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Rommels Erbe ausgeschlagen

Rommels Erbe ausgeschlagen
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Gerade erst rühmte die Stuttgarter CDU Manfred Rommel anlässlich seines 90. Geburtstags als prägende Persönlichkeit. Sein politisches Vermächtnis zählt jedoch wenig. Denn der populäre OB war Anhänger einer Nahverkehrsabgabe – wie sein Nachnachfolger Fritz Kuhn. Weil der aber ein Grüner ist und die Kommunalwahl ansteht, müssen die Schwarzen heute mit Vehemenz dagegen sein.

Eines ist sicher: Das hätte Rommel seinen ParteifreundInnen nicht durchgehen lassen, egal auf welchem Felde der Stadtpolitik. Wider besseres Wissen, wider die Vernunft und die vielen Erkenntnisse rund um den Erdball wird eine sinnvolle und notwendige Diskussion unterbunden. Immer die billigen politischen Punkte und den nahenden Wahlkampf im Blick, gibt der CDU-Kreisvorsitzende Stefan Kaufmann seine "Empörung" und seine "Fassungslosigkeit" zu Protokoll, weil Fritz Kuhn die alte Debatte über eine sinnvolle Verkehrslenkung neu beleben will. Zudem, so Kaufmanns Behauptung, habe Kuhn im Wahlkampf das Gegenteil versprochen und sei insofern wortbrüchig geworden. Vielleicht würde Rommel einen seiner berühmten Sprüche auspacken oder einen der gekonnten Schenkelklopfer erfinden, mit denen er sein Publikum zu unterhalten pflegte, bis die Tränen kamen. Auf jeden Fall würde schnell klar, auf welcher Seite der Alt-OB stünde: nicht auf der seiner Partei.

Denn mit voller Absicht werden zwei Begriffe vermengt, die die Debatte zwar seit bald drei Jahrzehnten mitbestimmen, aber offenbar nur von Fachleuten auseinandergehalten werden. Kuhn hatte in seinem Wahlkampf 2012 tatsächlich erklärt, eine City-Maut werde es mit ihm nicht geben. Und obwohl die Nahverkehrsabgabe ein völlig anderes Instrument ist, stecken die CDU-Kommunalpolitiker beides in einen Sack, um ordentlich darauf einprügeln zu können. Anders als die City-Maut verlangt die Nahverkehrsabgabe von allen, die mit ihrem Auto nach Stuttgart fahren wollen, einen Betrag abzuführen bis hin zum Jahresticket für den öffentlichen Personennahverkehr, kurz: ÖPNV.

Dahinter steckt die realistische Hoffnung, dass dieses Ticket immer öfter genutzt und das Auto stehengelassen wird. Er kenne seine Schwaben, so Rommel Anfang der 1990er Jahre: Wenn sie erst einmal bezahlt hätten für Bus und Bahn, dann würden sie auch einsteigen. Die City-Maut hingegen ist eine Gebühr, die bei jeder Einfahrt entrichtet werden muss. Und ebenfalls nicht des Teufels. Immerhin lenken 14 europäische Städte ihren Verkehr auf diese Weise, von Bergen und Oslo über Edinburgh und London bis Mailand und Rom. In Stuttgart, dem Mekka der Premium-Hersteller, ist so etwas allerdings politisch nicht durchsetzbar.

Apropos Teufel: Als Erwin Teufel vor 28 Jahren und ziemlich plötzlich mitten in Lothar Späths Traumschiff-Affäre Ministerpräsident wurde, strebte die Debatte um verkehrslenkende und -beschränkende Maßnahmen einem ersten Höhepunkt entgegen. Aufgegriffen hatte diese Idee der Grünen ausgerechnet ein CDU-Mann, Manfred Rommel, damals Präsident des Deutschen Städtetags. In einem dpa-Gespräch vom Januar 1991 vertrat er die Ansicht, auf Dauer führe an einer solchen Abgabe "kein Weg vorbei".

