1871 schrieb der französische Kommunist, Transportarbeiter und Dichter Eugène Edine Pottier den Ursprungstext der Internationalen, noch ganz unter dem Eindruck der blutig niedergeschlagenen Pariser Commune, an der er beteiligt gewesen war. Es war zunächst vor allem ein trotziges, kämpferisches Poem, und der Titel bezog sich auf die Internationale Arbeiterassoziation, dem ersten internationalen Zusammenschluss von Arbeitergesellschaften – 1864 in London gegründet und 1876 aufgelöst. Gesungen wurde Pottiers Text anfangs auf die Melodie der Marseillaise, der französischen Nationalhymne. Die heute bekannte Melodie komponierte erst 1888 der belgische Sozialist Pierre Degeyter. Nach und nach entstanden Textversionen in vielen verschiedenen Sprachen, die bekannteste deutsche Version schuf 1910 Emil Konrad Luckhardt, Bierbrauer und Gewerkschaftssekretär aus dem rheinländischen Barmen.
Noch einmal 66 Jahre sollte es dauern, bis endlich eine adäquate bildliche Umsetzung folgen sollte: 1976 illustrierte Comic-Legende Gerhard Seyfried in 24 Einzelbildern Luckhardts Text. Wie kam es dazu? "Das ist, wenn ich mich recht erinnere, ohne Auftrag entstanden", sagt Seyfried, der damals vor allem für das Münchner Stadtmagazin "Blatt" arbeitete. Er habe erst zwei Bilder zu einzelnen Textteilen gezeichnet, und dann habe sich der Rest halt ergeben. Die komplette Cartoon-Internationale erschien noch 1976 in einer Ausgabe der Zeitschrift "Kursbuch", damals das wichtigste Organ der Studentenbewegung und APO. Heute hat er die Urversion nur noch als Scan, denn das Original wurde irgendwann in den 1980ern bei einer Ausstellung geklaut, "das ist ziemlich bitter". Als Abdruck in Büchern oder Kopie gibt es die Version freilich noch, oder auch auf Youtube als audiovisuelle Kombination mit einer Hannes-Wader-Interpretation der "Internationalen". Die kannte Seyfried bislang noch gar nicht, sieht aber als vielleicht meistvervielfältigter Comiczeichner Deutschlands über die De-facto-Copyrightverletzung hinweg: "Es passt doch sehr schön zusammen."
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