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Klaus Gietingers Bauernkriegsfilm "Lond it luck"

"Ausrotten werd' ich die!"

Klaus Gietingers Bauernkriegsfilm "Lond it luck": "Ausrotten werd' ich die!"
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Wenig Geld, viel cineastische Leidenschaft: 1979 drehte Klaus Gietinger auf Super 8 den Spielfilm "Lond it luck" über den Bauernkrieg von 1525 im Allgäu. Jetzt tourt er mit einer digital restaurierten und gekürzten Fassung durch die Lande – kommende Woche auch in Schorndorf und Böblingen.

Wer Macht hat, kann auch mal schnell das Recht ändern: Als die Bäuerin Maria Frey auf ein seit jeher von allen genutztes Grundstück gehen will, stellt sich ihr ein Landsknecht mit Hellebarde in den Weg. "Gang weg, die Wiese gehört allen", sagt sie dem Landsknecht. "Die gehört dem Fürstabt", antwortet der. "Ich hab meine Kühe schon immer hier g'habt, wie die anderen!" – "Nur wer zahlt, darf weiden." Maria wird vom Landsknecht rüde zu Boden gestoßen, ihrem Mann Jakob, der auf einer Allmende-Fläche Holz sammeln will, ergeht es noch schlimmer: Er wird von zwei Landsknechten niedergeschlagen und schwer verletzt.

Einige Zeit später steht Maria zusammen mit anderen Bauern, die ihre Abgaben an die Kirche entrichten müssen, im Hof von Burg Liebenthann dem Fürstabt vom Kempten Sebastian von Breitenstein und dem Truchsess Georg von Waldburg gegenüber. Sie fragt, warum die Bauern nicht mehr auf die Wiese der Gemeinde dürfen. "Ihr dürft ja, wenn ihr zahlt", antwortet der Fürstabt. Und: "Was einmal war, ist mir egal. Die Wiese gehört mir." Maria beschwert sich, die Bauern müssten immer nur zahlen, zahlen, zahlen. Darauf der Fürstabt: "Halt dein freches Maul, du dummes Luder, sonst lass ich's dir stopfen." Der Truchsess sekundiert: "Soweit kimmt's noch, dass die Weibsleute ihr Maul aufreißen!"

Das angespannte Verhältnis zwischen Herrschenden und Bauern im Süddeutschland des frühen 16. Jahrhunderts, wird schon in den ersten Minuten von "Lond it luck" (oberschwäbisch für "Lasst nicht locker") deutlich. Die Vertreter der Macht sind hier zwei ausgemachte Kotzbrocken: Von barocker Statur und einer so großspurigen wie schmierigen Arroganz der Kirchenmann, während der hagere Truchsess mit dem stechenden Blick etwas Verschlagenes, unberechenbar Brutales ausstrahlt. Die Brutalität lebt er später sehr offen aus, als er die Truppen des Schwäbischen Bundes gegen die aufständischen Bauern anführt und viele massakrieren und hinrichten lässt – was ihm den Beinamen "Bauernjörg" einbringt.

Alles auf Super 8 gedreht, Waffen aus Holz und Pappe

Den Truchsess spielte damals, 1979, Klaus Gietinger im Alter von 24 Jahren. "Ich wollte mal einen Bösen spielen", sagt er heute. Gemeinsam mit seinem Freund Leo Hiemer, der die Rolle eines Bauern übernahm, führte er auch Regie und hatte das Drehbuch geschrieben. "Lond it luck" war nach einigen wilden Kurzfilm-Experimenten der erste Langfilm der beiden. Komplett auf Super 8 gedreht, aber mit synchronem Stereoton, "was gar nicht so einfach war damals", wie Gietinger sagt. Ein absolutes Low-Budget-Projekt, "wir hatten so gut wie kein Geld", aber dafür umso mehr Leidenschaft. Gedreht wurde an Originalschauplätzen im Allgäu und in dortiger Mundart, mit Laiendarstellern aus dem Bekannten- und Familienkreis, die Kostüme kamen von den Freilichtspielen Altusried, Waffen wie Hellebarden, Spieße und Kanonen wurden aus Holz und Pappe hergestellt.

