Zweieinhalb Jahre hat der 73-Jährige an diesem Denkmal gearbeitet, schließlich ist es knapp zehn Meter hoch und wiegt ebenso viele Tonnen. Rund 2.500 Arbeitsstunden, so Lenk, habe er in dieses Großprojekt gesteckt, das sein letztes sein soll. Die Kraftanstrengung ist ihm anzumerken. Tausend SpenderInnen haben Geld gegeben für die Material- und Aufbaukosten, die sich auf 150.903,893 Euro belaufen, das hat der Lenksche Steuerberater bis auf den letzten Cent ausgerechnet. 135.000 Euro haben die Freunde und Freundinnen von "Lenk in Stuttgart" bereits gesammelt und überwiesen. "Wir kriegen die 150.000 noch voll", sagt Winfried Wolf, der Organisator der Kollekte, in der Nacht der Aufstellung.
Selbige wird ein Stelldichein für viele. Kulturamtsleiter Marc Gegenfurtner lässt sich unter der Maske grinsend vom Künstler erklären, warum der zwei Ersatzfeigenblätter bereit hält: "Kann ja sein, dass das geklaut wird." Veronika Kienzle zückt die Lesebrille und beugt sich über die Spendentafel, um sich die Namen genauer anzuschauen. Dem Vernehmen nach hat sie mit Engelszungen auf Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) eingeredet, dass er dem Denkmal endlich zustimmt. Hannes Rockenbauch kommentiert das mürrische Gesicht des Laokoon anders als der Ministerpräsident selbst: "Er weiß, dass er einiges falsch gemacht hat."
Und als der Laokoon von zwei Kränen auf den Sockel gehievt wird, steigt die Spannung: Es ist eine handwerkliche Meisterleistung, was die Männer von Broziat, einem Singener Transportunternehmen, hier schaffen. Für lau übrigens, weil sie Lenk gut finden. Nichts darf beschädigt werden, Tonnen müssen in Feinarbeit millimetergenau auf dem Sockel platziert werden. Geht alles gut, wie sie es am Freitag zuvor in Bodman schon in einer Generalprobe trainiert haben? Es geht. Erleichterung bei Künstler und Handwerkern, Applaus bei den Zuschauern und im Hintergrund ploppen die Bier-Bügelflaschen. So kann man eine Enthüllung auch feiern.
Dass Peter Lenk und seine künstlerischen Streiche die Fantasie anregen, ist nichts Neues. Selbst die brave Nachrichtenagentur dpa, nicht eben bekannt für Lustigkeit und Spielerei, glänzt vor der Enthüllung mit einer aufmüpfigen Montage, in der eine giesgrämige Lenk-Figur, die stark an Angela Merkel erinnert, auf die S-21-Baustelle herunterblickt. Dem Künstler gefällt’s, Nachahmung ist ausdrücklich erwünscht. Und manchmal bekommt der anarchistische Schalk sogar Unterstützung von unerwarteter Seite. In Berlin interessierten sich die katholischen Landfrauen für das ehemalige taz-Gebäude in der Rudi-Dutschke-Straße. Gefragt, ob sie der Pimmel am Gebäude nicht störe, gaben sich die frommen Frauen tolerant: "Ooch nö, das ist doch nett."
Die Skulptur soll zunächst bis zum 31. März 2021 vor dem Stadtpalais stehen. Was danach passiert, ist noch offen. Doch Lenksche Kunstwerke haben die Tendenz zu bleiben.
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Manfred Fröhlich
am 28.10.2020