Zunächst bis Ende Oktober gilt in Baden-Württemberg weiterhin das Verbot von Veranstaltungen vor über 500 Personen. Weniger geht – aber nur, wenn genügend Raum da ist, um die strikten Abstandsregeln einzuhalten. Da endet die Kapazität oft schon bei 50 Leuten. Für die VeranstalterInnen ein Minusgeschäft. Unsicherheit herrscht, Angst vor dem Winter, wenn Open-Air-Veranstaltungen nicht mehr möglich sein werden. Was passiert nach dem 31. Oktober? Wer jetzt nicht an einer der staatlich subventionierten Kulturinstitutionen festangestellt ist, muss sich warm anziehen.
Alleine geht's nicht
Lisa Barry ist eine der vielen betroffenen freien Stuttgarter MusikerInnen. Die studierte Geigerin arbeitet seit 20 Jahren als private Instrumentallehrerin und Orchestermusikerin. Zudem ist sie Mitglied des Streichquartetts "Ladystrings". Als die Pandemie kam, war ihr Kalender voll bis zum Sommer. Dem Lockdown folgte plötzlich ein großes schwarzes Loch. Ausfallhonorare? Von wegen. Der Unterricht ging zwar per Zoom und Skype weiter. "Alle waren unfassbar dankbar, dass ich den Unterricht weiterlaufen lasse." Und einige SchülerInnen übten so fleißig, dass sie einen "Riesensprung" machten. Aber die andere Hälfte ihres Einkommens, klassische Orchesterprojekte, brach weg.
An dieser Situation hat sich bis heute nicht viel geändert. Die Corona-Soforthilfe des Landes half Barry zwar schnell, aber an ihre Reserven muss sie nun trotzdem ran. Sie hat im Sommer an zwei sogenannten "Isolationsprojekten" teilgenommen: Pixel-Stream-Konzerte, die sich aus einzeln aufgenommenen Orchester-Stimmen und -Gesichtern zusammensetzen. Aufwendige Internet-Projekte, die vor allem eines zeigten, sagt sie: "Alleine geht es eben nicht in der Klassik."
Gerade hat sie an ihrem ersten Live-Orchesterprojekt seit März teilgenommen: Die Deutsche Philharmonie Merck spielte Beethovens Erste Sinfonie in kleiner 30-köpfiger Besetzung – wegen der rigiden Abstandsregeln, die auch auf der Bühne gelten. Aber das war es dann auch erst einmal für dieses Jahr. Ihr Terminkalender sei leer, so Barry. "Wenn das so bleibt", sagt sie traurig, "werde ich von der Musik nicht mehr leben können. Ich muss mir einen Plan B überlegen."
Dabei hat die Geigerin viele gute Ideen. So hat sie mit ihrem Streichquartett im Sommer eine neue Konzertform entwickelt: das "Folgekonzert". Die "Ladystrings" haben ein Programm zusammengestellt, es in drei 30-Minuten-Teile gesplittet und dann nacheinander an drei verschiedenen Orten gespielt. "Wir haben das in drei großen Kirchen im Stuttgarter Osten umgesetzt vor jeweils 60 ZuschauerInnen. Einige haben nur ein Konzert gehört, andere sind mitgewandert." Viel Arbeit, viel Organisation. Aber es habe sich gelohnt: Die Stimmung war "unglaublich gut!", und das Publikum habe großzügig gespendet. Eintrittskarten haben die MusikerInnen nicht verkauft, denn das vorgeschriebene Internet-Ticketing sei für sie viel zu aufwendig.
Solidarität zeigen!
Als der Lockdown in der Luft lag, hat Joe Bauer sofort reagiert, sich mit Goggo Gensch, Tom Adler und Peter Jakobeit und dessen KultIG-Verein (Kulturimpuls Grundeinkommen e.V.) zusammengetan und zur Spendenaktion "Künstlersoforthilfe Stuttgart" aufgerufen. Solidarität zeigen! Als politischer Mensch ist es Joe Bauer wichtig, Zeichen zu setzen. Das tat er gleich am Wochenende des 14./15. März. Er wusste: "Auch ohne Corona arbeiten viele KünstlerInnen ja schon im prekären Bereich, leben von gerade mal 1.200 Euro im Monat. Da sind keine Reserven. Da muss man helfen." Schnell habe man für 50 Euro ein Telefon gekauft, einen E-Mail-Account eingerichtet und eine kleine Website.
1 Kommentar verfügbar
Eva Stutt
am 10.09.2020Wichtig finde ich ebenfalls, dass Musik auch dazu in der Lage ist, den interkulturellen Dialog zu verbessern. Das wird meiner Meinung nach viel zu wenig in der gegenwärtigen Debatte diskutiert und anerkannt!