In die Debatte um die geplante Fusion der Sinfonieorchester in Stuttgart und Freiburg schien zuletzt ein wenig Bewegung gekommen. Anfang Mai hatte der Freiburger Freundesverein dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann mehr als 31 000 Unterschriften überreicht – der sich prompt für unzuständig erklärte. Im Vorfeld der Kommunalwahlen hatte der Freiburger Gemeinderat einstimmig beschlossen, dem Orchester die Miete für das 1996 erbaute Konzerthaus zu erlassen. Theresia Bauer, die grüne Wissenschafts- und Kunstministerin, hatte verlauten lassen, sie halte die Fusion für "grundfalsch" und die Grünen hätten im Rundfunkrat geschlossen dagegen gestimmt. Zu einer Kundgebung in Freiburg, eine Woche vor der Wahl, waren Vertreter aller Parteien erschienen, auch Oberbürgermeister Dieter Salomon. Daraufhin hatte Edith Sitzmann, die grüne Fraktionsvorsitzende im Landtag, einen Runden Tisch gefordert. "Ich freue mich über jede Initiative, die Bewegung in die Sache bringt", verkündete drei Tage vor der Wahl der grüne Kulturstaatssekretär Jürgen Walter.
Nun nach der Wahl sieht alles wieder ganz anders aus, vor allem, nachdem Peter Boudgoust die Initiative an sich gerissen hat. Ohne Abstimmung mit dem Verein, der sich seit einem Jahr um eine Stiftungslösung nach dem Modell der Bamberger Symphoniker bemüht, lud der SWR-Intendant am 16. Juli zu einer "Geber- und Trägerkonferenz" und schrieb bereits in die Einladung, es solle nur kommen, wer eine feste Zahlungszusage mitbringe. Zudem müssten an diesem Tag jährliche Beträge in Höhe von elf Millionen Euro auf den Tisch kommen, anders sei die Fusion nicht mehr aufzuhalten. Dabei hatte der SWR bisher lediglich fünf Millionen im Jahr bis 2020 einsparen wollen. Und selbst ob dies überhaupt erreichbar ist, ist keinesfalls erwiesen. Realistisch seien maximal zweieinhalb bis drei Millionen, sagt Karl-Reinhard Volz, Sprecher des Freundesvereins. Viele ältere Musiker wollten sich nicht einfach in den Vorruhestand schicken lassen.
Seit einem Jahr ist Volz unermüdlich unterwegs. Er spricht mit Privatleuten, Unternehmern und Politikern auf allen Ebenen, bis hin zu den kleineren südbadischen Gemeinden und Landkreisen, um sie für eine Zustiftungslösung zu gewinnen. Acht Wochen nach der Wahl, so Volz, hätten sich die Gemeinderäte noch kaum konstituiert. Viele hätten sich durch Boudgousts Ansage abschrecken lassen, nur wer Geld mitbringe, sei willkommen. Bei ihnen ging es um kleinere Beträge, zwischen 10 000 und 30 000 Euro für Veranstaltungen vor Ort. Aber auch Kleinvieh macht Mist: 380 000 Euro jährlich an privaten Zusagen hatte der Verein bereits eingeworben. Durch den Erlass der Konzerthausmiete kamen weitere 340 000 Euro zustande. Mit rund 200 000 Euro weiterer Zuwendungen aus den Kommunen und Kreisen Südbadens und einem vom Land versprochenen "Schlussstein" – informell war die Rede von einer bis 1,5 Millionen Euro – könnte bereits heute die Summe zustande kommen, die der SWR bis 2020 real einsparen kann, rechnet der Sprecher der Initiative vor.
Kein Geld für Freiburg, aber 300 Millionen für Stuttgarts Oper
Mit Bamberg ist der Fall in mancher Hinsicht vergleichbar. 2003 hatte der Bund den Symphonikern die Zuschüsse gestrichen. Daraufhin übernahm eine Stiftung die Finanzierung, getragen vom Land Bayern, der Stadt Bamberg, dem Landkreis und dem Bezirk Oberfranken. Der Unterschied: Der CSU-Freistaat wollte damals ein Signal an die Adresse des rot-grünen Berlin senden, aber auch an den fränkischen Landesteil, der gegenüber München immer leicht ins Hintertreffen gerät. In Baden-Württemberg nimmt dagegen die grüne Hochburg Freiburg Rücksicht auf die grün-rote Landesregierung, die sich wiederum mit Verweis auf die Autonomie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht in die Angelegenheiten des SWR einmischen will. Mit Bitterkeit registrieren die Freiburger nun, dass veranschlagte 300 Millionen für die Renovierung des Stuttgarter Opernhauses für die Landesregierung offenbar kein Problem darstellen.
Die elf Millionen, die Boudgoust gefordert hatte, waren natürlich nicht erreichbar, sonst hätte es eine Konferenz nicht gebraucht. Tatsächlich war es dem Intendanten darum gegangen, zwei Tage vor der Rundfunkratssitzung am 18. Juli ein Argument an die Hand zu bekommen, um die Öffnungsklausel zu kippen, die im Beschluss von 2012 noch enthalten war. Und der Rundfunkrat spielte mit. "Es war eine Falle", sagt Friedrich Schoch, der Freiburger Jurist, der das Stiftungsmodell ins Spiel gebracht hat. Vielleicht war es ein taktischer Fehler, die Geber- und Trägerkonferenz zu boykottieren, räumt Karl-Reinhard Volz ein. Aber: "Wir hatten von vornherein keine Chance."
16 Kommentare verfügbar
Fred
am 22.02.2015Wobei mir auffällt, als über 10 Jahre Fernsehverweigerer, in meiner Erinnerung konnte man beim SWR noch auf einige…