Nur mit zarten Fingern wagt Ministerin Bauer begreiflicherweise nun, dieses Faustpfand auf den Prüfstand zu stellen: "Es ist mir bewusst, dass derartige Summen eine sinnvolle Nachnutzung nahelegen", sagt sie. "Unter diesem Aspekt könnte die Ehmannstraße allerdings ein geeigneter und attraktiver Standort für eine Interimsspielstätte sein." Will sagen: Wenn die Interimsoper als Konzertsaal anschließend weiter genutzt würde, könnte sich die Investition lohnen.
Braucht Stuttgart einen neuen Konzertsaal?
Tatsächlich ist die Frage, ob Stuttgart einen neuen Konzertsaal braucht, noch nicht zu Ende besprochen. Der SWR drängt darauf, das Rosensteinquartier wurde wiederholt als Standort genannt. Wenn nun das Paketpostamt nach dem Ende der Opernsanierung als Konzertsaal weiter genutzt wird und dafür an anderer Stelle statt einer Konzerthalle ein Stück Park entsteht, wäre damit nichts verloren: ein Nullsummenspiel.
Dies ist die eine Richtung, in die sich die Debatte weiter entwickeln könnte, wenn am kommenden Freitag der Verwaltungsrat zusammentrifft. Die andere Möglichkeit wäre, zu fragen, wieso die Kosten so hoch ausfallen und ob sich davon nicht etwas einsparen ließe.
Was aber treibt die Kosten in die Höhe? Da sind zum einen die Bauvorschriften. Betriebs- oder Arbeitsstättenverordnung, Versammlungsstättenverordnung, Brandschutz, Barrierefreiheit. Die Liste der Vorschriften ist lang. Und wenn sie beim bestehenden Opern-Altbau schon zum großen Teil nicht eingehalten werden, so gibt es beim Interim jedenfalls keine Abstriche. Es wäre allerdings zu einfach, alles auf die Regulierungen zu schieben, die wie ein Naturgesetz zwangsläufig exorbitante Kosten nach sich ziehen. Es gibt natürlich auch Spielräume, wie bei der Opernsanierung selbst, so auch beim Interim.
Wie die richtige Oper, so soll auch die Interimsoper ein zwanzig Meter hoher Turm krönen, um die Prospekte im Bühnenhintergrund herunterzulassen und wieder hinaufzuziehen. Geht es für fünf Jahre vielleicht auch eine Nummer kleiner? Am Stuttgarter Theaterhaus, das 2003 nicht mehr als 23 Millionen Euro gekostet hat, hat <link https: www.kontextwochenzeitung.de kultur ab-in-die-monokultur-5074.html _blank external-link>der Veranstalter Musik der Jahrhunderte immer wieder Musiktheaterwerke aufgeführt, die mit viel weniger Zauberwerk auskamen. Schlechter waren sie deshalb nicht: Weder den Sängern, noch den Instrumentalisten, noch dem Publikum hat der geringere Aufwand geschadet.
Die Qualität von Konzerten und Opernaufführungen hängt nicht in erster Linie von aufwendiger Bühnentechnik ab, sondern von den Sängerinnen und Sängern, ihren schauspielerischen Fähigkeiten und der Musik. Ein Bühnenbildner, der etwas kann, ist in der Lage, mit Ideen und Witz zu ersetzen, was ihm an Technik nicht zur Verfügung steht. Die Ergebnisse sind oftmals besser als bei den großen Materialschlachten.
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Karl Heinz Siber
am 16.05.2018