In Stadt und Land spielt die CDU mal den Antreiber, mal den Bremser

Turnusmäßig trafen sich damals zum Jahresanfang Unionsfraktionschefs aus Bund und Ländern in Stuttgart, erstmals saßen jene aus den neuen Ländern mit am Tisch. Eine gemeinsame Resolution schrieb der Verkehrspolitik "eine neue Dimension" zu, nicht nur zwischen West und Ost, sondern auch im Verhältnis Straße zu Schiene. "Die Zahlen unterstreichen den Handlungsbedarf", sagte Heinrich Haasis, damals CDU-Fraktionsvize im Stuttgarter Landtag und später Deutschlands Sparkassen-Präsident. Von 1970 bis 1989 hatte sich der Straßenverkehr etwa verdoppelt, während es auf der Schiene "kaum Zuwachs" gab. Und Haasis berief sich vor der Presse auf eine Shell-Studie, die für 2010 eine massive Zunahme der Autodichte insgesamt und gerade in Innenstädten vorhersagte.

Besonders beeindruckt waren in diesen Wochen und Monaten vor dem beginnenden Landtagswahlkampf 1992 die Verkehrspolitiker aller Fraktionen im baden-württembergischen Parlament von den Warnungen der Münchner Experten der Intraplan Consult. Bei gleichbleibender Verkehrspolitik "stranguliert sich das Automobil selbst", erläuterte deren Geschäftsführer Hans-Ulrich Mann bei einer Anhörung. Mit einer Erhöhung der Mineralölsteuer, mit einer "Sonderabgabe für Autos" oder mit beidem müsse gegengesteuert werden. Selbst die FDP wollte sich dem in einem Gesamtkonzept nicht verschließen, wie Fraktionschef Walter Döring erklärte.

In der Stuttgarter CDU saßen Antreiber wie Bremser. Rommel argumentierte mit dem weiteren Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, der ohne Abgabe "sehr erschwert" werde, weil Kosten allein aus Steuermitteln nicht zu bestreiten seien. Gerhard Mayer-Vorfelder, Kreisvorsitzender und Finanzminister, stellte sich offen gegen den Parteifreund und wollte die "Autofahrer nicht weiter schröpfen". Die drangvolle Enge in den Straßenbahnen lasse ein Umsteigen gar nicht zu, argumentierte der ohnehin zum Populismus neigende Rechtsaußen der CDU. Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch, schwergewichtig und dennoch gern sich dem Publikum auf dem Drahtesel zeigend, drängte ihn daraufhin mehrfach, offenzulegen, wie oft er selbst den ÖPNV nutze. Vergeblich.

An Rommels und Teufels Seite stand Günther Oettinger. Nach Späths Rücktritt war der heutige EU-Kommissar neuer Fraktionschef im Landtag geworden und argumentierte ausdrücklich mit der nahenden Landtagswahl 1992. Nach seiner Meinung würden "die Bürger unangenehme Neuerungen akzeptieren, wenn rechtzeitig gesagt wird, was zu erwarten ist". Besonders eng war der Schulterschluss zwischen Rommel und Thomas Schäuble. Teufel hatte den jüngsten von drei Schäuble-Brüdern zum Chef eines – bundesweit einmaligen – eigenständigen Verkehrsministeriums berufen. Und der wollte Nägel mit Köpfen machen, gestützt auf ein Rechtsgutachten, das einer Nahverkehrsabgabe seinen Segen gegeben hatte, wenn die Einnahmen daraus allein in den ÖPNV flössen.

