Muss nicht dennoch oder gerade deshalb auch mehr über die Integrationsleistung geredet werden, die die Mehrheitsgesellschaft zu erbringen hat?
Wir müssen uns auf jeden Fall gemeinsam gegen die Verunsicherer, gegen die Hetzer auf beiden Seiten stellen. Frauen mit Kopftüchern an der Supermarktkasse oder im Büro sind eine Realität in Deutschland. Bis diese Realität aber zur Selbstverständlichkeit wird, dauert es noch mindestens eine Generation. Wir sollten dafür einstehen, dass ein Kopftuch nicht automatisch Ausdruck einer Islamisierung ist, sondern Muslime zu uns in Baden-Württemberg gehören.
Wie viele Menschen ohne Zuwanderungsgeschichte in Ihrer Umgebung können einen hohen muslimischen Feiertag nennen?
Wahrscheinlich nicht all zu viele. Der Ramadan als Fest ist bekannt, aber kaum mehr.
Wieso ist das so?
Weil trotz mehrerer Generationen von Einwanderern der Islam in Deutschland erst in den vergangenen Jahren wirklich sichtbar geworden ist. Deutschland, natürlich auch Baden-Württemberg, ist ein christlich geprägtes Land, und der Jahresrhythmus wird durch christliche Feste geprägt.
Dennoch hätte im Zusammenleben auch ein größeres gegenseitiges Interesse wachsen können oder sogar müssen.
Am Arbeitsplatz oder im Sportverein ist das auch vorhanden und selbstverständlich. Richtig ist, dass private Kontakte darüber hinaus noch lange keine Selbstverständlichkeit sind. Das gegenseitige Interesse muss weiter wachsen, auf beiden Seiten. Ich erinnere mich, dass mir meine Frau, als wir uns kennenlernten, erzählt hat, wie die weihnachtliche Stimmung an ihrem Leben vorbeigeht. Das ist umgekehrt ähnlich. Denn viele religiöse Feste werden vor allem in den Familien gefeiert. Der Brückenschlag ist ein privater.
Könnten symbolische Gesten helfen, etwa ein bundesweiter muslimischer Feiertag?
Da wäre ich vorsichtig. Ein muslimischer Feiertag muss nicht sein, Symbole aber schon. Viele muslimische Gemeinschaften laden ihre Nachbarn zum Fastenbrechen ein, dem Iftar, und wir als Landesregierungen messen dem einen hohen Stellenwert zu. Die Regierungsspitze ist beteiligt, auch beim jüdischen Chanukka-Fest nimmt die Regierung teil. Viele Bürgermeister und Bürgermeisterinnen wünschen in den Gemeindeblättern einen gesegneten Ramadan. Solche Zeichen kann jeder setzen. Solche konkreten Begegnungen brauchen wir.
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Wilfried Haselberger
am 17.01.2015