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Opera Buffa

Opera Buffa
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Es ist keine große Oper, was in Stuttgart in Sachen Sanierung des Littmann-Baus am Eckensee gespielt wird. Eher Opera buffa, ein Possenspiel. Einer steht dem anderen und jeder sich selbst im Weg, und jeder bezahlbaren Lösung ein Heer von Vorschriften und hohen Ansprüchen.

War es nur Theaterdonner? Oder was war in Fritz Kuhn gefahren? Als ein Gutachten zur Interimsoper Kosten von 116 Millionen Euro prognostizierte, plus minus 20 Prozent, verkündete das Stuttgarter Stadtoberhaupt das Aus für den Standort im ehemaligen Bahnpostamt, auf den sich ein halbes Jahr zuvor noch alle Beteiligten geeinigt hatten. Dabei entscheidet der OB nicht allein. 

Prompt widersprach die Wissenschaftsministerin des Landes, Kuhns Parteifreundin Theresia Bauer: "Auch wenn uns diese Kostendimension für das Interim noch einmal zum Nachdenken zwingt – die Sanierung der Württembergischen Staatstheater duldet keinen Aufschub. Es ist wichtig, dass wir an den bisherigen Planungen für das Gesamtprojekt festhalten. Das schulden wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Künstlerinnen und Künstlern und dem begeisterten Publikum."

Dass Kuhn der Kragen platzte, ist durchaus verständlich. Bisher waren die Kosten für den Ausweichstandort auf 55 Millionen beziffert worden, nun reicht das Doppelte nicht aus. Auf der anderen Seite tanzt ihm der Verein "Aufbruch Stuttgart" des früheren Fernsehmoderators Wieland Backes auf der Nase herum und behauptet, eine billigere Lösung parat zu haben. Mit einem Kostengutachten belegen kann er das nicht.

Der Architekt Arno Lederer beharrt darauf, das denkmalgeschützte Königin-Katharina-Stift zur Disposition zu stellen. Auch wenn er damit in der Politik fast keine Anhänger findet und schon nach wenigen Tagen mehr als doppelt so viele Menschen <link https: www.change.org p _blank external-link>eine Petition für den Erhalt des Gymnasiums unterzeichnet haben wie der Verein Mitglieder hat. Statt sich, wie Lederer selbst ursprünglich gefordert hat, Gedanken zur Stadtentwicklung zu machen, beharrt der Architekt trotzig wie ein kleines Kind auf seinen Vorsätzen.

Selbsternanntes Gremium von Bildungsbürgern

Der Verein will sogar einen hoch dotierten Architekturwettbewerb ausschreiben. Nur: mit welcher Legitimation? So viel an der repräsentativen Demokratie auszusetzen sein mag: Dass ein selbst ernanntes Gremium von Bildungsbürgern und Museumsdirektorinnen einfach behauptet, alles besser zu wissen, ist noch keine Lösung. Ungewohnt deutlich und mit guten Argumenten hat Kuhn diesem Ansinnen widersprochen.

Etwas anders verhält es sich in der Frage des Bahnpostamts. Was wäre damit gewonnen, sich jetzt erneut auf die Suche nach einem anderen Standort zu begeben? <link https: www.kontextwochenzeitung.de kultur finger-weg-vom-eckensee-4581.html _blank external-link>Die Diskussion um den Eckensee ist geführt, der Standort beim Mercedes-Benz-Museum abgehakt. Wohl gäbe es weitere Alternativen, die allerdings schon im Vorfeld aussortiert wurden. Nur: wird ein Opernhaus, das zwar nur einige Jahre Bestand haben, trotzdem aber mit allem Drum und Dran ausgestattet sein soll, anderswo weniger kosten?

Natürlich nicht. Zu diesem Ergebnis gelangt jedenfalls das Finanzministerium. Staatssekretärin Gisela Splett: "Arbeitsplätze, Sitzplätze, Bühne, Orchestergraben – all das wird an jedem möglichen Standort einer Interimsspielstätte gebraucht." Dass ein neues Opernhaus, das allen Ansprüchen genügt, mit 116 Millionen Euro taxiert wird, kann eigentlich kaum überraschen, egal ob es in alten Wänden oder auf der grünen Wiese entsteht. Allerdings kann man schon fragen, ob es Sinn macht, einen solchen Bau schon nach wenigen Jahren wieder abzureißen. 116 Millionen: das ist mehr als der Etat der Staatstheater für ein ganzes Jahr, mehr als die Stadt jährlich insgesamt für die Kulturförderung aufwendet.

