Jesus fucking Christ, was für eine Zeit, um am Leben zu sein! Mal wieder. Schon verrückt, oder? Wie das Gefühl, dass es beschissener und dümmer nicht geht, alle paar Jahre, ja mittlerweile alle paar Monate oder sogar Wochen neue Tiefen erreicht. Weil die Welt offenbar immer noch einen Ticken beschissener und die Menschheit noch ein Grad dümmer kann. Weil Abermillionen Menschen tatsächlich wieder den orangenen Mann zum Präsidenten der USA gewählt haben. Weil in Europa wieder reihenweise Rechtsautoritäre und Faschos in Parlamente einziehen und "Mitte"-Personal sich zu ebendiesen mausert. Weil sich in Deutschland die gesamte Regierung von der AfD zu Aushilfs-AfDlern hat machen lassen, im Glauben, Rechte mit rechten Positionen bekämpfen zu können. Weil Geld überall dort fehlt, wo es dringend gebraucht wird, und überall dort in Massen vorhanden ist, wo es verwendet wird, um noch mehr Geld draus zu machen. Weil Bildungssysteme zerschlagen werden. Weil das Gesundheitssystem kaputt ist. Weil das Sozialsystem im Arsch ist. Weil Superreiche Massenmedien kontrollieren. Weil niemand in Machtpositionen einen echten Fick auf die Klimakrise gibt. Weil "Zeitenwende" ist und deshalb völlig im Militarisierungswahnsinn abgeschmierte (Ex-)Regierungsmitglieder wie Bettina Stark-Watzinger (FDP) oder Boris Pistorius (SPD) zur Verteidigung des Kapitals sogar Kinder "kriegstüchtig" machen wollen. Weil "die Mitte der Gesellschaft" zu blöd ist, einzusehen, dass die gegenwärtigen Krisen nix mit Gendergaga, "irregulärer Einwanderung" und "Kommunismus" zu tun haben, sondern mit einer kapitalistischen Hegemonie, die zwangsläufig in die Barbarei führt. Uff.
Und dann scheitert die Ampel-Regierung auch noch aus dem neoliberalsten aller Gründe: weil ein narzisstischer Eames-Chair-Reservist und Finanzminister größenwahnsinnig wurde und glaubte, seine Kleinstpartei bei der Bundestagswahl 2025 vor dem totalen Bedeutungsverlust retten zu können, wenn er die Koalition sprengt und – eine wie auch immer zurechtgeschwurbelte – Integrität beweise. Die verquollenen, roten Äuglein des Unglaubens, die Christian Linder hatte, als er am Abend seines Rausschmisses der Presse vorjammerte, wie Olaf Scholz ihn "brüsk" abserviert habe, werden mich bestimmt noch ein paar Wochen durch diese ätzenden Zeiten tragen.
Faschistische Schübe sind historisch immer gleich
Ansonsten gibt es in der globalen Fascho-Pandemie wirklich nur private Gründe zur Freude. Denn es sieht einfach so aus, als ob sich niemals etwas daran ändern werde, dass die Bösen immer gewinnen. Ausführungen darüber, was denn mit "böse" genau gemeint sei, spare ich mir. Auf dieses bescheuerte Spielchen mit Rechten, die sich zu Opfern stilisieren, darf man sich vor allem in Deutschland unter keinen Umständen mehr einlassen. Dieses Spielchen ist Teil eines faschistischen Schubes, der historisch immer gleich verläuft: Menschen erleben Krisenzeiten (aktuell multiple Wirtschafts-, Umwelt-, Migrations- und Sozialkrisen plus Kriege), projizieren ihre Unzufriedenheit auf Minderheiten und Marginalisierte (Flüchtlinge, Juden, Ausländer, Arbeitslose, Frauen, LGBTQs, "Woke", Linke, Klimaaktivisten), dann lassen sie sich von rechten Hetzern und Medien in ihren Projektionen bestätigen und jazzen sich an Sündenböcken hoch. Die darauffolgende Militarisierung und Pogromgeilheit wird kognitiv gecopt durch obligatorische Täter-Opfer-Umkehr und Spiegelpropaganda (anderen das vorwerfen, was man tut oder gerne tun will). Am Ende wird im guten Gewissen, sich – wie gesagt – aus "Notwehr" ja "bloß verteidigt" zu haben, nach unten getreten oder sogar getötet.
