"Haben Sie gebucht?" fragt Ladesic einen eintretenden Fahrgast. Normalerweise sollte, wer mitfahren will, sich spätestens fünf Minuten vorher gemeldet haben. Am besten über die eigens entwickelte App. Das klappt auch meistens, obwohl die App offenbar nicht immer richtig funktioniert. Ein älterer Fahrgast, der etwas davon zu verstehen scheint, spöttelt: "Wenn's das Deutsche Raumfahrzentrum nicht hinkriegt, kann es mit der Wissenschaft nicht weit her sein."
Menschen, die kein Smartphone haben oder mit der App nicht zurecht kommen, können sich per Telefon anmelden oder über die Website des Verkehrsverbunds, was allerdings kaum jemand tut. In Schorndorf ist das Projekt bekannt. Damit die Menschen, die noch nie von Barbara und Gottlieb gehört haben, nicht im Regen stehen, haben Stadt und Busbetrieb beschlossen, dass man vom Bahnhof aus auch mitfahren kann, ohne zu buchen. Da es keine Haltestellen gibt, gilt überall der Kurzstrecken-Tarif.
Ladesic und Jürgen Betz, der Fahrer von Barbara, sprechen sich noch einmal ab. Zwei Fahrgäste wechseln das Fahrzeug. Manchmal ist Gottlieb schon recht voll und Barbara hat noch Platz. Oder die beiden Fahrer wissen besser als das System, wie sie am besten alle zum Ziel bringen. Ladesic kennt Schorndorf gut, aber wenn man anders fährt, als es die App vorgibt, muss man aufpassen, sagt er. Denn die Fahrgäste, die zum Bahnhof oder in die Stadt wollen, haben den Bus zu einem festen Zeitpunkt an einem bestimmten Ort gebucht. Neben den bisherigen Bushaltestellen wurden 200 weitere Haltepunkte definiert, wo die Passagiere gefahrenfrei ein- und aussteigen können.
Gottlieb und Barbara sparen Sprit und Emissionen
Schnell ist der Punkt erreicht, wo die letzten Fahrgäste das Fahrzeug verlassen. Ladesic sieht auf der anderen Straßenseite einen jungen Mann. Er kurbelt das Fenster herunter und ruft: "Wo willst du hin?" Der junge Mann kann zusteigen. Er besucht um diese Zeit immer seine Freundin. Im Linienbetrieb müsste er am Bahnhof umsteigen. Ladesic bringt ihn direkt dorthin. Ebenso einmal die Woche drei ältere Damen, die zum Bowling ins Kalaluna wollen.
Schnell ist der Ausgangspunkt wieder erreicht. Doch bevor Gottlieb wieder richtig herum vor dem Bahnhof steht, muss er noch das Arnoldareal umrunden. Eine andere Möglichkeit zu wenden gibt es nicht.
Nicht von Anfang an lief das Experiment so reibungslos. Zu Beginn startete der Bedarfsbusbetrieb freitags schon um 15 Uhr. Das war mit den vielen Berufspendlern kaum zu bewältigen. Seit Mai galten daher folgende Zeiten: freitags ab 20 Uhr, samstags ab 13 Uhr und sonntags ganztägig.
Etwa 20 000 Fahrgäste sind bis zum Projektende Mitte Dezember mit Gottlieb und Barbara in Schorndorf gefahren. Das entspricht ungefähr dem vorherigen Linienbetrieb. Doch obwohl die beiden Fahrzeuge ein größeres Gebiet abfahren, haben sie rund 2000 Kilometer weniger zurückgelegt: das sind zehn Prozent weniger Sprit und zehn Prozent weniger Emissionen - abgesehen davon, dass die kleineren Busse und der Hybridbetrieb nochmal sparen. 96 Prozent der App-Anfragen waren erfolgreich. Allerdings gab es anfangs viele Beschwerden. Ein intensives Beteiligungsverfahren mit elf regelmäßigen Nutzern, Diskussions- und Experimentierrunden halfen, die Probleme zu identifizieren.
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Gerald Fix
am 14.12.2018