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Vom Wassersüppchen

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Grüne und SPD führen das Schwert im zweiten Untersuchungsausschuss zum Schwarzen Donnerstag. Sagt der Stuttgarter CDU-Landtagsabgeordnete Reinhard Löffler. Deshalb will er dem Ausschuss den Garaus machen und ein Stück Staatsrechtsgeschichte schreiben. Mit aller Macht. Weil seine Partei genau die nicht mehr hat.

Der 60-Jährige spricht gerne in Rätseln, lässt Gedanken unfertig und zieht schwer verdauliche Vergleiche. Schon in seiner ersten Rede als Landtagsneuling kommt Reinhard Löffler anno 2006 der verdutzten Abgeordnetenschar beim vergleichsweise profanen Thema Tariftreuegesetz mit Laokoon, mit Vers 439 der Odyssee und dem guten Rat, humanistisches Streben zahle sich aus. In einer Rede zu Stuttgart 21 wenige Wochen später schlägt er den Bogen von König Wilhelm bis zum "Sackbahnhof", lobt den Weitblick der Befürworter und spielt Mut gegen Routine aus – Letztere versetze keine Berge.

Jetzt will der CDU-Obmann im U-Ausschuss seinerseits Berge versetzen und nicht hinnehmen, dass die grün-rote Koalition ihre Mehrheit missbraucht, wie er meint. Nach dem – als verfassungswidrig gerügten und möglicherweise überteuerten – Rückkauf der EnBW-Aktien am Parlament vorbei soll nicht noch ein zweites Mal Regierungshandeln aus der verflossenen Legislaturperiode Gegenstand der parlamentarischen Untersuchung sein. Im September will er das Ende des Untersuchungsausschusses "Schlossgarten II" beantragen; und wenn, wie zu erwarten ist angesichts der grün-roten Mehrheit, sein Vorstoß scheitert, möchte er vor den Staatsgerichtshof ziehen und das Gremium für verfassungswidrig erklären lassen.

Abwarten, ob Löffler überhaupt Ernst macht

Kündigt er jedenfalls an. Allerdings hat der Jurist und IBM-Direktor mit Auslandserfahrung seit dem Studium schon vieles angekündigt. Er wollte die grüne Landtagsvizepräsidentin Brigitte Lösch wegen eines brieflichen Vorstoßes beim Justizministerium in Sachen Polizeieinsatz für befangen erklären. Er wollte erreichen, dass die Zeugenvernehmungen ausgesetzt werden. Kaum war mit Jürgen Filius erstmals ein Grüner Vorsitzender eines Untersuchungsausschusses im Landtag, zog die CDU dessen Neutralität in Zweifel – in einem Kontext-Interview hatte Filius laut über "das System Mappus" nachgedacht. Die Wogen gingen hoch und glätteten sich wieder. "Ich bin doch kein Saboteur", kontert der gebürtige Offenburger die Frage, warum er nicht aktiv wurde. Dementsprechend warten die Stallwächter der beiden Regierungsfraktionen jetzt erst einmal ab, ob er überhaupt Ernst macht.

Dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse nicht mehr amtierende Regierungen unter die Lupe nehmen, ist für Löffler ein Problem. Es kommt aber durchaus vor. So wurde der Berliner Bankenskandal, über den 2001 CDU-Bürgermeister Eberhard Diepgen stürzte, erst in der folgenden Legislaturperiode aufgearbeitet, der ersten unter SPD-Führung und Klaus Wowereit. Alle Fraktionen, also auch die Union selbst, stimmten für den Ausschuss. Der Bundestag setzte 2004 auf Antrag der Union einen Untersuchungsausschuss ein, der zu klären hatte, wie es zur Erschleichung Tausender Visa ab 1999 kommen konnte. Dessen Arbeit in der 15. Wahlperiode reichte in die 14. zurück, die Opposition und Regierung hatten jedoch nicht gewechselt.

