Schlimmer geht's immer. Jedenfalls Rechtsaußen. Um abzulenken von den aktuellen internen Querelen und den verbalen Ausrastern, greifen Teile der AfD-Fraktion gerade zur alten preußischen Krieger-Regel: Angriff ist die beste Verteidigung. In Ausnutzung des Paragraph 14 der Geschäftsordnung des Landtags, die nur drei von 21 Mitgliedern ein Minderheiten-Votum einräumt, muss das Parlamentspräsidium zu einer Sondersitzung zusammenkommen, in der die Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) – nach den abstrusen Vorstellungen des Antragstellers – abgesetzt werden soll. Dazu fehlen Mehrheit wie Möglichkeit, denn eine Abwahl sieht das Regelwerk nicht vor. Aber egal, was gelten Regeln. Wieder ist Wind gesät, wobei im vorliegenden Fall noch unklar bleibt, für wen der Urheber der Forderung, der in Mannheim direkt gewählte Unternehmensberater Rüdiger Klos, überhaupt spricht. Denn das liefern die Lümmel in diesen Tagen und nicht zum ersten Mal auch mit, heillosen Streit untereinander.
Winfried Kretschmann kann auch Prophet: "Was Ihre Agenda angeht, ist nichts Gutes zu erwarten." Das war im Mai 2016 und der Grüne gerade wiedergewählt. Nur mühsam erhoben sich die damals noch 23 AfD-Abgeordneten, 20 Männer und drei Frauen, bei der Eidesleistung des neuen und alten Regierungschefs von ihren Plätzen. Kleine und große Flegeleien gehören seither zum Ton, den sie meinen ihren WählerInnen schuldig zu sein. Provokationen an die Adresse der "Altparteien", der "Systemlinge", wie andere Abgeordnete im Netz verunglimpft werden, sind an der Tagesordnung. Frappierend die Bereitschaft, der Konkurrenz alle üblen Absichten dieser Welt anzudichten. Sie sind vorlaut und schnippisch wie orientierungslose Halbstarke, aufbrausend, weil dem Austausch von Argumenten nicht gewachsen.
Schon am ersten Tag hatte Heinrich Fiechtner, der Fraktion und Partei inzwischen den Rücken kehrte, seinen Platz als Beisitzer neben der neuen Landtagspräsidentin genutzt, um die Stuttgarterin mit kurdischen Wurzeln von ganz nah zu fotografieren und die Aufnahme zu posten: als "Schneewittchen", samt der schlüpfrigen Frage: "Was machst Du heute noch?" Peanuts im Vergleich zu dem, was folgen sollte und in diesen Tagen gipfelt in einer neuen Spaltungsdebatte. Aras ist für AfDler die personifizierte Provokation angesichts ihrer Herkunft, ihres Aufstiegs als Chefin in der eigenen Steuerberatungskanzlei. Und erst recht, weil es ihr – als Stimmenkönigin landesweit – gelang, die Rechtsnationalisten in ihrem Stuttgarter Wahlkreis bei gerade mal sieben Prozent zu deckeln.
Auslöser diesmal ist Emil Sänze, immerhin Fraktionsvize und Schatzmeister der neuen AfD-nahen Gustav-von-Struve-Stiftung, der sich in besonders unverantwortlicher Weise an der Präsidentin abgearbeitet hat. Er hielt der Grünen schriftlich eine "peinliche Selbstinszenierung im Konzentrationslager" vor, weil sie NS-Gedenkstätten im Südwesten und Struthof im Elsaß besucht hatte. "Mit geschmackloser Verve" instrumentalisiere die Grüne "den deutschen NS-Schuldkomplex wieder für ihre politische Migrantengesellschaft-Agenda". Sänze, <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik da-stimmt-was-nicht-5206.html internal-link-new-window>laut Landtagshandbuch Geschäftsführer, fand auch nichts dabei, gleich die ganze Familie mit zu verleumden: Niemand von Aras' Angehörigen habe "in unserem Land Steuern gezahlt oder in den Kriegen dieses Landes fechten müssen oder in seinen Rückschlägen Opfer gebracht". Diese Aussage ist von keinerlei Wissen getrübt. Fake-news, würde Trump sagen.
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Horst Ruch
am 12.08.2018