Für die Regisseure war es auch eine Auseinandersetzung mit der Heimat. Beide stammen aus dem Westallgäu, Gietinger aus Lindenberg, Hiemer aus Maierhofen. Beide studierten damals in Göttingen, Soziologie der eine, Deutsch und Geschichte der andere, und beide verband das Interesse für historische und gesellschaftspolitische Themen. "Lond it luck" gingen gründliche Recherchen der Forschungsliteratur voraus. "Wir haben versucht, uns an die Fakten zu halten", sagt Gietinger, wenn auch manches dramaturgisch zugespitzt wurde.

Gemessen an Budget und Produktionsbedingungen hatte "Lond it luck" eine erstaunliche Resonanz. "Mit dem Film sind wir übers Land gefahren", erzählt Gietinger, "es kamen viele Bauern und Bürger, und im Nu hatten wir 10.000 Zuschauer". Und vielleicht noch wichtiger: "Der Film war meine Eintrittskarte ins Kleine Fernsehspiel des ZDF und in eine Profi-Karriere, die jetzt schon 45 Jahre auf dem Buckel hat." Das ZDF war durch "Lond it luck" auf Hiemer und Gietinger aufmerksam geworden, wollte zwar nicht das Bauernkriegs-Epos zeigen, ließ die beiden aber die sehr experimentellen Streifen "Land der Räuber und Gendarmen" und "Schwestern" schreiben und drehen. 1985 folgte dann der vielleicht größte Erfolg der beiden, "Daheim sterben die Leut'", ein moderner Heimatfilm zwischen liebevoller Sozialsatire und Groteske, der schnell Kultstatus erlangte, auf der Berlinale lief und für den Bundesfilmpreis nominiert wurde.

Hiemers und Gietingers berufliche Wege trennten sich Anfang der 1990er-Jahre, dem Film blieben sie beide treu. Gietinger führte später unter anderem Regie bei ARD-"Tatort"-Folgen oder bei der Kindersendung "Löwenzahn", auf (zeit-)historische Themen kam er aber immer wieder zurück: Etwa als Autor historischer Dokumentarspiele und -filme wie der zehnteiligen Reihe "Vom Reich zur Republik" des Bayrischen Rundfunks oder "Wie starb Benno Ohnesorg?", 2018 für den Grimme-Preis nominiert, oder als Verfasser historischer Sachbücher, etwa über den Kapp-Putsch 1920. Zuletzt hat er zwei Filme über Stuttgart 21 gedreht: "Das trojanische Pferd" 2022 (Kontext berichtete) und "Der Kampf um die Gäubahn ist ein Kampf um die Bahn" im Jahr 2024. Und aktuell dreht er Clips zum Bürgerbegehren gegen die Bebauung der Gleisflächen.

Digital restauriert und gekürzt

Sein Jugendwerk "Lond it Luck" ließ Gietinger aber offenbar nicht ganz los. "In mehreren Schritten habe ich den Film gekürzt und digitalisieren lassen, danach digital etwas restauriert und nochmal gekürzt." Der "Director's Cut" habe jetzt "gut eineinhalb Stunden, und es gibt keine Durchhänger mehr", erzählt Gietinger. Und findet: "Er kann sich immer noch sehen lassen."

Tatsächlich: Auch wenn dem Film das geringe Budget und die Produktionsbedingungen anzumerken sind, er funktioniert auch heute noch. Eine straffe und schlüssige Dramaturgie macht das bisweilen holprige Spiel der Laiendarsteller zu einem großen Teil wett, viele Kameraeinstellungen zeugen von einem sicheren Gespür für cineastische Effekte und von jeder Menge Kreativität, und selbst einige Massenszenen wie die Schlacht bei Leubas am Ende werden souverän inszeniert, mit Kanonen, Explosionen und Reiterattacken. Wobei "Massenszenen" nicht im Sinne großer Monumentalschinken zu verstehen sind – etwa 100 Statistinnen und Statisten kamen zusammen.

