene "kaum Zuwachs" gab. Und Haasis berief sich vor der Presse auf eine Shell-Studie, die für 2010 eine massive Zunahme der Autodichte insgesamt und gerade in Innenstädten vorhersagte.
Besonders beeindruckt waren in diesen Wochen und Monaten vor dem beginnenden Landtagswahlkampf 1992 die Verkehrspolitiker aller Fraktionen im baden-württembergischen Parlament von den Warnungen der Münchner Experten der Intraplan Consult. Bei gleichbleibender Verkehrspolitik "stranguliert sich das Automobil selbst", erläuterte deren Geschäftsführer Hans-Ulrich Mann bei einer Anhörung. Mit einer Erhöhung der Mineralölsteuer, mit einer "Sonderabgabe für Autos" oder mit beidem müsse gegengesteuert werden. Selbst die FDP wollte sich dem in einem Gesamtkonzept nicht verschließen, wie Fraktionschef Walter Döring erklärte.
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Silvia silvia
am 01.03.2019