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Tag der Bundeswehr

"Sag mal: Pan-zer"

Tag der Bundeswehr: "Sag mal: Pan-zer"
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 Fotos: Jens Volle 

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Datum:

Fünfjährige klettern auf Panzer, das Kommando Spezialkräfte befreit Geiseln zu Marschmusik und über allem schwebt der Geruch von Bratwürsten: Der Tag der Bundeswehr am vergangenen Samstag war eine merkwürdige Mischung aus Afghanistan und Volksfest. Kontext war in Bruchsal dabei.

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Johannes aus Koblenz sitzt hinten im Eagle IV. Die 45 Stundenkilometer fühlen sich im Panzer an wie 100. Auf und ab geht es über das holprige Militärgelände, ordentlich durchgerüttelt dreht es einem beinahe den Magen um. 242 PS, Führungsfahrzeug, mit einem Maschinengewehr bestückbar – "da muss man nicht mal aussteigen zum Schießen", erklärt ein Soldat. Johannes ist 19 Jahre alt, kommt aus Koblenz und gehört zu den 130 Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren, die sich vorab für das Talent-Scout-Programm in Bruchsal angemeldet haben und von Scouts – also Soldaten der Bundeswehr – von Attraktion zu Attraktion geführt werden. Sie erhalten exklusiven Zugang zu allem, was geboten wird. Kein stundenlanges Warten in der Schlange, um mit dem Wüstenbuggy des Kommando Spezialkräfte (KSK) durch die Gegend zu fahren, kostenlose Getränke und eine mit Werbung zum Tag der Bundeswehr prall gefüllte Goodie-Bag.

Es ist heiß an diesem Junitag, an dem die Bundeswehr dazu eingeladen hat, "einen Blick hinter die Kulissen der Armee" zu werfen. Und das bereits zum achten Mal: Seit 2015 findet der Tag der Bundeswehr statt. In diesem Jahr pilgerten 200.000 Besucher:innen deutschlandweit zu zehn Standorten. Baden-Württemberg war mit der General-Dr.-Speidel-Kaserne auf dem Eichelberg in Bruchsal vertreten.

Früh übt sich

Johannes hat vor Kurzem sein Abi gemacht und will im nächsten Wintersemester eigentlich sein Medizinstudium beginnen. Falls er zu wenig Punkte im Aufnahmetest hat, geht er zur Bundeswehr – als Sanitäter oder Kampfpilot. Die Bundeswehr ist für ihn ein "attraktiver Arbeitgeber mit Zukunft, der von der Politik gefördert wird", sagt er. Und als Teil davon will er "das gute System verteidigen, unsere Freiheit und Demokratie". Er komme schließlich nicht aus einem "pazifistischen Hippie-Haushalt". Die Eltern sind beide Beamte, Johannes' Vater ist Sportschütze. Viele seiner Kumpels hätten kürzlich mit dem Sportschießen angefangen oder den Jagdschein gemacht.

Auf den ersten Blick sind auf dem Bruchsaler Militärgelände keine Waffen zu sehen, die anwesenden Soldaten sind unbewaffnet. Allerdings: An einem unscheinbaren Stand, gut versteckt neben dem riesigen abgeschlossenen Schießsimulator-Zelt, führen drei Soldaten zwei staunenden kleinen Jungs Maschinengewehre vor. Beim ABC-Abwehrkommando steht ein Vater – kurze Jeansshorts, Brustbeutel und Colaflasche in der Hand – mit seinem zehnjährigen Sohn vor einem vermummten Soldaten und lauscht begeistert dessen Ausführungen zum mobilen Massenspektrometer, mit dem die Masse von Atomen oder Molekülen gemessen wird. Bei der Panzerschau freuen sich Mütter und Väter über das perfekte Foto ihres auf Panzern sitzenden Nachwuchses. Früh übt sich, denkt sich wahrscheinlich auch die junge Mutter mit ihrer etwa einjährigen Tochter auf dem Arm. "Sag nochmal: Pan-zer", spricht sie langsam vor.