Zur staatsrechtlichen Stellung des zweiten Schlossgarten-Ausschusses ist fraktionsübergreifend ein Gutachten in Auftrag gegeben worden. Auf Drängen Löfflers, der dennoch der Vorlage im Herbst vorgreift. Weil er dem ganzen Vorgang nicht traut. "Das Ergebnis des ersten Ausschusses war für die Landesregierung unbefriedigend", urteilte er kürzlich, jetzt, mit Mehrheit im Ausschuss, mache Grün-Rot eben einen neuen Anlauf. Verfassungsrechtliche Bedenken, "weil die Gewaltenteilung verletzt sein mag, interessieren nicht". Allein "die vage Hoffnung, die alte Regierung Mappus noch weiter zu beschädigen, beflügelt". Dafür sei jedes Mittel recht. Und weiter: "So viel zeigt sich schon jetzt, das Ergebnis des Ausschusses wird kaum den Nährwert einer Wassersuppe erreichen."

Gerichtsurteil: Mappus-Mail löschen oder ins Archiv

Vor allen hatten sich Grüne und SPD mit ihrer Mehrheit für Pascale Cancik als Sachverständige entschieden. Eben beantwortete die Osnabrücker Rechtsprofessorin für die Grünen im Bundestag die Frage, welche Rechte die Oppositionsfraktionen und welche Bedeutung Untersuchungsausschüsse haben sollen, angesichts dieser besonders großen Großen Koalition. Die CDU hatte den Würzburger Staatsrechtler Kyrill-Alexander Schwarz vorgeschlagen – der allerdings hatte zu Zeiten einer unionsgeführten Landesregierung in NRW in der Grundsatzabteilung der Düsseldorfer Staatskanzlei gearbeitet.

Noch ist zudem unklar, welche Folgen das jüngste Urteil des Mannheimer Verwaltungsgerichtshofs für die Aufarbeitung der möglichen Einflussnahme vor dem Schwarzen Donnerstag haben wird. Die Richter entschieden am Montag, dass vor einem Jahr aufgetauchte Kopien von Mappus-Mails, die 2010 schon einmal gelöscht wurden, jetzt endgültig gelöscht werden müssen oder – bei Interesse – dem Landesarchiv zu übergeben sind. Dort werden sie erst einmal 30 Jahre unter Verschluss gehalten. Filius nennt das Urteil in einer ersten Einschätzung nicht unbedingt ein Hindernis für die weitere Arbeit im Ausschuss, weil die Abgeordneten über die Akten der Staatsanwaltschaft auch zu gewünschten Erkenntnissen kommen könnten. Auch daran stößt sich der CDU-Obmann, nicht zuletzt, weil "vertrauliche Informationen regelmäßig den Medien zugespielt werden". Der Skandal nütze der Auflage.

Löffler, der in einer Selbstdarstellung eine Untermiete in Pippi Langstrumpfs Chaos-Villa Kunterbunt als paradiesischen Zustand beschreibt, kann und will sich nicht damit abfinden, dass eine Mehrheit maßgeblich die Arbeit im Ausschuss bestimmt. Genau das ist aber seit eh und je selbstverständlicher parlamentarischer Brauch. Die Opposition hat zwar in all den Jahren vor dem Machtwechsel von 2011 diverse Untersuchungsausschüsse beantragt, von Flow-Tex bis Traumschiff, von Atomaufsicht bis Obrigheim. Deren Ablauf wurde aber immer geprägt vom Übergewicht der schwarzen Volksvertreter.

Feldzug gegen die Machtverhältnisse

So auch im ersten Schlossgarten-Ausschuss im Dezember 2010: Natürlich wurde der Auftritt des Staatsrechtlers, der die Blockade des Polizei-Gitterwagens auf der Einfahrt in den Schlossgarten als ursächlich für den weiteren Gang der Dinge am 30. September 2010 bewertet, terminlich so gelegt, dass er vor voll besetzen Journalistenreihen stattfand; sein von SPD und Grünen bestellter Kontrahent kam erst spät am Abend zu Wort. Natürlich folgten CDU und FDP im Abschussbericht der Einschätzung ihres Gutachters, der Verhinderungsblockaden als von Grundgesetz nicht gedeckt beschrieb und Versammlungen unfriedlich nannte, "wenn von ihnen aggressive Ausschreitungen gegen Personen und Sachen ausgehen".

