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Lieber Bäume schneiden

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An einem Samstag könnte man auch zuhause Bäume schneiden. Aber nicht, wenn Parteitag ist. Dann ziehen Südwest-Sozialdemokraten los, um sich in ein sehr schmerzhaftes Leben zu stürzen. Szenen aus Sindelfingen.

Der Sozialdemokrat an sich ist ein guter Mensch. Das gilt natürlich auch für die Sozialdemokratin. Wie bereits August Bebel (1840 bis 1913) verlangte, ist er oder sie gehalten, für eine gerechte Gesellschaft zu kämpfen. Dies gelingt, wenn alle Kräfte harmonisch und zum Nutzen aller verbunden werden. Im Vordergrund sollte dabei der kleine Mann stehen. Allerdings geriet selbiger im Lauf der Zeit etwas aus dem Blickfeld, was den Bebelschen Auftrag nicht einfacher machte: Solidarisch zu sein mit denen, die nur gemeinsam stark sind.

Auch in Baden-Württemberg hat das nur bedingt geklappt. Wenn Wahlergebnisse dafür ein Maßstab sind, dann war es unter Erhard Eppler (33,3 Prozent) besser als unter Nils Schmid (12,7). Das heißt, dass der SPD seit den 70er-Jahren viele Wähler abhanden gekommen sind, worüber dann viele Vermutungen angestellt wurden, woran es denn gelegen haben könnte. Dazu hat die kenntnisreiche Journalistin Johanna Henkel-Waidhofer in Kontext schon viele Artikel geschrieben, <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik spd-kommentar-5519.html internal-link-new-window>auch in dieser Ausgabe wieder, weshalb an dieser Stelle nicht darauf eingegangen werden soll.

Der spillerige Professor hält die Rede seines Lebens – vergeblich

Hier soll nur die Frage erörtert werden, warum mehr als 300 Genossinnen und Genossen an einem Samstag in die Sindelfinger Stadthalle kommen. Sie hätten auch zuhause Bäume schneiden können. Laut Einladung eilen sie herbei, um einen neuen Chef zu wählen, nachdem die amtierende Vorsitzende (Leni Breymaier) entnervt den Bettel hingeschmissen hat. Es gibt zwei Kandidaten. Einen spillerigen Professor aus Heidelberg (Lars Castellucci) und einen netten Anwalt von der Ostalb (Andreas Stoch). Beide halten die Reden ihres Lebens, wie ein Kollege sagt, der schon viele Reden gehört hat, und als Politikberater erkennen kann, wer vor dem Spiegel geübt hat. Er tippt auf den Professor. Sie sprechen viel vom Zusammenhalten, vom Gräbenüberwinden, von Respekt, Solidarität und Willy Brandt (kommt immer gut) und geraten dabei derart aus dem Häuschen, dass man mit ihren rhetorischen Höhenflügen glatt davon schweben mochte. Der Moment der Verzückung währt allerdings nur kurz, weil der Sozialdemokrat vom Typ her eher der Ansicht zuneigt, dass ihn kein höheres Wesen rettet. So gewinnt Stoch, wenn auch nur knapp.

Von Dauer ist dafür etwas anderes: der Dachlattenkampf. Der Begriff ist, zugegebenermaßen, von Holger Börner geklaut – für Jüngere: als hessischer Ministerpräsident wollte er Startbahn West-Demonstranten Bretter auf die Birne hauen –, aber symbolhaft stimmt das Bild auch 36 Jahre später. Allerdings weiß man bei der Südwest-SPD nie so recht, wer nun Täter oder Opfer ist, weil alle mit der Latte winken. Die Worte des Philosophen Hans-Georg Gadamer, die über ihre Köpfe hinweg zitiert werden, völlig ignorierend. "Ein Gespräch setzt voraus", hat der Heidelberger Weise einst gemahnt, "dass der andere Recht haben könnte". Nicht bei der SPD.

