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Klare Kante gegen AfD

Klare Kante gegen AfD
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Die Politik soll Kante zeigen. Gegen die Rechtspopulisten. Das fordern JournalistInnen gerne in Leitartikeln und Kommentaren. Seit die Landes-AfD beschlossen hat, ihre Parteitage hinter verschlossenen Türen zu veranstalten, müssen sich Medienvertreter an ihren eigenen Worten messen lassen.

"Mich ärgert das Demokratieverständnis der Regierungsparteien", polterte SWR-Chefredakteur Fritz Frey vor ziemlich genau einem Jahr, als sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Nils Schmid der TV-Elefanten-Runde vor der Landtagswahl mit AfD-Chef Jörg Meuthen verweigerten. Ihre Begründung: Schließlich sitze seine Partei noch gar nicht im Parlament. Außerdem handele es sich, so Schmid, um eine Partei, "die gegen Ausländer hetzt, die Meinungsfreiheit infrage stellt, gerade die Meinungsfreiheit von Journalisten". Deshalb könne es nicht sein, dass man mit denen ganz normal über Bildungspolitik, Verkehrspolitik oder Gesundheitspolitik rede. "Da brauchen wir einen klaren Damm der demokratischen Parteien", sagte der damalige SPD-Landesvorsitzende, "gegenüber rechtsextremistischen Auswüchsen."

Frey konterte mit der Frage: "Man möchte denen fast zurufen: Was seid ihr eigentlich für Schönwetterdemokraten, wenn ihr euch jetzt weg duckt, anstatt euch auf die Bühne zu begeben?" Der SWR erhöhte unter tätiger Mithilfe etlicher Landesmedien den Druck. Kretschmann meinte, dem nicht Stand halten zu können und bewog seinen Stellvertreter zur Teilnahme. SWR-Intendant Peter Boudgoust versprach die direkte Auseinandersetzung mit dem rechtsradikalen Kern der Partei: "Die Elefantenrunde im SWR Fernsehen Baden-Württemberg ist das beste Podium, um alle Positionen kritisch zu hinterfragen, gerade auch extremistische." Das sei von "von Anfang an unser Konzept gewesen". Am Ende ließen die beiden Moderatoren die Vertreter der demokratischen Parteien eher allein in ihren Wortgefechten mit Jörg Meuthen. Aber da war das Kind schon in den Brunnen gefallen, und die AfD jubilierte darüber, die Vertreter der "Systemparteien" und des "Staatsfunks" in die Knie gezwungen zu haben.

Schönwetterpolitik? Schönwetterjournalismus!

Schönwetterpolitiker? Der harte Vorwurf hätte Anlass sein können, verstärkt darüber nachzudenken, wie – im Umgang mit der AfD – aus JournalistInnen nicht Schönwetter-JournalistInnen werden. Also zu antizipieren, welche Zumutungen Teil des landespolitischen Alltags werden könnten und wie ihnen zu begegnen sei. Zumal es genügend Beispiele gab aus den Parlamenten in Thüringen, Brandenburg oder Sachsen-Anhalt und nicht zuletzt im Stuttgarter Gemeinderat, wie Provokationen als zielgerichtetes Mittel der politischen Auseinandersetzung eingesetzt werden.

Spätestens nach dem ersten Ausschluss der Medien vom Listenparteitag der AfD im November in Kehl zeigt sich stattdessen eine Hilflosigkeit, die auch als schleichende Anpassung verstanden werden kann. So ist es ein Verstoß gegen das Transparenzgebot, wenn in der Berichterstattung nicht offen gelegt wird, dass sie auf Hören-Sagen beruht, auf dem Lesen von AfD-Facebookseiten und allenfalls auf einer nachträglichen Pressekonferenz. "Der umstrittene Ausschluss der Medien vom Parteitag wird von den meisten anwesenden Vertretern der Partei unter der Kategorie 'Lernprozess' eingeordnet", schrieben die STZN im November. Und dass die Spitzenkandidatin Alice Weidel die Delegierten verstehen könne, "die die Presse nicht im Saal wollten". Es habe in der Vergangenheit "sehr viele unschöne Dinge gegeben, so dass manche Mitglieder der Partei sogar um ihre Sicherheit fürchteten".

Journalisten als Sicherheitsrisiko? Das gebührende Echo der Medien auf ihre Aussperrung und diesen Übergriff blieb weitgehend aus. Und von einem Lernprozess seitens der AfD kann ohnehin keine Rede sein. Denn am vergangenen Wochenende in Nürtingen mussten die BerichterstatterInnen abermals draußen bleiben. Diesmal sahen sich immerhin jene Organe, deren Korrespondenten derzeit den Vorstand der Landespressekonferenz stellen, aufgerufen, die angebotene Pressekonferenz zu meiden. Ein Boykott insgesamt wird aber nicht einmal diskutiert.

