Das Jubiläum der "Kreiszeitung Böblinger Bote" (KRZ) war ein voller Erfolg. So berichten es unisono die "Stuttgarter Zeitung" (StZ), die "Stuttgarter Nachrichten" (StN), die "Eßlinger Zeitung" (EZ) sowie der Jubilar selbst, also der "Böblinger Bote", der 200 Jahre alt wird. Die Prominenz aus Rathaus, Landratsamt, Einzelhandel und Kreissparkasse hat, so ist zu lesen, am vergangenen Donnerstagabend, 4. Dezember, im "Speed"-Saal des V 8-Hotels in Böblingen Platz genommen und lässt die "gehaltvollen Wortbeiträge" später beim "Get together" und "leckeren Essen" spürbar nachklingen. Das einfache Volk, Beschäftigte der Redaktion und die monopolfreie Presse müssen draußen bleiben. Nur geladene Gäste, lautet die Begründung.
In der ersten Reihe sitzen die Abgesandten der neuen Eigentümer der oben genannten Blätter: Chefredakteur Joachim Dorfs, der neuerdings ein doppelter ist (StZ und StN), und Geschäftsführer Herbert Dachs, dem ein neuer vor die Nase gesetzt wurde. Wie berichtet, sind sie Mitte des Jahres von der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) mit Sack und Pack zur "Neuen Pressegesellschaft" (NPG) in Ulm verkauft worden. Selbige gibt die "Südwest Presse" heraus und beherrscht mit ihren Neuerwerbungen nun den Medienmarkt in Baden-Württemberg. Eine Million Auflage ist das Ziel, der "Böblinger Bote" druckt knapp 10.000. Von Grußworten der neuen Eigentümer aus Ulm ist nichts bekannt. Sie seien "sehr hemdsärmelig", sagen sie selbst.
Stargast des Abends ist Landtagspräsidentin Muhterem Aras. Die Grünen-Politikerin ist ausersehen, die Jubiläumsrede zu halten, und sie meistert diese Aufgabe mit Bravour – wenn der Maßstab eine idealtypische Betrachtung des Sujets ist. Also frei ist von real existierenden Zwängen, konsequent im Ausblenden journalistischer Praxis, aber in der Theorie gut, weil demokratiepolitisch konsensfähig. Nachzulesen hier, da diese Rede eine gute Zusammenfassung dessen ist, was bei Feiern der freien Presse von der Politik vorgetragen wird.
Eine Presse, so wichtig wie Strom und Wasser
In dieser Art der Betrachtung ist die Presse frei, vielfältig und unabhängig, sorgfältig und verlässlich, kritisch und haltungsstark im Sinne der Demokratie, ein unschätzbar hohes Gut. Auch Hannah Arendt wird in der Schreibstube des Landtags nicht vergessen, als Verbeugung vor Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gewissermaßen, der die Philosophin gerne zitiert. Mit Vorliebe vor Zeitungsverlegern.
Applaus im "Speed"-Saal. Besonderen Gefallen finden die Jubilare an Aras' Satz, Zeitungen seien Teil der "kritischen Infrastruktur unserer Demokratie". Als Headline schmückt er ihre Online-Portale, weil damit gesagt scheint, was wichtig ist. So wichtig wie Polizei, Autobahn, Krankenhaus, Wasser und Strom. Und deshalb ebenso schützenswert.




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