Weihnachtszeit. Ausatmen. In sich hineinhören. Zur Besinnung kommen. Besser noch: sich eine Eins-A-Besinnlichkeit zulegen! Soll man es vielleicht auf respektive mit dem Jakobsweg probieren, wenigstens für 92 Minuten? Also mal rein ins Kino, in die neu gestartete Adaption des Hape-Kerkeling-Bestsellers "Ich bin dann mal weg". Gewandert ist der Autor im Jahr 2001, darüber geschrieben hat er 2006, verkauft wurde sein Buch bisher so fünf oder sechs Millionen Mal. Seufz. Da wird man es wohl nicht verhindern können, dass auch dieser von Julia von Heinz inszenierte Film Rekordzahlen verbucht. Man sollte es trotzdem versuchen. "Ich bin dann mal weg" ist nämlich ein kreuzlangweiliges Gott- und Selbstfindungsgeschichtlein, das den erzählerisch eh schon ausgetrampelten Jakobsweg wohl nur zum einzigen Zweck der Geldvermehrung betritt.
Ja, Kruzifixhimmelherrgottsakrament! Was hat denn diese allumfassende, sauber ausgeleuchtete und geschwätzige TV-Biederkeit auf der großen Leinwand zu suchen? Diese vielen Großaufnahmen und Schuss-Gegenschuss-Dialoge? Dieses Abfilmen von Landschaft, die dabei zur Fototapete degradiert wird? Dieses routinierte Abhaken von Jakobsweg-Standardsituationen als Pflichtprogramm, also Blasen an den Füßen, miefige Massenunterkünfte, durchgelegene Stockbetten, lärmige Hotels? Und so wie in diesen ZDF-Fernsehspielen, in denen jedes fremde Territorium - von Italien über Südafrika bis hin zu Australien - mittels deutscher Akteure quasi eingemeindet und in jedem Sinn provinzialisiert wird, kontrolliert nun beispielsweise Rudolf Krause (bekannt aus der Krimiserie "Unter Verdacht") als französischer Zöllner Fernandel die Pässe.
Kerkeling selbst, der sich damals nach Burnout und Zusammenbruch vorübergehend aus der Unterhalter-Karriere herausnahm, wird übrigens nicht von diesem selbst, sondern von Devid Striesow gegeben. Ein exzellenter Schauspieler. Aber nicht in diesem Film. Hier sieht er so aus, als habe er den Hape-Kerkeling-look-alike-Wettbewerb gewonnen und wolle sich nun mit einem rosig-versonnenen und quasi prä-erleuchteten Lächeln bis zum Ende hindurchmogeln. Wenn dieser Held unterwegs immer wieder zwei attraktiven Mitpilgerinnen begegnet, der kratzigen englischen aber deutsch sprechenden Journalistin Lena (Karoline Schuch) und der kiffenden Deutschen Stella (Martina Gedeck), erinnert das sogar an die spießigen Reise- und Ferienfilme des deutschen Kinos der Fünfziger- und Sechzigerjahre, in denen Bin-ich-nett-und-harmlos-Männer wie Claus Biederstaedt herumflirteten. Tatsächlich hält die Regisseurin eine Stunde lang und bis zum Satz "Ich bin schwul" dreist die Möglichkeit einer Hetero-Liebelei offen, und dies bei einem Prominenten wie Kerkeling, dessen Coming Out schon vor Jahren Schlagzeilen machte.
"Gott hat mit dir einen Plan", so spricht Kerkelings Religionslehrer in einer von vielen plumpen Rückblenden, die parallel zum Jakobsweg die Karriere des Helden bebildern. Katharina Thalbach als patente Oma des früh zum Waisen gewordenen Hape überzeichnet ihre Figur dabei wieder mal, wie es eben ihre Unart ist, so als spiele sie nicht in einem Film mit Kind, sondern in einem Kinderfilm. Überhaupt steckt "Ich bin dann mal weg" voller Karikaturen und naivem Humor, ja, fast möchte man von einer Hotzenplotzisierung sprechen. Aber zurück zu Höherem! "Eine Erleuchtungsgarantie gibt es nicht", schreibt der Held, der seine Aufzeichnungen immer mit einer "Erkenntnis des Tages" ausstattet. In seinem Buch oder aus seinem Mund, also direkt verknüpft mit Kerkeling, mögen Sätze wie "Pilgern tut weh!" oder "Alleinsein geht mir gehörig auf den Keks" einen gewissen Charme haben, in diesem Filmchen klingen sie bloß banal.
Aber jetzt Obacht! Jetzt kommt nämlich die höchste Erkenntnis! Da muss der Held sogar weinen, weil er vorher nicht wusste, ob er überhaupt an Gott glaubt, jetzt aber sicher ist, ihn gefunden zu haben. Aber das, sagt er, sei irgendwie privat, das gehe nur Gott und ihn selber was an. Und natürlich, muss man hinzufügen, ein paar Millionen Leser und Zuschauer. Am Ende und als absoluter Höhepunkt ist dann Santiago erreicht, die Kamera fährt staunend den Kirchturm hoch, unser Pilger vertraut uns an, dass in ihm etwas "einen gigantischen Gong" geschlagen habe, und eingeschnitten sind Szenen von Hapes erstem Erfolg als junger Entertainer, so dass jetzt also spirituelle und berufliche Karriere aufs Dümmste vereint sind. Vielleicht sollten die Beteiligten an diesem Quatsch selber mal den Jakobsweg abpilgern, früher hat die Kirche am Ziel nämlich einen Generalablass versprochen.
4 Kommentare verfügbar
Blender
am 07.01.2016