Broder keilte in typisch herber Wortwahl zurück, seine Fans und mit ihm eine ganze Mannschaft aus Lesern der Rechtsaußen-Ecke überzogen Hensel, die Werbeagentur und deren Kunden mit Bösartigkeiten. "Wir bekamen Drohanrufe in der Agentur", schreibt Scholz & Friends-Geschäftsführer Stefan Wegner in einem Statement dazu, "unsere Kunden erhielten massenhafte Mails mit Boykottdrohungen in Bezug auf ihre Produkte sowie der Aufforderung, das Vertragsverhältnis mit Scholz & Friends zu kündigen. Gerald bekam Morddrohungen." Hensel selbst sagte in Interviews mit "taz" und "Stern.de", er sei mittlerweile aus der Öffentlichkeit und aus Berlin geflüchtet. Zudem kündigte er sein Vertragsverhältnis bei der Agentur, um seinen Arbeitgeber aus der Schusslinie zu nehmen, sagt Hensel.
In der Werbebranche rumorte es, die Großen meldeten sich zu Wort. Etwa der Gesamtverband der Kommunikationsagenturen (GWA) in Gestalt von Präsident Wolf-Ingomar Faecks: "Wir verurteilen schärfstens, dass eine Agentur für eine Aktion in Sippenhaft genommen wird, die von einem ihrer Mitarbeiter privat und somit losgelöst von der Agentur initiiert wurde." Oder die Gesellschaft Public Relations Agenturen (GPRA): "Im Zuge der Auseinandersetzung mit der persönlichen Initiative eines früheren Mitarbeiters ist die Agentur Scholz & Friends zur Projektionsfläche einer Kampagne geworden, die emotional und nicht mehr Fakten-basiert ausgerichtet ist." Scholz & Friends selbst distanzierte sich von der Aktion, wenn auch nicht von ihrem Mitarbeiter, der Fall wurde von Werbefachblättern über Tageszeitungen bis zu "Cicero" berichtet und debattiert. Und er zeigt einmal mehr exemplarisch, wie perfide solche Shit-Stürme sind und welche Kraft sie entwickeln können. Aber vor lauter Herumlaviererei zwischen Meinungsfreiheit und einem Irgendwie-Verständnis für Broder und Co. gab es kaum jemanden, egal ob Werber oder Journalist, der sich ohne großes "Aber" hinter Gerald Hensels Aktion gestellt hätte.
Alf Frommer, Kreativdirektor der Agentur Ressourcenmangel in Berlin, die auch in Stuttgart einen Standort hat, war einer der wenigen, wenn nicht der einzige: "Der politische Werber lebt", schreibt er auf seinem Blog. "Es braucht sogar mehr davon! Intelligente, tolerante, kreative und vor allem weltoffene Menschen, die nicht einfach schweigen, wenn um sie herum gerade versucht wird, gesellschaftliche Errungenschaften wie Gleichberechtigung, Inklusion oder Toleranz gegenüber sexueller Orientierung wieder zurückzudrehen." Das ist ein Statement.
Die Macht der Werbung nutzen
Der wohl bekannteste Werber, der kommerzielle Werbung politisch nutzte, ist Oliviero Toscani, der für Benetton in den Neunzigern die Skandal-Kampagne fotografierte. Er wurde dafür kritisiert, dass er Krankheit, Krieg und Menschenrechtsverletzungen zum Verkauf von bunten Pullovern nutze. Er selbst sah das anders: "Ich nutze die Möglichkeiten, die Wirkungskraft einer unausgeschöpften und verachteten Kunst, nämlich der Werbung", sagte er einmal in einem Interview.
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