Gott sieht übrigens so aus wie der Schauspieler Benoit Poelvoorde, der in dem satirischen Thriller "Mann beißt Hund" mal als Killer unterwegs war und in der Komödie "Nichts zu verzollen" als schießfreudig-rabiater Grenzbeamter. Gegen diesen Gott aufzumucken verlangt also Mut - und den hat seine von der Bibel unterschlagene Tochter Ea (Pili Groyne). Erst will sie sich zur Rechten ihres Vaters setzen, dann macht sie ihn mit anklagenden Sprüchen so wütend, dass er sich den Gürtel von der Schlabberhose zieht und... Kurz gesagt: Mit diesem Gottvater ist kein gutes Auskommen.
Und so bespricht Ea mit ihrem älteren Bruder JC, den der Alte nie leiden konnte und deshalb in eine kleine Gipsstatue verwandelt hat, ihren Fluchtplan. Ab durch die Waschmaschine, heißt es nun. Aber vorher schleicht das Mädchen noch in Vaters Arbeitszimmer und lädt sich die individuellen Sterbedaten der Menschen herunter. Und sie drückt schließlich auf "Senden", wird also zur Whistleblowerin eines allmächtigen und perfiden Geheimapparats. Aber was fangen die Datenempfänger nun an mit diesen per SMS verbreiteten "Death Leaks"?
Gott selber fürchtet ganz zu Recht einen Machtverlust, er wütet seiner Kleinen sofort hinterher, landet auch wie sie in einem wunderbaren Waschsalon und kriegt von einer pikierten Kundin gleich was über – doch Moment! Bevor wir uns im Trubel der Ereignisse verlieren, muss noch festgestellt werden: Wer in diesem Film tatsächlich und mit großer Lust Gott spielt, das ist Jaco van Dormael. Der Regisseur, der 1991 mit seinem fulminanten Debüt "Toto der Held" reüssierte, danach aber eher an den Rändern des Kinobetriebs gearbeitet hat, schenkt der Menschheit nun einen verspielten, philosophischen, albernen, melancholischen, satirischen, surrealen, absurden, melodramatischen, sentimentalen, fröhlichen, poetischen, makabren und – auf diesem Platz bitte eigene Adjektive einfügen – in jedem Fall brillanten Film, der seltsamerweise und trotz allem seinen eigenen Ton findet.
Apropos eigener Ton: Wenn Ea in jede und jeden ihrer sechs neu rekrutierten Apostel hinein lauscht - Wie? Jawohl, Apostel – , dann hört sie in deren Herzen jeweils eine besondere Musik. Etwa von Händel, Rameau, Purcell oder, bei Catherine Deneuve, sogar eine Zirkusmelodie. Die Grande Dame des europäischen Kinos spielt hier eine in kaltem Luxus verkümmernde Frau namens Martine, die nur noch fünf Jahre zu leben hat. Als ihr Mann, der noch auf 39 Jahre vorausblicken darf, das erfährt, heißt es in böser Lakonie: "Er schien erleichtert."
Die Deneuve verliebt sich in einen zärtlichen Gorilla
Martine aber blüht als Apostelin wieder auf und verliebt sich in einen zärtlichen Gorilla. Wie? Okay, wir reichen nun eine kurze Erklärung zu den neuen Aposteln nach, die wie Martine alle einsame und vom Leben vernachlässigte und beschädigte Charaktere sind und übrigens – Neuapostel für Neuapostelin – in Da Vincis Abendmahl-Gemälde eingefügt werden: Die auf 18 erweiterte Zahl ist Eas Referenz an ihre Mutter (Yolande Moreau), also Gottes Frau, und deren Baseballquartett.
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Blender
am 02.12.2015