Seitdem sind vier Monate vergangen, das Ziel ist nach wie vor das gleiche: Make journalism great again. Wir treffen Constantin Seibt an einem Januarmorgen in einem Kaffeehaus in der Zürcher Bahnhofsgegend. Seibt trägt graues Haar, einen schwarzen Pullover mit Reißverschluss am Kragen und Jeans. Klassischer Reporterlook. Die Arbeit in den vergangenen Wochen ist intensiver geworden, allmählich wird es ernst für das Projekt. "Wir müssen jetzt beweisen, dass wir den Mund nicht zu voll genommen haben", sagt er. Wenn er sich über etwas amüsiert, dann gehen seine Mundwinkel hoch und seine eigentlich seriös-sonore Stimme bekommt etwas knödelig, kermithaftiges. Das also ist der Mann, der den Journalismus retten will.
Jammern hilft nichts, wenn der Verlag etwas anderes will
Angefangen hat alles vor mehr als fünf Jahren. Seibt saß an seinem Schreibtisch in der Redaktion und hatte das ungute Gefühl, dass in seinem Verlag (Tamedia, zweitgrößter Verlag der Schweiz) etwas kippt: "Es war mir klar, dass alles Klagen, Fluchen, Ärgern sinnlos ist – wenn mein Verlag in eine andere Richtung gehen will als ich, dann muss ich etwas verändern". Mehr als drei Jahre lang hat er im Geheimen mit Christof Moser an dem Konzept gefeilt. Herauskommen soll ein Digitalmagazin mit Erklär- und recherchiertem Debattenjournalismus, thematisch unterwegs zwischen Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Der publizistische Ansatz dabei: "Wir wollen nicht den ersten Artikel zu einem Thema schreiben, sondern möglichst den definitiven", sagt Seibt.
Das Konzept basiert auf seiner Analyse des gegenwärtigen Journalismus. "Der liberale Aufklärungsjournalismus funktioniert nicht mehr, weil ihm die Grundlagen entzogen wurden: gemeinsame Werte und die stille Übereinkunft, dass es eine Wirklichkeit gibt. In heutigen Debatten gibt es aber oft mindestens zwei Wirklichkeiten", befindet Seibt. Das Herstellen von Gemeinsamkeit in der Gesellschaft werde so schwieriger. Auch das Aufdecken von Skandalen habe heute kaum noch Wirkung. "Das kann man an Donald Trump sehen. Der trägt seine Skandale und Fiesheiten wie eine Ware vor sich her – als Zeichen für seine Macht und Ausdruck davon, dass er sich das leisten kann." Schlechte Informationen, meint Seibt, führen zu schlechten Entscheidungen, und davon profitierten am Ende nur die Rechtspopulisten.
Die Combo, die das verhindern will, ist in den letzten Monaten gewachsen. Neben den beiden Journalisten Seibt und Moser sind inzwischen auch sechs weitere ExpertInnen aus Wirtschaft, IT und der Start-up-Branche an Bord. Der Start ist für den 1. Januar 2018 geplant, aber davor steht noch eine große Hürde – ein Crowdfunding für die Anschubfinanzierung. "Für uns ist das auch ein Markttest: Gibt es überhaupt eine Nachfrage nach unserem Produkt? Wir wollen kein Magazin machen, das keiner lesen will", sagt Seibt. Im Mai soll die einmonatige Spendensammlung beginnen. Damit die Hürde übersprungen wird, müssen die potenziellen LeserInnen zwischen 500 000 und einer Million Franken vorlegen. Gelingt dies, kommt weiteres Geld von Investorenseite. Jeder gespendete Franken löse vier weitere von Geldgebern aus, das sei fest vereinbart, versichert Seibt. Wer diese Sponsoren sind, verrät er nicht. Nur so viel: "Es sind hauptsächlich Leute, die am Journalismus als Wachhund der Demokratie interessiert sind."
1 Kommentar verfügbar
Dieter Kief
am 14.02.2017Was Seibt anstrebt: Ein linksbürgerliches Zürcher Publikationsorgan - dabei viel Glück. Die Generation Erbe hat ja Geld in Hülle und Fülle in CH, am Geld wird es nicht liegen.
Seibts Idee, es ließe sich zu einem Thema…