Maia gehört heute zum Mentorenteam des Folklang-Orchesters. Zwar geschieht sehr viel auf ehrenamtlicher Basis bei diesem Orchester, aber es gibt ein kleines Team aus Honorarkräften. Dessen Mitglieder betreuen unterschiedliche Instrumentengruppen, sind wichtig, auch um die kulturelle Diversität der Gruppe zu sichern. "Wir brauchen diese Diversität", sagt Susanne Christel. "Wir möchten schließlich nicht, dass nur deutsche Leute zu uns kommen." Die Mentor:innen spinnen Netzwerke, und sie geben der Gemeinschaft einen Rahmen.
Diese Gemeinschaft stellt Ansprüche. Zwar kann jede:r zu ihr kommen und ein Lied aus der Heimat, ein Liede von einer Reise mitbringen. Aber nicht jedes Lied wird angenommen. "Religiöse Lieder", so Susanne Christel, "lehnen wir ab, auch christliche Lieder. Wir möchten hier keine Schwelle einziehen, die die Menschen voneinander trennt." Ein anderes, mitunter heikles Problem: ethnische, historische Sensibilitäten. "Wir können in der Volksmusik nicht politisch korrekt sein. Diese Musik ist ein Erbe, und die Situationen waren damals eben andere."
Das Folklang-Orchester geht mit dem Thema schlicht pragmatisch um: Stört sich ein Mitglied an einem Text, wird das Lied abgelehnt – denn Lieder gibt es viele. Zur Regel hat es sich das Orchester auch gemacht, in jede Setlist ein deutsches Stück aufzunehmen. Vor Jahren brachte eine dreiköpfige Familie aus dem Schwarzwald ein Lied, das von einem Bauern erzählt, der sich mit Brennnesseln abwischt. "Da kam Vulgärsprache vor. Die Frauen wollten das Wort 'Scheiße' nicht singen, die Araber das Wort 'Arsch'." Man sprach über das Thema und als sich zeigte, dass das Musikstück sich lustig machte über einen herrschsüchtigen Großbauern – da war die Akzeptanz gegeben.
Endlich in den Straßen spielen
Bei den Proben im Tübinger Sudhaus haben sich nun alle, die zum Orchester gehören, zuvor noch am Waldrand oder in anderen Räumen für sich probten, im Theatersaal versammelt. Unzählige Menschen sitzen beisammen, spielen Instrumente aus aller Welt, üben gemeinsam ein orientalisches Stück, komplex in Rhythmus und Melodie. Und schnell, sehr schnell finden all die Klänge des großen anarchischen Klangkörpers zusammen, beginnt der Raum sich mit der Energie des Orchesters zu füllen. In Konzerten lassen sich die Musiker:innen gerne mitreißen von dieser Energie. Und das Publikum ist begeistert.
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bedellus
am 21.06.2023