"Einer wird gewinnen", Titel einer weiteren legendären Sendung, Zielvorgabe nicht nur für Quiz-Kandidaten, sondern auch für Fernsehformate. Das galt in den 1980er-Jahren besonders für die zahlreichen Neukreationen, die journalistische Inhalte unterhaltend, das heißt also zuschauerattraktiv und damit quotenträchtig rüberbringen wollten. Denn die Zeiten des öffentlich-rechtlichen Monopols waren vorbei. Da hatten sich die Leute selbst sperrige Klassiker-Aufführungen angesehen; Hauptsache, in der Flimmerkiste zappelte überhaupt etwas.
Das "Nachtcafé" gewinnt das Rattenrennen
Wie das "Nachtcafé" behandelte auch die anstaltsinterne Konkurrenz, etwa die Sendung "Thema M" (wie Mensch), allzu und ewig Menschliches: Pubertät, Alter, Impotenz, Scheidung, Burn-out, Elternschaft und Seitensprung. Alle setzten auf die Mischung aus Prominenz und Volkes Stimme, Zuspielfilmen und Showelementen. Alle Redaktionsleiter mobilisierten Rundfunkräte und Presseleute für ihre gute Sache. (Leiterinnen gab es damals noch nicht, frau hatte gerade mal den Schritt von der Sekretärin zur Redakteurin geschafft.) Bei diesem Rat-Race hat sich letztlich das "Nachtcafé" durchgesetzt.
Das lag sicher auch am Moderator, der als promovierter Geograf wunderbar zum Dritten passte. Weit mehr aber wohl am Redaktionsleiter Backes, der früher als seine Konkurrenten die Zeichen der Zeit nicht nur erkannt, sondern meist auch überzeugend mitgetragen hat.
Die neuen dritten Vollprogramm, hierzulande damals S3, waren insgesamt eine teure Angelegenheit, die Talksendungen aber vergleichsweise billig. Freilich nur, wenn man bereit war, auf kostspielige Filmbeiträge und aufwendige journalistische Recherche zu verzichten.
Eine Sendung, ein Gesicht – auch an diese Maxime hielten sich viele nicht. Wechselnde Figuren und Doppelmoderationen erschwerten den Zuschauern die Identifikation. Mehr als 200 Köpfe, ließ der Fernsehdirektor zählen, präsentierten das Dritte im Südwesten.
Hierarchen hängten ihr Gesicht, quasi per Amt, in die Glotze, damit die Familie, die Nachbarn und der Bäcker um die Ecke wussten, welch bedeutender Medienmensch unter ihnen weilte; selbst wenn dessen Vorstellung völlig unprofessionell bei den Zuschauern ankam.
Mit diesem Volksfest der Eitelkeit sollte spätestens Ende der 1990er-Jahre Schluss sein. Nach der Fusion von SDR und SWF zum SWR wollte der Fernsehdirektor Chistoph Schmid ein Programm zum Auswendiglernen: wenige Gesichter, die aber öfter und immer am selben Tag zur selben Zeit, am besten daily oder doch wenigstens weekly.
So gibt es seit 2001 das "Nachtcafé" wöchentlich, am Freitagabend um 22.00 Uhr. Für viele Zuschauer der älteren Mittelschicht ein symbolträchtiger Sendeplatz: Nach Alltagsmühen und Einkaufsstress, Abendessen und Abwasch beginnt das Wochenende. Der sanfte Übergang vom Reich der Notwendigkeit ins Reich der Freiheit – oder doch zumindest der Freizeit.
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