Bauernopfer, weil sie ohne strenge Hygienekonzepte davor hätten gar nicht wieder öffnen dürfen. Jeder, der zwischen den beiden Lockdowns mal im Kino, Konzert oder Theater war, sah, dass diese gut funktionierten. Viel Platz war zwischen den belegten Sitzen, am Ende herrschte Maskenpflicht auch während der Vorstellung – während sich in den Supermärkten und öffentlichen Verkehrsmitteln die Menschen schon mal auf den Füßen standen. Gerade an diesen sicheren Orten hätte man den Menschen also guten Gewissens noch ein Stück Freiheit lassen können.
Beschleunigt die Pandemie nur den Niedergang?
Wie lange die Kulturszene brach liegen und wie viel von ihr den SARS-CoV-2-Virus überleben wird, steht in den Sternen. Wird das Publikum – ausgehungert und gierig auf Live-Events – in die Theater und Konzerte stürzen? Oder werden die Leute, des terminlichen Kulturkampfs bereits entwöhnt, lieber bei Netflix auf dem Sofa bleiben? Beschleunigt die Pandemie schon vorher zu spürende Momente des Niedergangs? Enttarnt sie scheinbar lebendigen Kulturglanz gar als irrelevant und obsolet?
Die Kinos hat es bereits getroffen. Zwei der fünf größten US-Filmunternehmen, Warner Bros. und die Walt Disney Group, haben kürzlich angekündigt, alle großen Filme in Zukunft nicht mehr zuerst in den Kinos, sondern gleichzeitig auch als Stream herauszubringen. Ein fatales Omen aus Hollywood. Schon vor Corona machten die Videoplattformen und ihre Serien den Lichtspielhäusern schwer zu schaffen. Das Kinosterben hat bereits begonnen.
Zumindest die Landesbühnen, die Staats- und Kommunaltheater, die öffentlich getragenen Konzert-, Opern- und Rundfunkorchester scheinen noch gut dazustehen. Sie schützt der Schirm der Kurzarbeit – vorbildlich von den Gewerkschaften ausgehandelt. Bei großen und kleinen Privattheatern, privatwirtschaftlichen Konzertveranstaltern und frei arbeitenden Klangkörpern sieht das ganz anders aus. Die Einnahmen an der Kasse haben hier existenzielle Bedeutung. Jeder Monat, in dem nicht gespielt wird, beschert Defizite, von denen offen ist, ob und von wem sie am Ende ausgeglichen werden.
Ganz zu schweigen von den vielen Freischaffenden, denen die – schon vorher oft knappen und für Rücklagen nicht ausreichenden – Einnahmen weggebrochen sind. Ihr Anteil in Kulturberufen liegt mit 39 Prozent deutlich über dem bei allen Erwerbstätigen (zehn Prozent). Für MusikerInnen ist das monatelange Üben für umme eine wirtschaftliche und künstlerische Katastrophe. Einige halten sich mit Unterrichten über Wasser, viele haben umgeschult und inzwischen andere Jobs. Wer sitzt dann nach der Pandemie noch in den vielen frei arbeitenden Ensembles, etwa jenen der Stuttgarter Bachakademie? Auf die Frage, wie das Haus mit dem Problem umgehen wird, dass sich die freie MusikerInnen-Szene gelichtet haben wird, antwortete die Bachakademie-Intendantin Katrin Zagrosek nicht. Was die Zeit nach Corona angeht, hofft man ganz einfach darauf, dass sich bei den "Entscheidungsträgern" das Bewusstsein, dass die Kulturbranche einen "echten Wirtschaftsfaktor" darstelle, "auch in angemessenen Subventionen und Förderungen" widerspiegle, so Zagrosek. Bisher konnte sich die Bachakademie, die nur zu 25 Prozent von Stadt und Land getragen wird, auf ein treues Sponsorennetz verlassen.
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Larissa Meng
am 03.02.2021