Widewidewitt, ich mach' mir die Welt, wie sie mir gefällt. Bei Pippi Langstrumpf ist das lustig. Bei Peter Hauk nicht. Der famose Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat es tatsächlich geschafft, den Skandal beim Großschlachter Müller-Fleisch schönzureden und kurz danach auf PR-Tour zu gehen, um die kleinen Schafzüchter für ihre Landschaftspflege zu loben. Diesen Spagat sollten wir uns anschauen, haben wir gedacht, und Gesa von Leesen mitgeschickt. Die Kollegin war bass erstaunt, wie locker der CDU-Politiker die Dehnübungen hingekriegt hat. Mal abgesehen davon, dass er mit den Tieren etwas fremdelte, versicherte er der Schäferin ungerührt: "Wir kontrollieren die Großen und die Kleinen." Es war seine Antwort auf ihre Frage, wo denn die großen Fleischskandale herkämen. Bei der NGG, der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten, nennt man den diplomierten Förster einen schlimmen Lobbyisten. Es lohnt sich, dazu den NGG-Sekretär Alexander Münchow zu lesen.
Eine wunderbare Welt wird auch im Stuttgarter Pressehaus gemalt. Dort haben "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" die Kampagne #gemeinsam stark erfunden, unterstützt von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dessen Beitrag die Überschrift "Eine Gesellschaft, die zusammenhält" ziert. Das ist gut und wäre noch besser, wenn der Konzern nicht zum selben Zeitpunkt langjährige MitarbeiterInnen rausschmeißen würde. Ein Pharisäer der besonderen Art ist dabei Geschäftsführer Herbert Dachs, der JournalistInnen beim "Stuttgarter Wochenblatt" über die Klinge springen lässt. Mit Corona, lautet die Begründung, brächen die Anzeigen weg. Ein Wort des Bedauerns gibt es nicht. Wie sich das anfühlt, beschreibt eine Betroffene, die sich Knall auf Fall auf der Straße wiederfindet.
Derselbe Dachs freut sich, zusammen mit seinem Werbeleiter Malte Busato, über seinen neuesten Coup, das Hochglanz-Automagazin "Drive", mit dem die StZ den weltoffenen Stuttgarter mit überdurchschnittlichem Einkommen und hohem Bildungsniveau beglücken will. Sehr lesenswert ihr Interview im Branchendienst "Kress", in dem sie voller Optimismus auf sich und in die Zukunft schauen.
Auch Kontext-Autor Rupert Koppold hat einen Blick auf "Drive" geworfen, das vergangene Woche der "Stuttgarter Zeitung" beigelegt war – beziehungsweise so tat, als läge es ihr bei. Unser Rezensent befand, es hätte auch umgekehrt sein können, weil "Drive" so dick und inhaltsschwer war. 60 Seiten, von denen 21 klar erkennbare Anzeigen waren, von Daimler, Porsche, Audi und passenden Accessoires (Rolex). Der Rest hätte ebenfalls als Reklame durchgehen können. Alles eben für die Leser mit "nachhaltigem Luxusverständnis". Nicht für die armen Schlucker aus dem eigenen Laden.
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