Früher, als er noch Richter am Landgericht Ravensburg war, war alles viel einfacher. Da waren's nur 20 Kilometer von Waldsee ins Amt, aber dann ereilte ihn im Jahre 2011 der Ruf aus der Landeshauptstadt, und das war eben das "Sahnehäubchen" auf der Karriere, wie er der "Schwäbischen Zeitung" verriet. Seitdem trägt er das Los des Pendlers auf der schwäb'sche Eisebahne und eine klare Haltung zu derselben im Kopf: Sie muss besser und schneller werden. Das geht aber nur mit Stuttgart 21. Davon ist Haag überzeugt, was auch in dem örtlichen Presseorgan nachzulesen ist. Auch wenn er altersmäßig von S 21 nicht mehr profitieren werde, so der 58-Jährige, stehe er hinter dem Projekt, "weil es damit unzweifelhaft Verbesserungen für Pendler in unserer Region geben wird".
Für Richter Haag ist die Volksabstimmung unumstößlich
Das wäre in der Tat wünschenswert, weil in Oberschwaben Zugfahren mühsam ist. Andererseits hat Richter Haag viel Zeit im Abteil, die er zum Aktenstudium nutzen kann, wie ihm die Waldseer Grünen (die gibt's wirklich) empfohlen haben. Sie haben ihm Landtagsprotokolle, eine Rede des Landesjustizministers Rainer Stickelberger (SPD) sowie Stellungnahmen der "Juristen zu Stuttgart 21" ans Herz gelegt. Warum? Weil Haag gemeint hat, dass die Volksabstimmung demokratisch legitimiert und damit unumstößlich sei und wer dagegen klage, einen "Rechtsbruch" begehe. Damit hatte er Kretschmann & Co. im Visier. Solche Äußerungen seien für einen Richter politisch ungeschickt, sagen Kenner des Berufsstands. Gerade für den Vorsitzenden des zuständigen Pressesenats.
Formal betrachtet beeinträchtige es seine Unabhängigkeit freilich nicht. In der Verhandlung am Mittwoch (9. April) war Haag versöhnlich gestimmt. Er werde hier, im Saal 12 des OLG, "nicht über den Bau des Bahnhofs" entscheiden, verkündete er, vielmehr läge ihm daran, dass die beiden Parteien den "nicht nötigen Streit" beendeten. Als Kommunikationsunternehmen seien sie, "plus Risiko x und Wahrscheinlichkeit y", die nächsten sieben Jahre "aufeinander angewiesen". Den Eindruck hatte offenbar auch Bahn-Anwalt Josef-Walter Kirchberg, der beruhigt zur Kenntnis genommen hatte, dass die StZ und das Dietrichsche Kommunikationsbüro "wieder gut miteinander auskommen". Ein fortwährender Streit mit dem Blatt hätte "nicht weiter geholfen". Kurzum: Er wollte kein Urteil, sondern zog seine Anträge zurück, die der "Stuttgarter Zeitung" verbieten sollten, zu schreiben, das Bauprojekt verzögere sich um ein Jahr bis 2022. (Siehe dazu die Kontext-Berichterstattung <link http: www.kontextwochenzeitung.de pulsschlag bahn-verklagt-zeitung-1803.html _blank>Bahn verklagt Zeitung, <link http: www.kontextwochenzeitung.de editorial dietrichs-pyrrhussieg-1827.html _blank>Dietrichs Pyrrhussieg, <link http: www.kontextwochenzeitung.de macht-markt niederlage-vor-gericht-1828.html _blank>Niederlage vor Gericht.) Die Gerichtskosten in Höhe von etwa 10 000 Euro hat das Kommunikationsbüro zu tragen, die Anwaltshonorare ebenso.
Das erscheint im Lichte der Geschichte von Großbauten eher marginal, hat aber den Projektsprecher Wolfgang Dietrich nicht ruhen lassen. Im November 2013 klagte er auf Unterlassung und bekam vom Landgericht Stuttgart recht, worauf die "Stuttgarter Zeitung" in Berufung ging. "Bewusst wahrheitswidrig" habe das Blatt berichtet, schrieb Dietrich auf der Homepage des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm e. V., und habe ihn damit herabgewürdigt. Seine Würde sah Dietrich deshalb tangiert, weil StZ-Autor Jörg Nauke formuliert hatte, die ihm zur Verfügung stehende DB-Unterlage "konterkariert die Aussage des Projektsprechers Dietrich". Dort stehe 2022. Dietrich habe, als der grüne Verkehrsminister Hermann das Datum 2022 aus bahninternen Dokumenten herausgefischt habe, noch verkündet: "Der Termin ist falsch." Es bleibe bei 2021.
Projektsprecher Dietrich - im Dienste der Pressefreiheit
Nun könnte man sagen: Ein Jahr hin oder her ist bei S 21 Jacke wie Hose. In diesem Fall war es eine Frage der Ehre und der Integrität. Dietrich sei in seinem "sozialen Geltungsanspruch" beeinträchtigt worden, bescheinigte ihm das Landgericht am 4. November 2013, was in dieser Position schädlich ist. Unzählige Reaktionen habe er bekommen, so Dietrich weiter, von Baupartnern, aber auch von "vielen Menschen, die hart für das Projekt arbeiten". Irritationen allerorten. Die Unterstellung, "bewusst zu täuschen", könne er nicht hinnehmen. Stattdessen habe die Zeitung ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht nachzukommen und nicht von einem Angriff auf die Pressefreiheit zu sprechen, welchselbige er jederzeit verteidige.
12 Kommentare verfügbar
Tillupp
am 15.04.2014Und wieder werden die Kosten für S21 unnötig um 10000-20000 Euro erhöht. Wahrscheinlich fielen bei Herrn Dietrich auch noch Überstunden an, dann ist der Betrag vielleicht sogar noch…