Familiäre Nähe zum Militär scheint für junge Menschen ein Ansporn zu sein, selbst in die Organisation einzusteigen. Jasmin Nada, eine der Talent-Scout-Teilnehmer:innen, marschiert in ihren schwarzen Springerstiefeln von Attraktion zu Attraktion. Sie ist fest entschlossen, zur Bundeswehr zu gehen. Die 20-jährige Halbägypterin erzählt von der großen Rolle, die ihr Opa im Zweiten Weltkrieg spielte und ihr Cousin im ägyptischen Militär bis heute spielt. Oma und Opa hätten viel erzählt, zwar nicht nur Gutes, aber spannend klang es schon alles. Mit 17 habe sie dann einen Brief bekommen von der Bundeswehr und sich daraufhin für den freiwilligen Wehrdienst gemeldet. Dann die Ernüchterung: Mit ihren 1,48 Metern ist sie zu klein für den Dienst an der Waffe. Vorgeschrieben sind mindestens 1,55. Zu ihrem großen Bedauern. Als begeisterte Airsoft-Spielerin hat sie natürlich eine Lieblingswaffe: die M4, "die wird in Deutschland leider nicht genutzt", sagt sie. Das Bundeswehrgewehr G36 findet sie aber auch nicht schlecht. Alternativ will sie nun Sanitäterin werden.

Kein Werben fürs Sterben

"Dieser Tag hat den stärksten Imagefaktor für die Bundeswehr", sagt Pressestabsoffizier Stephan-Thomas Klose. Bereits um halb zwei sind 10.000 Menschen auf den Bruchsaler Eichelberg gekommen, um zu den Klängen des Heeresmusikkorps Koblenz die Bundeswehrshow zu bestaunen. Von den wenig diversen Besucher:innen sind schätzungsweise zwei Drittel Familien mit Kindern unter zehn Jahren. Ein kleines blondes Mädchen im rosafarbenen Kleid mit gelben Blümchen bestaunt seinen Bruder, der sich aufgeregt einen mit Gras bedeckten Tarnhelm aufsetzt. Die Mutter steht mit dem Kinderwagen daneben und erkundigt sich, ob ihre Kinder auch die Tarnschminke mal ausprobieren dürften. Durften sie nicht.

Der ganze Spaß kostet laut Thomas Haschke 25 Millionen – und da seien die Gehälter noch gar nicht mitgerechnet. Haschke ist für die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) an diesem Tag in der Bruchsaler Innenstadt, wo verschiedene Friedensinitiativen für den Gegenprotest sorgen. Vier Mahnwachen, eine Abschlusskundgebung auf dem Bruchsaler Marktplatz und eine Protestaktion direkt auf dem Militärgelände: Acht Mitglieder des Offenen Treffens gegen Krieg und Militarisierung (OTKM) aus Stuttgart – etwa ein Dutzend wurde bereits beim Eingang rausgezogen – hätten kurzzeitig einen zur Schau gestellten Panzer besetzt und aus Konfettimaschinen Papierschnipsel verschossen, mit kämpferischen Parolen wie "Die Bundeswehr schützt nicht uns, sondern die Profite der Wirtschaft!", berichtet Maria Elena vom OTKM später auf der Kundgebung. Etwa 60 Aktivist:innen sind gekommen.

Bunte Plakate und Fahnen schmücken den Marktplatz. Die Reden auf der Kundgebung sind scharf. Ein besonderer Dorn im Auge ist den Friedensaktivist:innen das umstrittene KSK aus Calw. Die Skandale in dieser Spezialeinheit reichen von Hitlergrüßen, Rechtsrock und Schweinskopfwerfen bis hin zu Folter-Vorwürfen und Munitionsaffären. Auf dem Eichelberg inszenieren derweil die Soldaten des KSK eine Geiselbefreiung und die Bühne ist mit mehreren hundert Zuschauer:innen voll besetzt. Nebenan stehen am Gelände des ABC-Abwehrkommandos zwei etwa 20-jährige Frauen mit knallrotem Lippenstift. Genüsslich schlecken sie beide ein Cola-Calippo-Wassereis, während ein Soldat ihnen erklärt, wie nukleare Strahlung gemessen wird.

Am Infotisch hinter ihnen ist eine Puppe in der ABC-Sonderschutzkleidung Zodiac ausgestellt, vorne reihen sich auf einem langen Tisch Geräte des ABC-Abwehrkommandos aneinander: von Strahlenspürgeräten bis zu Atemschutzgeräten. Weltweit belegte Deutschland 2022 mit 55,8 Milliarden US-Dollar den siebten Platz der Länder mit den höchsten Militärausgaben. Als Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine wurden im letzten Jahr in Berlin 100 Milliarden Euro Sonderschulden für die Bundeswehr beschlossen. Geld benötigt die Bundeswehr nicht nur für Waffen, sondern auch für Nachwuchswerbung: Gab sie 2006 dafür noch 3,8 Millionen aus, waren es 2020 stolze 33,6 Millionen Euro. Trotzdem mangelt es insbesondere seit der Abschaffung der Wehrpflicht im Jahr 2011 an Nachwuchs.

