Derzeit rüpelt und prügelt sich Antonio Lallo als Suffkopp Toby durch die Esslinger Freiluftinszenierung von Shakespeares "Was ihr wollt". In den Fechtkämpfen bekommt man ein bisschen Angst um seine Gegner, so draufgängerisch und wild schwingt er den Degen. "Antonio gibt in den Vorstellungen immer 150 Prozent", berichtet seine Kollegin Gesine Hannemann, "ob Haupt- oder Nebenrolle. Am Ende ist er immer schweißgebadet." Lallo, von stämmiger Statur, aber wendig, ist ein körperlicher Spieler, ein Komödiant mit einem unmittelbar zündenden Bühnencharisma. Seit 2014 ist er fest im Ensemble der Württembergischen Landesbühne Esslingen (WLB).
Wenn man ihn nach seinen Lieblingsrollen fragt, kommt die Antwort blitzschnell: "Woyzeck in Ulm. Und der Luther in Esslingen." Dass er "als Katholik den protestantischen Führer gerade im pietistischen Esslingen" spielen durfte, war ihm eine Genugtuung. "Ich bin tief im Katholizismus verwurzelt, er ist Teil meiner Kultur." Lallo ist das Kind italienischer Einwanderer. Der Vater kam mit 18 aus Apulien nach Deutschland, er wollte nicht zum Militär und auch nicht Bauer werden wie sein Vater. Später arbeitete er bei Daimler. Antonio Lallos Mutter, die aus Kampanien stammt, war bereits mit 13 nach Süddeutschland gekommen – ihr Vater hatte Arbeit in einer Holzfirma gefunden, in Holzgerlingen. Dort lernte sie dann auch ihren späteren Ehemann kennen. 1972 wurde geheiratet, drei Söhne folgten.
Lallo beschreibt seine Familie als sehr gut integriert: "Meine Eltern haben sich schon früh entschieden, in Deutschland zu bleiben, haben Schulden gemacht, um sich ein Haus in Holzgerlingen zu kaufen. Das hat uns Kindern vieles erleichtert", sagt er, "auch, weil sie uns nicht verboten haben, zuhause Deutsch zu sprechen." Was in anderen italienischen Familien durchaus üblich gewesen sei: um die eigene Kultur nicht zu verlieren, weil man ja eigentlich immer zurück wollte in die Heimat. Lallo beschreibt seine Kindheit und Jugend als glücklich. "Meine Eltern haben uns alle Freiheiten gelassen. Wir konnten uns gut entwickeln." Und so akzeptierten sie auch, dass er nach dem Abitur am Wirtschaftsgymnasium Schauspiel an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart studierte. Sein Talent hatte er bereits in schulischen Theater-AGs bewiesen.
Corona als Brennglas
Lallo liebt seinen Beruf. Er sei der "schönste Beruf der Welt". Und ja: "Im Gegensatz zu all den frei arbeitenden Schauspielern sind wir Festangestellten mit 95 Prozent Kurzarbeit gut durch die Pandemie gekommen." Aber Corona habe als Brennglas fungiert, all die Missstände an den Theatern freigelegt. Durch die pandemiebedingte Vollbremsung habe man plötzlich Zeit gehabt und sei zum Nachdenken gekommen. Deshalb seien jetzt deutschlandweit all die Themen hochgeploppt: Machtmissbrauch am Theater, sexuelle Übergriffe, Rassismus, Altersdiskriminierung, Geschlechterungerechtigkeit, die ganzen arbeitsrechtlichen Missstände. "Und plötzlich konnten wir uns digital vernetzen." Gewerkschaftsarbeit sei vorher schwierig gewesen, weil in Präsenzform und im eng getakteten Proben- und Vorstellungsalltag kaum umzusetzen.
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