Am Saaleingang lungern Jusos herum und schimpfen über das "asoziale Volk" im Saal, in dem wiederum ältere Genossen über die Parteifreunde herziehen, die die schlimmsten Feinde sind. Erhard Eppler irrt durch die Gänge, als suche er einen Halt, der sich nirgendwo anbietet. Roman Zitzelsberger, der baden-württembergische IG Metallchef, wähnt sich im Kino, im "Leben des Brian" von Monty Python, wo sich die judäische Volksfront und die Volksfront von Judäa bekämpfen. Das müsse aufhören, und zwar sofort, ruft der Altsozi Gernot Erler in die Runde, und hat Glück, dass er in Freiburg zuhause ist. Manchmal, so heißt es, genüge es schon, aus Lörrach zu kommen, um nicht mit dem Arsch angeguckt zu werden. Dort sollen alle links sein.

"Hartz IV" und "neoliberal" sagen, ist ganz schlecht

Die Sache mit dem Links- und Rechtssein ist in der Sozialdemokratie bekanntlich schwierig. Im Südwesten besonders. Links ist Hilde Mattheis aus Ulm. Sie könnte als Bebelsche Auftragnehmerin durchgehen, weil sie immer sagt, dass Hartz IV schlecht ist, und weil sie ein Wort in den Mund nimmt, das ganz schlimm ist: neoliberal. "Durch unseren neoliberalen Kurs haben wir viel Vertrauen verspielt", donnert sie in den Saal, was die Vertreter der herrschenden Lehre, die sogenannten Netzwerker, ungehalten werden lässt, zumal Mattheis auch noch behauptet, ihnen gehe es nur um die Absicherung der eigenen Karriere. Wer es immer noch nicht wissen sollte – sie meint damit unter anderem Ute Vogt, Nils Schmid, Christian Lange. 

Aber nicht doch. Was ist denn aus dem Netzwerker Peter Friedrich geworden? Ein kurzzeitiger Minister für Europa. Und jetzt? Nix Politik. Unternehmensberater in Frankfurt. Er sagt, er habe Leni Breymaier, die Linke, unterstützt, als sie SPD-Chefin werden wollte. Aber müsse jetzt wirklich die "sechste <link https: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft hart-iv-5511.html external-link-new-window>Hartz-IV-Debatte" aufgemacht werden? Wieder und wieder das alte Elend, die alte Leier, und dann, natürlich noch, die Kriegsvokabel neoliberal. Es wäre gescheiter gewesen, glaubt Friedrich, die Mattheis, die er eine Keiltreiberin nennt, in die Schranken zu weisen, anstatt ihr zu folgen. Ganz nebenbei, die Gescholtene sieht das Problem selbstredend bei den Netzwerkern, denen die Leni "zuviel nachgegeben" habe.

An wem also ist Breymaier gescheitert? Die Teilhabe am Landesparteitag gibt darüber nur bedingt Aufschluss, weil eine Hauptversammlung von Masochisten, die Lust am schmerzhaften Aufeinandertreffen haben, eher eine therapeutische Angelegenheit ist. Luisa Boos, die Ex-Generalsekretärin und Vertraute Breymaiers, wollte eigentlich nur noch weg aus der Halle, mit dem Sohn Adventskalender basteln. Bitte keine Verabschiedung mehr mit all der Heuchelei. Zu viel Hass. Am Ende stand sie auf der Bühne, mit Blumen in der Hand, und verbeugte sich.


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7 Kommentare verfügbar

  • Marie Thomann
    am 30.11.2018
    Antworten
    Die SPD wird nicht mehr gebraucht. Über 100 Jahre - im Zeitalter von Revolutionen und anderen echten und weniger echten "Bedrohungen" - war sie das probate Mittel, dem Kapital stets bereitwillig die Hintertür offen zu halten.
    Diese falsch als "sozial" und "demokratisch" etikettierte Methode ist,…
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