"Schöne blaue Uniformen"

Das Problem: Schwächere Jahrgänge, steigender Wettbewerb zwischen den Branchen um Arbeitskräfte, und die Bundeswehr sei bezüglich der Work-Life-Balance "nicht ganz komfortabel", sagt Pressestabsoffizier Klose. Auch seine Söhne würden die Wochenenden lieber mit ihren Freundinnen verbringen. Von den derzeit 183.000 Soldat:innen wolle die Bundeswehr bis 2025 auf 205.000 aufstocken, sagt er. Schwierig, denn derzeit schrumpft die Bundeswehr. Von den 18.000 Neuzugängen im Jahr 2022 hätten 3.500 bereits nach sechs Monaten das Handtuch geworfen, sagt Friedensaktivistin Jacqueline Andres von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) aus Tübingen. Besonders unterrepräsentiert in der Bundeswehr sind – wenig überraschend – Soldatinnen. Etwa 24.000 gibt es, das sind knapp 13 Prozent. Klose zufolge gehen viele Frauen zur Marine, "vielleicht wegen der schönen blauen Uniformen", vermutet er.

Umso überraschter ist er über Alisa Eichmanns Zukunftspläne bei der Bundeswehr: Sie will – trotz der militärgrünen Uniform – Hubschrauberpilotin werden. Und trainiert auch schon fleißig für den Einstellungstest nächstes Jahr im Juni. Der gelernten Bauzeichnerin fehlt die Abwechslung in ihrem Beruf, sie "will Bock auf ihre Arbeit haben". Mitten im Satz wird sie unterbrochen von einem ohrenbetäubenden Dröhnen. Das A400M, das größte Transportflugzeug der Nato, fliegt direkt über die Köpfe der Besucher:innen hinweg. Ob sich Eichmann denn auch vorstellen könnte, als Soldatin an Auslandseinsätzen teilzunehmen. "Das wäre überhaupt kein Problem", sagt sie. Familie habe sie nicht wirklich, die wüsste auch gar nichts von ihren Plänen, und die Freunde, denen sie davon erzählt, reagierten ehrfürchtig, auch wenn die Meinungen über die Bundeswehr stark auseinandergingen. "Die Bundeswehr ist so viel mehr als Krieg und töten", glaubt die 25-Jährige. Die Vielfalt, die Action, die Abwechslung seien das, was sie begeistere.

In Afghanistan war alles tippitoppi

Anfang Mai startete die neue Imagekampagne des Verteidigungsministeriums. "Was zählt, wenn wir wieder Stärke zeigen müssen?", steht auf den Werbepostern. Besonders das Wörtchen "wieder" sorgt für Unbehagen bei Jacqueline Andres von der IMI. Die Friedensaktivistin fragt, wann denn Deutschland schon einmal habe Stärke zeigen müssen? Und wohin denn dieses Stärkezeigen geführt habe? "Wir wollen Friedensstärke!", ruft sie bei ihrer Rede auf der Kundgebung in Bruchsal. Das Wörtchen "wieder" ist auch schon in früheren Kampagnen vorgekommen, allerdings bei der Friedensbewegung gegen das Militär. Damals hieß es noch: "Nie wieder Krieg."

Das mit dem "nie wieder" hat nicht funktioniert. In den vergangenen 22 Jahren haben 518 deutsche Soldat:innen infolge der Ausübung ihres Dienstes ihr Leben verloren. "Von uns sind zum Glück alle gesund nach Hause gekommen", erzählt ein ehemaliger Soldat der Panzergrenadiertruppe von seinem Einsatz in Afghanistan. Mittlerweile pensioniert, ist der Herr mit seiner Tochter zum Tag der Bundeswehr nach Bruchsal gefahren und bestaunt den Leopard 2 Kampfpanzer. Seine 35 Jahre bei der Bundeswehr waren "tippitoppi", eine "wunderschöne Zeit". Genauso wie die 4,5 Monate in Afghanistan 2005/2006. "Da bist du immer im Dienst, es gibt nur das Kasernenleben und kein Privatleben", sagt er. Machbar sei das durch die Kameradschaft. "Das war ein toller Haufen."

Die Mutter mit der einjährigen Tochter auf dem Arm, die mal Panzer sagen sollte, freut sich derweil. "An-zel", versucht das Mädchen sie nachzuahmen. "Bravo, gut machst du das. Und gleich nochmal: Pan-zer." Ein Hauch von elterlichem Stolz liegt in der Luft.


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4 Kommentare verfügbar

  • Fury
    am 22.06.2023
    Antworten
    Die aktuelle Situation zeigt uns, dass wir hier keine Schwäche zeigen dürfen. Die Menschheit hat leider noch nicht dazu gelernt und deshalb, aufrüsten oder untergehen.
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