Nun ist aber das Areal des Bahnpostamts eine der heiligen Kühe, die bisher kaum jemand anzutasten gewagt hat. Es soll am Ende der Parkerweiterung dienen: als Belohnung für 15 oder mehr Jahre Großbaustelle mitten im Herzen der Stadt. Direkt am Bahnhof, wo er am meisten benötigt wird, ist der Schlossgarten für das Projekt Stuttgart 21 abgeholzt worden. Dafür soll ein Stück Park dort dazu kommen, wo er am wenigsten gebraucht wird. Vom Schlossgarten trennt das Areal ein Geländesprung wie ein fünfgeschossiges Wohnhaus. Und wer künftig im Rosensteinquartier wohnt, hat schon den viel größeren, schönen Rosensteinpark direkt vor der Haustür.

Nur mit zarten Fingern wagt Ministerin Bauer begreiflicherweise nun, dieses Faustpfand auf den Prüfstand zu stellen: "Es ist mir bewusst, dass derartige Summen eine sinnvolle Nachnutzung nahelegen", sagt sie. "Unter diesem Aspekt könnte die Ehmannstraße allerdings ein geeigneter und attraktiver Standort für eine Interimsspielstätte sein." Will sagen: Wenn die Interimsoper als Konzertsaal anschließend weiter genutzt würde, könnte sich die Investition lohnen. 

Braucht Stuttgart einen neuen Konzertsaal?

Tatsächlich ist die Frage, ob Stuttgart einen neuen Konzertsaal braucht, noch nicht zu Ende besprochen. Der SWR drängt darauf, das Rosensteinquartier wurde wiederholt als Standort genannt. Wenn nun das Paketpostamt nach dem Ende der Opernsanierung als Konzertsaal weiter genutzt wird und dafür an anderer Stelle statt einer Konzerthalle ein Stück Park entsteht, wäre damit nichts verloren: ein Nullsummenspiel. 

Dies ist die eine Richtung, in die sich die Debatte weiter entwickeln könnte, wenn am kommenden Freitag der Verwaltungsrat zusammentrifft. Die andere Möglichkeit wäre, zu fragen, wieso die Kosten so hoch ausfallen und ob sich davon nicht etwas einsparen ließe.

Was aber treibt die Kosten in die Höhe? Da sind zum einen die Bauvorschriften. Betriebs- oder Arbeitsstättenverordnung, Versammlungsstättenverordnung, Brandschutz, Barrierefreiheit. Die Liste der Vorschriften ist lang. Und wenn sie beim bestehenden Opern-Altbau schon zum großen Teil nicht eingehalten werden, so gibt es beim Interim jedenfalls keine Abstriche. Es wäre allerdings zu einfach, alles auf die Regulierungen zu schieben, die wie ein Naturgesetz zwangsläufig exorbitante Kosten nach sich ziehen. Es gibt natürlich auch Spielräume, wie bei der Opernsanierung selbst, so auch beim Interim. 

Wie die richtige Oper, so soll auch die Interimsoper ein zwanzig Meter hoher Turm krönen, um die Prospekte im Bühnenhintergrund herunterzulassen und wieder hinaufzuziehen. Geht es für fünf Jahre vielleicht auch eine Nummer kleiner? Am Stuttgarter Theaterhaus, das 2003 nicht mehr als 23 Millionen Euro gekostet hat, hat <link https: www.kontextwochenzeitung.de kultur ab-in-die-monokultur-5074.html _blank external-link>der Veranstalter Musik der Jahrhunderte immer wieder Musiktheaterwerke aufgeführt, die mit viel weniger Zauberwerk auskamen. Schlechter waren sie deshalb nicht: Weder den Sängern, noch den Instrumentalisten, noch dem Publikum hat der geringere Aufwand geschadet.

Die Qualität von Konzerten und Opernaufführungen hängt nicht in erster Linie von aufwendiger Bühnentechnik ab, sondern von den Sängerinnen und Sängern, ihren schauspielerischen Fähigkeiten und der Musik. Ein Bühnenbildner, der etwas kann, ist in der Lage, mit Ideen und Witz zu ersetzen, was ihm an Technik nicht zur Verfügung steht. Die Ergebnisse sind oftmals besser als bei den großen Materialschlachten.