Solidarität und Schulterschluss sind vonnöten

Für gewöhnlich sind – mit Ausnahme von Kriegen und Katastrophen – die Arbeitsbedingungen von Medienvertretern wenig interessant fürs Publikum. Die Zeiten sind aber nicht mehr gewöhnlich und die Erfahrungen von drei Jahrzehnten Rechtspopulismus, -nationalismus, und -radikalismus dazu da, daraus zu lernen. Gleich mehrere Sachverständige haben in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zum "Nationalsozialistischen Untergrund" erläutert, dass die Reaktion der AfD, der NPD oder früher der Republikaner, niemals wichtigster Maßstab fürs eigene Verhalten sein kann. Denn vor allem die neuen Rechten präsentieren sich in der Kommunikation mit ihrer Filterblase immer auf der Seite der Sieger: Geben Journalisten nach und kommen zur Pressekonferenz trotz Aussperrung von der eigentlichen Veranstaltung, gilt das als Beweis für die These "Härte siegt". Und kommen sie nicht, stilisieren sich die Missachteten zu Opfern einer voreingenommenen, einseitigen, den "Kartellparteien" hörigen Presse.

Besonders perfide ist, wie holzschnittartig die Medienwelt in Gut und Böse eingeteilt wird. Denn Journalisten und Journalistinnen werden namentlich gebrandmarkt als nicht zuverlässig und deshalb nicht zugelassen. Auch da sind Solidarität und der Schulterschluss aller gefragt. Als jüngst die "Eßlinger Zeitung" über den gebürtigen Südtiroler Marc Jongen schrieb, der Philosophiedozent in Karlsruhe und frühere Assistent von Peter Sloterdijk wolle "der AfD mit seinen kruden Thesen einen intellektuellen Anstrich verpassen", war es schon vorbei mit dessen Wertschätzung der Pressefreiheit. "Solange unsere Medien derart auf Hetze und Diffamierung gebürstet sind, ist von ihnen keine faire Berichterstattung zu erwarten", konterte Jongen, "warum sollen wir uns das antun?"

Mit "unseren Medien" kann der frühere Journalist (!) Jongen die STZN nicht gemeint haben. Die widmeten ihm "als Vordenker der AfD" gerade noch eine stattliche Würdigung mit szenischem Einstieg: "Es ist keine gute Idee, an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe nach Marc Jongen zu fragen. Studenten, die gerade noch betont cool und locker im Foyer auf den Bänken fläzten, strecken plötzlich ihr Rückgrat, setzen sich auf und werden auffallend schmallippig. Mit spitzem Finger weisen sie den Weg zu seinem Büro. Die Abneigung der Studenten gegen diesen Mann ist in diesem Moment fast körperlich spürbar. Keine Frage: Marc Jongen ist in diesen Hallen eine offensichtlich unerwünschte Person." Wer in der Folge eine Eloge auf die prinzipienfesten Studierenden mit klarer politischer Haltung erwartet, wird enttäuscht. Tatsächlich fallen Sätze wie "Wäre Marc Jongen bei den Grünen, Sozialdemokrat oder bei der CDU, würde wohl kein Hahn danach krähen - aber der 48-Jährige ist bei der AfD". Oder: "Sein Wirkungsraum ist längst die Politik, und das konkrete Ziel ist der Einzug in den Bundestag." Kein Wort übrigens darüber, dass die Aufstellung im Wahlkreis wiederholt werden musste. Oder: "Er denkt nicht in Wahlperioden, nicht in Jahrzehnten, sondern in Jahrhundertzyklen."

Ein Hanns Joachim Friedrichs hat heute ausgedient

Die Situationen, in denen Journalisten sich positionieren müssen, werden also häufiger. Die Einschläge kommen näher. Das Objektivitäts-Dogma des Hanns Joachim Friedrichs ("Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten") hat ausgedient in Zeiten, in denen hierzulande das Wort von der Lügenpresse zum Alltagsdeutsch vieler gehört, in denen der neue US-Präsident den Medien buchstäblich den "Krieg" erklärt und seine Pressesprecherin von "alternative facts" schwadronieren lässt, die gleichberechtigt neben Tatsachen stehen sollen. Es wird höchste Zeit, sich zu wehren.

Das "White House Press Corps" hat Donald Trump schon vor der Inauguration per Brief Klartext übermittelt: "Wir werden uns obsessiv mit Details Ihrer Regierungsarbeit auseinandersetzen. (...) Sie wollen vielleicht kontrollieren, was aus dem West Wing nach außen dringt, aber wir werden die Oberhand haben, wenn es darum geht, zu berichten, wie Ihre Politik umgesetzt wird." Derart hoch braucht die Fehde, die die AfD mit Baden-Württembergs JournalistInnen angezettelt hat, (noch) nicht angesiedelt zu werden. Aber die Alarmglocken müssen angeschlagen werden. So lange, bis eine ausreichend große Zahl von Vernunftbegabten wach und beisammen ist. Ob es für eine Mehrheit reicht, ist allerdings noch nicht – oder nicht mehr – ausgemacht. Anders als im Weißen Haus. "Wir schließen die Reihen zwischen konkurrierenden Medien", schreibt die Washingtoner Korrespondenten-Schar an Trump, "denn wir erkennen, dass die Herausforderung der Berichterstattung über Sie darin liegt, dass wir kooperieren und uns wann immer möglich gegenseitig helfen müssen."


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7 Kommentare verfügbar

  • Rolf Steiner
    am 26.01.2017
    Antworten
    @Bolgheri, 25.01.2017 12:27 - Wir sollten diesen Trump nicht "verklären", sondern jede seiner politischen und moralischen Blödigkeiten an den Pranger stellen. Und zwar sehr, sehr deutlich. Das tut auch die normale US-Presse und zeigt damit ihre berechtigte Verachtung für diesen Rattenfänger des…
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