Ein guter Satz, ein schöner Satz: "Die Wahl eines Autos ist auch die Verlängerung des eigenen Lebensentwurfs in den öffentlichen Raum hinein." Jawohl, auch ein anspruchsvoller Satz, was etwa die noch nicht asphaltierten Flächen der Welt betrifft. Und ein jederzeit auszufahrender Satz, der deshalb als motivierendes Motto in Motorhauben der Premiumklasse einzugravieren ist, ja, vielleicht sogar auf die stolze Stirn des Verfassers!
Der heißt José Redondo-Vega, und geschrieben hat er dies als Chefredakteur und fürs Editorial des neuen und hochglitschig-, pardon: des hochglänzenden Magazins "Drive", das so tut, als läge es der "Stuttgarter Zeitung" bei. Wobei es aber auch umgekehrt sein könnte. Überhaupt muss man sich bei einem solch luzide-lyrischen Satz, der den eigenen Lebensentwurf buchstäblich in Blech ausdrückt, doch fragen, ob er in einem nüchternen Pressehaus konstruiert wurde. Oder nicht doch in einem inspirierenderen Ambiente, etwa im warmen Darm von Daimler, Porsche und Co.
Gerne rezensieren wir nun die sechzig Seiten dieses Magazins ..., äh, wie bitte? Ach, Sie sind schon da! Ist es auch ein Porsche 550 Spyder Replica, also so einer wie der, in dem der "Drive"-Chefredakteur auf dem Editorial-Foto sitzt? Ja!? Dann fahren Sie ihn einfach vor die Tür und legen Papiere und Schlüssel unter die Matte. Hmm. Wo waren wir stehengeblieben? Ach so, Rezension des "Drive"-Magazins, klar, und bei so einem Brumm-Brumm-Heft sind Wörter wie "stehen bleiben" natürlich blöd. Also weiter im Text: In "Drive" gibt ein im Neunzig-Grad-Winkel hochgekippter Porsche auf dem Titelblatt gleich die Richtung vor – nach oben, sowieso – und ein Artikel zu, na, zu was eigentlich?, egal, irgendwas mit Auto jedenfalls, dieser Artikel also ist zukunftsfroh betitelt: "Freie Fahrt nach Morgen". Beinahe hätte ein Zwischentitel ("Eine Welt ohne Steuern") sogar das endgültige Paradies für den Premiumkunden versprochen, er bezieht sich bei genauerem Hinsehen ("Eine Welt ohne steuern") allerdings aufs autonome Fahren.
Daimler, Porsche, Prada und Dolce & Gabbana
Aber jetzt zu den ersten vierundzwanzig Seiten von "Drive", von denen nur dreizehn was mit Porsche zu tun haben. Ein ausgewogenes Magazin also, weil es auch noch Platz für Daimler und Audi lässt, außerdem für Prada, Montblanc oder Dolce & Gabbana, für 25.000-Euro-Uhren als Kapitalanlage und für einen super Mobilien-Tipp: "Achsen statt Aktien". Also eine Investition in Oldtimer wie den Ferrari Mondial 8QV Cabrio, bei dem innerhalb von fünf Jahren eine Wertsteigerung "von rund 20.000 Euro" erwartet werden kann. Dass sich in diesem Premium-Umfeld auch ein VW präsentieren darf, nämlich das Roc Cabrio Style, wäre zwar nicht unbedingt nötig gewesen, zeigt aber die Toleranz von "Drive", zumal dieser VW offensichtlich von einer Fahrerin (!) an einer Seenlandschaft geparkt wurde. Frau und Auto – dazu später mehr.
Zunächst aber zum Ex-Rennfahrer Mark Webber, einem stoppelbärtigen Boliden in Kleidung aus der "Porsche x BOSS Capsule-Kollektion", der sich nicht zu schade ist, ein Porsche-Elektromodell zu preisen. "Ein vollelektrisches Biest", wie Webber über den Taycan sagt, den der Kunde übrigens im Porsche Experience Center Hockenheim ("Hygieneregeln werden eingehalten") durch die Kurven jagen kann. Er selber, sagt Webber, genieße es "auf eine fast kindliche Art" immer noch, im Auto zu sitzen. "Die starke Maschine und ich, in einer schönen Landschaft, – das sind pure Emotionen." Wer jetzt denkt, in einem Elektroauto fehlt gefühlsmäßig was, es brummt und heult und röhrt ja gar nicht richtig, den beruhigt Webber: "Den Taycan kann man zudem mit Soundgenerator erwerben." Damit eben auch Fußgänger, Radfahrer oder mit Hundertsechzig dahinschleichende Lahmärsche rechtzeitig die vertrauten Signale hören: Platz da, ein Porsche!
9 Kommentare verfügbar
Karl P. Schlor
am 26.06.2020nicht benötigen, die anderen - wie ja auch einer bemerkt - es sofort im Papier=
müll entsorgen. Andererseits war aber die beißende Ironie des…