Bestes Beispiel: Von der Oper "Fremd" des Komponisten Hans Thomalla, 2011 uraufgeführt im Stuttgarter Opernhaus, gab es fünf Jahre zuvor eine kleine Vorschau im vom damaligen Intendanten Klaus Zehelein ins Leben gerufenen Forum Neues Musiktheater. Eine simple Holzhalle, das Bühnenbild bestehend aus zwei Kastenräumen, die Sänger kostümiert mit Motorradhelmen und Rollkoffern. Und doch konnte die spätere Aufführung mit der Magie dieses Abends, mit der großartigen Sopranistin Sarah Maria Sun, die damals noch am Beginn ihrer Laufbahn stand, nicht mithalten.

Mancher träumt von einer Elbphilharmonie am Neckar

Das Problem ist: Es wird zwar mit großen Zahlen operiert, aber im Detail ist nicht bekannt, wie sie zustande kommen. Das gilt nun für den Interimsstandort ebenso wie für die Sanierung des Opernhauses. Diese intransparente Ausgangslage macht es leicht, Empörung zu mobilisieren, und schwer, rational zu argumentieren. Selbst die Mitglieder des Verwaltungsrats wissen nicht im Detail, wie sich die prognostizierten Kosten zusammensetzen. Welchen Anteil hat etwa die Verschiebung des westlichen Flügels des Opernhauses um – ursprünglich hieß es zwei, jetzt sind es sechs Meter – an den Gesamtkosten? Wie viel von den 116 Millionen des Bahnpost-Interims geht auf den Turm?

Aus dem Debakel versucht nun die CDU Kapital zu schlagen. Sie sieht Kuhn, Bauer und Splett vor einem "Scherbenhaufen", obwohl sie die Interimsplanung für das Paketpostamt, wenn auch unter Kostenvorbehalt, mitgetragen hat. Völlig zu Recht lehnt die Fraktion Kosten über 50 Millionen für ein reines Interim ab und zieht daraus die Konsequenz, nun sei ein Bau zu planen, der nach dem Opern-Interim dauerhaft als Konzerthaus dienen solle. Nur kommt für die Partei, die mehr als alle anderen das Projekt Stuttgart 21 vorangetrieben hat, das Paketpostamt dafür nicht in Frage. Stattdessen zaubert die Fraktion – nach all dem Hickhack um die bisherigen Vorschläge – gleich "drei inhaltliche Standortcluster" aus dem Hut, ohne sich auf einen Ort festzulegen. Vollmundig meint der Fraktionsvorsitzende Alexander Kotz: "Unsere neue Philharmonie muss kulturell und architektonisch ein europaweites Ausrufezeichen und Magnet für unsere Stadt werden." Darunter geht es wohl nicht.

Zurückhaltender äußert sich die Fraktion SÖS-Linke-Plus, die bisher als einzige die Opernplanungen kritisch mit eigenen Vorschlägen bereichert hat. Guntrun Müller-Ensslin ist von ihrer Idee, die Oper während der Sanierung ins Kleine Haus und das Schauspiel erneut in ein Ausweichquartier zu verlegen, inzwischen wieder abgerückt. Dies wäre den Schauspielern gegenüber ungerecht, meint sie. Eine zweite, neuere Variante: Das Bahnpostamt nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft zur Oper umbauen und das Opernhaus für den Konzertbetrieb nutzen. Ökonomisch sicherlich sinnvoll. Nur wird das weder die CDU, noch der Direktor des SWR-Sinfonieorchesters Felix Fischer mittragen, der eine neue Elbphilharmonie will. Zur Erinnerung: Die hat 866 Millionen gekostet.


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4 Kommentare verfügbar

  • Karl Heinz Siber
    am 16.05.2018
    Antworten
    Das Anspruchsdenken der Hochkultur-Cliquen ist atemberaubend. In einem Land, in dem die Reichen immer reicher werden und der Staat (relativ gesehen) immer ärmer (ich rede nicht von den USA, sondern von Deutschland), kann es nicht selbstverständlich sein, dass für die Sanierung eines Opernhauses…
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