Die Szene ist beeindruckend. Tausende Menschen sind Anfang März 2022 vor der Stuttgarter Oper zusammengekommen. Oben am Gebäude hängt eine Flagge der Ukraine, die wenige Tage zuvor von Russland angegriffen wurde, eine Masse an Demonstrant:innen verteilen sich rings um den Eckensee, sie stehen mit Friedensflaggen vor dem Landtag nebenan und auf den Treppen zur Oper. Mittendrin: Viktoriia Vitrenko, eine junge Frau in schwarzem Mantel mit rotem Schal, die die vier großen Stuttgarter Orchester und zwei Chöre dirigiert. Sie spielen "Dona nobis pacem" – gib uns Frieden.
Kunst, um das Trauma zu bekämpfen
Ein Jahr später ist Vitrenkos Kalender voll und einen Termin zu finden nicht einfach. Wir treffen uns an der Musikhochschule, wo sie gleich anschließend unterrichtet. Die Dirigentin und Sopranistin arbeitet an einer Fülle unterschiedlicher Projekte. Dazu kommt ihr Engagement für die Musiker:innen und Künstler:innen ihres Landes. Und für ihre Freundin und Weggefährtin Maria Kalesnikava, die weißrussische Musikerin, die in Stuttgart gearbeitet hat und nun seit zweieinhalb Jahren in ihrem Heimatland im Gefängnis sitzt.
Unmittelbar nach dem russischen Angriff rief Vitrenko einen Nothilfefonds für ukrainische Künstler:innen ins Leben, der Stipendien und Kompositionsaufträge vergibt. Vor allem für männliche Künstler, die das Land nicht verlassen können, auch wenn längst nicht alle zum Militärdienst eingezogen sind. Kultur hat es schwer in Zeiten des Krieges, dabei könnte sie helfen. "Kunst und Kultur sollten dazu da sein, das Trauma zu bekämpfen", sagt Vitrenko.
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