Für seine Filme und seine Arbeit als Redakteur hat er zahlreiche Preise bekommen. Sogar beim Friedensfilm-Festival in Moskau. Mit seinen Filmen hat er die Stadt Oberndorf am Neckar, die seit gut 200 Jahren als die deutsche Waffenstadt gilt, noch ein Stück bekannter gemacht. Hunderttausende Gewehre und Pistolen aller Art gingen und gehen von hier aus in alle Welt. "Fern vom Krieg" hieß Landgraebers erster Oberndorf-Film 1984. Er wurde in vier verschiedenen Versionen im Fernsehen und im Kino gezeigt. Ein Jahr später beschäftigte er sich in "Vergeben, aber nicht vergessen" mit dem Schicksal der zahlreichen Zwangsarbeiter der Gewehrfabrik.
Im Herbst 2012 ist Wolfgang Landgraeber beim WDR ausgeschieden. Heute lebt er von gelegentlich Neid erregenden Bezügen. Dass jemand trotzdem noch Filme macht, gar für seinen alten Arbeitgeber, ist Kollegen – zumal den jüngeren – nur schwer vermittelbar. Dem entgegnet Landgraeber mit der einfachen Rechnung, daß die wenigen Penionärs-Filmer im Dokumentarfimgeschäft gar nicht ins Gewicht fallen und rein quantitativ schlicht zu vernachlässigen sind. Ohnehin ist es schwierig, kreative Arbeit altersmässig zu beschränken; Goethe hat schließlich auch nicht mit 65 Jahren zu dichten aufgehört, und Martin Walser bringt mit 88 Lenzen noch einen neuen Roman nach dem anderen heraus. Doch jedes Jahr drängen, vorsichtig geschätzt, mehr als hundert neue DokumentarfilmerInnen auf den ohnehin ziemlich überfüllten Markt. Da wird der Appell an die Alten immer dringender, doch Platz zu machen. Eher scherzhaft wurde bereits über eine Art "Stilllegungsprämie" für Dokumentarfilmer nachgedacht. Wobei, intelligent ausgestaltet, als Altersversorgung für altgediente Kämpen des Dokumentarischen, könnte das sogar Sinn machen. Das Filmemachen kann man natürlich niemandem abhandeln; den Zugang zu Fördertöpfen und Sendeplätzen aber schon.
Das Fernsehen ist verhasst, aber unentbehrlich
Heute lebt die weit überwiegende Zahl der DokumentarfilmerInnen von kümmerlichen Honoraren, fest angestellten Ehepartnern, auch vom elterlichen Erbe. Viele halten sich mit Lehraufträgen über Wasser, die Promis unter ihnen ergattern Professuren an den zahlreichen Hochschulen, die das Filmemachen lehren. Wolfgang Landgraeber kennt die Nöte seiner Kollegen: "Die können ihre Filme nur noch als Flickenteppich finanzieren." Enorm viel Arbeitskraft und Zeit geht drauf, bis man endlich bei zehn, fünfzehn Vertragspartnern das Geld für ein Projekt zusammen hat. Für fast noch schlimmer hält er die "deprimierende Erfahrung, keinen Verleiher zu finden" für den fertigen Film. Denn nur wenige Dokumentationen laufen gut im Kino, die meisten kommen über ein paar Tausend Zuschauer nicht hinaus. Viele werden gar nicht als reguläres Programm gezeigt, sondern nur in größeren Städten oder bestenfalls auf Festivals.
Bleibt das Fernsehen, meist gehasst, doch nahezu unentbehrlich. Dabei kommen Aufträge praktisch nur von den öffentlich-rechtlichen Sendern, die kommerziellen Anbieter pfeifen auf den Dokumentarfilm, zu sperrig, nicht zuschauerfreundlich. Bei der ARD hat man gelegentlich auch in den oberen Etagen über einen attraktiven Sendeplatz im Hauptabendprogramm nachgedacht, das Vorhaben aber nie realisiert, "zu wenig erfolgsträchtig" wird als Grund genannt.
Seit Jahrzehnten versucht die AG Dok als eine Art Gewerkschaft der Filmproduzenten, die Lage ihrer etwa 800 Mitglieder zu verbessern. Bei dem Verbandstreffen auf der Berlinale am vergangenen Samstag haben die Regionalverbände ein gewichtiges Wort mitzureden. Erst seit Kurzem gibt es auch die Regionalgruppe Südwest, geleitet von zwei Regisseurinnen aus Freiburg und Stuttgart. Immerhin: 77 Dokumentarfilme und dokumentarische Formate sind bei der Berlinale 2016 zu sehen.
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