Kein Thema ist vor ihm sicher und keine Zuhörerschaft. Auf Pressekonferenzen, Sommerempfängen, Kreisparteitagen, in Reden, Interviews und Briefen zeichnet Guido Wolf sein Gemälde vom unter Wert regierten Baden-Württemberg. Eben erst hat er sich an Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) gewandt und verlangt, sie solle sich doch "endlich bewegen" und einen zweiten Pflegestützpunkt in seinem Heimatlandkreis Tuttlingen ermöglichen. Dass die das gar nicht kann, mangels Zuständigkeit, ist ihm bekannt, stört ihn aber nicht. Die verantwortlichen Pflegekassen hatten die Ministerin vor der Sitzung sogar ausgeladen. Aber für Fakten wie diese ist kein Platz in seinem System.
Geschickt macht sich der erfahrene Kommunalpolitker und ehemalige Landrat die Komplexität vieler Themenfelder zunutze. Er serviert ein vom Publikum nicht zu durchschauendes Gebräu: klingt doch gut, im Zusammenhang mit dem auch von der CDU gesungenen hohen Lied auf die Digitalisierung die Abschaffung des Informatik-Unterrichts in der Sekundarstufe I anzuprangern? Erst neulich hat Kultusminister Andreas Stoch (SPD) in einer Landtagsdebatte richtiggestellt: Der Informatikunterricht kann in den unteren Klassen nicht abgeschafft werden, weil es ihn gar nicht gibt. Vielmehr führt die Landesregierung mit dem reformierten Bildungsplan sogar einen neuen Basiskurs in den Klassen fünf und sechs ein. Vergessen haben kann Wolf das nicht, aber egal, er tischt die Geschichte immer wieder auf – in der Erkenntnis, dass es sein Publikum, wie die freundlich applaudierenden Mittelständler im Rems-Murr-Kreis, nicht besser weiß.
Er prangert tatsächliche oder angebliche Missstände an, entwickelt Gegenpositionen, präsentiert Zahlen und Daten haarscharf oder noch weiter an der Realität vorbei, ignoriert gern die Rechtslage und kommt zuverlässig auf die immer gleiche Antwort: Schuld ist die grün-rote Koalition, die wahlweise untätig, unfähig, bevormundend ist oder allein aus ideologischen Gründen grundsätzlich das Falsche tut und lässt.
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Selbst das sensible Flüchtlingsthema muss herhalten. Die Landesregierung kümmere sich "überhaupt nicht" um die Beschleunigung von Asylverfahren, rügte er neulich. Einem Faktencheck hält auch diese Behauptung nicht stand: Tatsächlich hat Grün-Rot 16 neue Verwaltungsrichterstellen geschaffen, zwölf davon sind bereits besetzt. Als der "Südkurier" den Spitzenkandidaten mit dem Sachverhalt konfrontiert – der ihm zweifelsohne bekannt war –, nennt er den Stellenzuwachs vielleicht richtig und zugleich "einen Tropfen auf den heißen Stein".
Dann sucht er sein Heil im nächsten Angriff, verlangt Richter für Asylverfahren abzuordnen, denn das gehe "ganz schnell". Klingt auch gut, ist aber schon wieder falsch: Richter dürfen in dieser Weise gar nicht versetzt werden. Macht aber nichts, die famose Idee ist sicher schon fixer Redebaustein. Dabei stünde es dem kinderlosen Katholiken gut an, vor der eigenen Türe zu kehren: Als Landrat in Tuttlingen verantwortete er die von örtlichen Initiativen scharf kritisierte Unterbringung von Asylbewerbern in einem heruntergekommenen Diabetikerheim – fernab jeder Schule, sozialer Kontakte oder einer Busverbindung.
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Ulrich Frank
am 25.07.2015