Aus der fortschrittlichen Idee wurde nichts. Einen ersten förmlichen Beschluss gegen den eigenen Ministerpräsidenten und Landesparteivorsitzenden Teufel fasste der Bezirksverband Nordwürttemberg im Juni 1991. Nein, konterte Teufel, die Idee sei damit "nicht tot". De facto war sie es. In der Großen Koalition von CDU und SPD ab 1992 gab es zwar noch einzelne Vorstöße aus der Regierung, die Karten waren aber neu gemischt. Unter anderem, weil die CDU dem ungeliebten SPD-Umweltminister Harald B. Schäfer einen derartigen Erfolg nicht gönnen mochte. Alle Zahlen und Fakten galten nichts mehr. Irgendwann bröckelte auch die Zustimmung der Kommunalen Spitzenverbände.

Erst 2005 kommt die Idee in der CDU wieder auf die Tagesordnung, als 75 Euro jährlich vorgeschlagen waren, die beim Kauf einer VVS-Fahrkarte verrechnet würden. Oettinger, inzwischen Ministerpräsident, sah sich aber an seine früheren Einsichten nicht mehr gebunden: "Die Erhöhung der Kosten für das Auto und Verringerung der Kosten für den öffentlichen Personennahverkehr sind die beiden Standbeine einer künftigen Verkehrspolitik", hatte er Anfang der 1990er Jahre verkündet. Ein gutes Jahrzehnt später sah er die Sache ganz anders: Eine Nahverkehrsabgabe sei "zu bürokratisch und mittelstandsfeindlich", und obendrein stehe sie auf rechtlich unsicherem Boden.

Alles nicht richtig, aber für eine CDU, die aus der Ablehnung von höheren Abgaben oder Steuern einen Fetisch gemacht hat, offenbar zentral. Und fällt damit sogar dem "großen Mann der CDU in Stadt und Land, dem unsere Partei stets am Herzen lag" (Kaufmann) in den Rücken. "Wir sind dankbar dafür, dass Manfred Rommel diese Stadt mehr als zwei Dekaden geprägt hat und bis heute durch seine zahlreichen Veröffentlichungen nachwirkt", sagt der Kreisvorsitzende, der besser mal ins Archiv gestiegen wäre. O-Ton Rommel Anfang 1991: Er wünsche sich die Einführung einer Nahverkehrsabgabe "so schnell wie möglich".

Inzwischen hat die CDU das Thema wieder so sehr Grünen überlassen, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann laut über eine neue große Studie nachdenkt, quasi zu Umerziehungszwecken. Auch wenn vor dem Gutachten nach dem Gutachten ist. Denn eine sogenannte "Grundlagenuntersuchung", die gegenwärtig in Stuttgart, Tübingen, Bad Säckingen und der Verbundregion Rhein-Neckar vertieft wird, liegt bereits seit dem vergangenen August vor. Daraus geht hervor, dass die Nahverkehrsabgabe – in Mobilitätsausweis umbenannt – "die beste Lösung ist". Sie würde zur Nutzung von ÖPNV-Angeboten berechtigen, müsste zugleich jedoch von allen erworben werden, die mit ihrem Auto in die jeweilige Stadt fahren wollen.

"Das ist eine versteckte City-Maut", reagierte die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion unverzüglich und warf – wiewohl Verkehrsexpertin ihrer Fraktion – ebenfalls beide Instrumente in einen Topf. Reflexe wie diese bestärken den Regierungschef erst recht, an der Idee einer Untersuchung, etwa durch Prognos, festzuhalten. Nur so seien "Kontroversen zwischen Grün und Schwarz auflösen", nur so Einschätzungen "durch Tatsachen zu widerlegen". Gutachten seien "ein gutes Mittel", sagt Kretschmann, weil, "wer nicht zu tief im ideologischen Schützengraben sitzt, dann den Kopf herausstrecken kann". Für die Stuttgarter CDU müsste eigentlich schon die ernsthafte ehrliche Erinnerung an Manfred Rommel reichen, um ebendieses zu bewerkstelligen.


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4 Kommentare verfügbar

  • Silvia silvia
    am 01.03.2019
    Antworten
    Nahverkehr sollte kostenlos sein oder sehr günstig. Mit der Mssse macht die SSB ihren Gewinn.
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