Der einzige Unterschied zu allen anderen Untersuchungsausschüssen in der Landesgeschichte – mit Ausnahme von EnBW – ist die Tatsache, dass die Regierungsfraktionen von Grünen und SPD im Falle des zweiten Schlossgarten-Ausschusses mit ihrer Mehrheit ein Recht nutzen, das vorrangig die Minderheit schützen soll. Gemäß der schlichten Kernlogik von Herz-Schmerz-Schnulzen ("Mann liebt Frau") gilt allerdings der Grundsatz: Parlament kontrolliert Regierung, egal ob die Anträge von der Minderheit kommen oder sogar von der Mehrheit. "Und verfassungsrechtlich gibt es keinen Unterschied zwischen einer neuen und einer alten Regierung", sagt Malin Mehlbeck, die für "Schlossgarten II" zuständige Beraterin der SPD-Fraktion.

Seinen Feldzug gegen die Verhältnisse betreibt Löffler darüber hinaus mit dem Vorwurf grün-roter Agitation. Ein zweiter Würzburger Jurist, der – wie zufällig(!) – gerade beim abgelehnten Gutachter über "Ausschüsse im Spannungsfeld von Demokratieprinzip und Effizienzerwägungen" promoviert, kommt zu einem ähnlichen Schluss. Grün-Rot verkehre nicht nur durch die Nutzung des Minderheitenrechts die Rollenverteilung im Parlament, sondern stelle den Ausschuss auch noch in den Dienst parteipolitisch motivierter Agitation. So werde er zum "politischen Tribunal". Wenn eine Regierung ihr politisches Selbstverständnis "nur in der Skandalisierung eines abgehandelten Verfahrens sucht, dient sie nicht mehr dem Land und nicht mehr den Bürgern, sondern pflegt ihr eigenes Selbstverständnis", urteilt Löffler selber in einem Aufsatz und gründet nicht zuletzt die Drohung mit den Staatsgerichtshof mit auf diese Einschätzung.

Weniger rauer Ton im zweiten Schlossgarten-Ausschuss

"Wenn" übersetzt der Duden mit "unter der Voraussetzung, dass". Nur: Das Vorhandensein einer solchen Voraussetzung zu belegen, dürfte schwerfallen. Der Ton in den Sitzungen ist spürbar weniger rau als im ersten Schlossgarten-Ausschuss. Zeugen werden in der Regel in aller Ruhe befragt von den Vertretern der Grünen und der SPD-Fraktion, meist höflich, manchmal beharrend, sie werden jedenfalls nie anagitiert. Nach jedem Sitzungstag gibt es öffentliche Bewertungen der gewonnenen Erkenntnisse durch die Obleute aller Fraktionen, fast immer frei von Aggressionen und vergleichsweise sachlich.

Die Regierung fische nur im Trüben, beharrt Löffler und widerspricht sich wieder einmal selber, hatte gerade doch sogar er "neuen Aufklärungsbedarfs" gesehen. Denn ein Fang hängt auf jeden Fall bereits an der Angel, seit der ehemalige Stuttgarter Polizeipräsident und Einsatzleiter am 30. September, Siegfried Stumpf, von der Weisung Mappus' im August rund um den Abriss des Nordflügel berichtete. Am 19. September geht der Ausschuss weiter. So oder so.


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2 Kommentare verfügbar

  • FernDerHeimat
    am 06.08.2014
    Antworten
    Die eine schwarze Partei wirft den anderen zwei schwarzen Parteien Befangenheit und politisches Kalkül vor?

    Keine Angst, Herr Löffler, auch die anderen Schwarzen wollen "Ihr" S21 bauen - und klare Schuldzuweisungen in der Öffentlichkeit vermeiden.
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