Seit Frühjahr ziehen Gietinger und Hiemer nun anlässlich von 500 Jahren Bauernkrieg wieder mit ihrem restaurierten Jugendwerk durch die Lande. "Die Tournee übertrifft alle unsere Erwartungen", sagt Gietinger. "Es gibt volle Kinos und jede Menge Zusatzvorstellungen." Anfangs ging es vor allem durch Kinos im Allgäu und Oberschwaben, kommende Woche gibt es auch zwei Vorstellungen im Großraum Stuttgart: in Schorndorf und in Böblingen. Darüber hinaus freut Gietinger, dass "Lond it luck" auch auf der großen Bauernkriegsausstellung "freiheyt1525" in Mühlhausen (Thüringen) gewürdigt wird: "Kamera und Filmrolle werden mit Szenen und einem Szenenfoto präsentiert."

Waldburg-Zeil: Wohlstand dank eines Massenmörders

Eine Rolle im Film spielen auch die Kontinuitäten bis in die Gegenwart: Etwa der nach wie vor beträchtliche Grundbesitz und Wohlstand des Hauses Waldburg-Zeil, der wesentlich auf die Aktivitäten des "Bauernjörg" im damaligen Krieg zurückgeht.

Und schaut man sich "Lond it luck" heute wieder an und weiß um die spätere Beschäftigung Gietingers mit den Massenmördern der jüngeren deutschen Geschichte – den Freikorps, der völkischen Bewegung, den Nazis – dann drängt sich der Gedanke auf, er habe seinen Bauernjörg auch als frühen deutschen Vernichtungskrieger angelegt. "Ausrotten werd ich die!", lässt er ihn sagen, oder: "Jetzt räum ich auf in Deutschland!" Gietinger lacht: "Ja, stimmt." Und erzählt noch eine Anekdote: "Der Leiter des fürstlichen Archivs von Waldburg-Zeil kritisierte damals, ich hätte den Truchsess wie einen SS-Mann gespielt."

Es gibt kaum Spielfilme über den Bauernkrieg

In der Bewertung der Akteure des Bauernkriegs habe sich seit 1979, als "Lond it luck" entstand, aber doch einiges getan: Die Bauern, auch der sehr radikale Allgäuer Haufen, "werden heute viel positiver betrachtet", findet Gietinger. Und die Rolle des Adels werde mittlerweile viel kritischer gesehen als früher, "was auch der kontinuierlichen Arbeit des Historikers Peter Blickle zu verdanken ist, der unter anderem eine Biografie über den Bauernjörg geschrieben hat".

Dennoch bleibt "Lond it luck" bis heute einer der wenigen deutschen Spielfilme über die Ereignisse der Jahre 1524 und 1525. "In der Ausstellung in Mühlhausen werden fünf Filme erwähnt", erzählt Gietinger, "vier aus der DDR und unserer."

Sein Sohn habe ihm gesagt, er müsste den Film nochmal "richtig" machen, mit ausreichend Budget. Und vor drei Jahren hatte Gietinger das auch tatsächlich vor, hatte bereits ein Exposé geschrieben, doch dann sei der Produzent abgesprungen – zu unsicher schien die Finanzierung. Immerhin arbeitet Gietinger aber momentan an einem Roman zum Thema: Zwei junge Klimakletterer geraten während eines Polizeieinsatzes durch ein Wurmloch ins Jahr 1525 – und versuchen dort die Geschichte zu ändern. Schaffen sie es, wird die Welt eine bessere? "Das erfährt man am Ende nicht", sagt Gietinger.


"Lond it luck" läuft am 16. September um 20.15 Uhr in Schorndorf im Kino Kleine Fluchten in der Manufaktur und am 17. September um 19 Uhr in Böblingen in den Böblinger Kinos.

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