Ach ja, und neben der ganzen weltlichen Scheiße und einem orangenen Mann, der Zugriff auf Atomwaffen hat und behauptet, dass Migrantinnen und Migranten Katzen und Hunde essen, sitzt in Rom auch im Jahre des Herrn 2024 noch immer ein sprichwörtlich alter weißer Mann auf einem angeblich heiligen Stuhl, um geistliche Scheiße zu produzieren, haha. Für den Fall, dass Sie's nicht wussten: Gott wurde vor ein paar Monaten auf der Weltsynode im Vatikan mal wieder angerufen und gefragt, ob Frauen doch vielleicht Priesterinnen werden könnten. Leiderpopeider hat Gott auch diesmal wieder "Computer says no" gesagt, weil Frauen eben von Natur aus dem "marianischen Prinzip" (Sekretärinnensachen) entsprächen und nicht dem "petrinischen Prinzip" (Chefsachen). Hätt' man wissen können. Aber gut, dass der Papst nochmal nachgefragt hat beim Mann im Mond.
Und weil wir's grad' von Frauen und Männern haben: In Trumpistan heißt es jetzt ganz selbstbewusst "Your body, my choice", weil sich Incels und Coomer (bitte selbst googeln, ich kann nicht alles immer erklären, Leute) in ihrer Manosphere darin bestätigt fühlen, dass Frauen nicht selbständig über ihre Körper zu entscheiden hätten. Das wird auch Auswirkungen auf Europa und besonders Deutschland haben – das Land, in dem mittlerweile fast jeden Tag ein Femizid begangen wird. Vor zwei Wochen war ich auf dem Stuttgarter Erwin-Schoettle-Platz bei einer Gedenkveranstaltung, weil ums Eck die Wirtin einer Kneipe mutmaßlich von ihrem Partner ermordet und in eine Wand eingemauert wurde. Luminita ist ihr Name. Hat bis auf rund 100 Feministinnen und ihre männlichen Freunde niemanden interessiert. Der kleine Demozug zu der Kneipe im Stadtteil Heslach, in deren Hinterhaus Luminita von einem Leichenspürhund im Hohlraum einer Wand gefunden wurde, bekam keine Beachtung in der hiesigen Zeitung. Dafür war sich ein Mann von der "Stuttgarter Zeitung" aber nicht zu Schade, die Nachbarschaft der Kneipe in bester "Bild"-Manier abzuklappern, um das alte Arbeiterviertel, in dem der Mord geschah, als eines darzustellen, in dem sich "viele" nachts "nicht mehr auf die Straße" trauten. Kompletter Bullshit.
Zum Glück ist in Deutschland jetzt erst mal wieder Wahlkampf. Dank der vorgezogenen Bundestagswahlen im Februar 2025 kann es jetzt sogar noch ein bisschen früher als geplant beschissener werden. Braucht sich ja niemand mehr einzubilden, dass die AfD in absehbarer Zeit schwächer werden wird, wenn man sich angeblich nicht einmal mehr in Heslach sicher fühlen kann. Also her mit der Demokratie und Neuwahlen! Was soll schon schiefgehen, wenn German Frustwut wieder reinscheppert und sich der minderbemittelte Teil der Welt auch in Deutschland wieder nach rechtsautoritärer Führung sehnt? Was soll schon schiefgehen, wenn eine lesbische Rechtsradikale Bundeskanzlerin wird? War doch voll süß, wie sie bei einer Veranstaltung in Zürich vor drei Wochen ihrer sri-lankischen Lebensgefährtin im Publikum "Sarah, ich liebe dich!" zugerufen hat. Was soll schiefgehen, wenn ein sexistischer Christdemokrat, der genauso abschiebegeil ist wie die rechtsradikale Lesbe, Bundeskanzler wird? Was soll schiefgehen, wenn alles so bleibt wie's ist, und ein kartoffelköpfiger Wirtschaftsapparatschik weiter in den Chefsessel furzt, der auch mal gerne Foltermethoden in Deutschland einführt. (What?)
Das Leben: kein Ponyhof
Jaja, schon klar, LOL, ALLES wird schiefgehen! Zum Glück gibt es ja noch einen verschmusten grünen Kinderbuchautor mit Romcom-Qualitäten, puh! Der will Menschen zwar genauso wie die CDU, die SPD und die AfD in Kriegsgebiete abschieben – aber immerhin mit Herz, wie der neue Parteivorsitzende der Grünen, Felix Banaszak, vor ein paar Tagen im verschmusten Softschwanzduktus im "Heute Journal" nahelegte: "Ein Land, das seine Grenzen nicht schützt, ein Europa, das seine Grenzen nicht schützt, wird seiner Verantwortung nicht gerecht." Ehrensache, dass Geflüchtete "mit Potential" dafür nicht an den Grenzen erschossen werden. Denn die brauche Deutschland ja, weil sie "unsere Eltern in den Heimen pflegen".
Die nicht ironische Wahrheit ist: Egal was für eine Regierung Deutschland im kommenden Februar wählen wird, es wird eine sein, die Grenzschutz vor den Schutz von Menschen stellt. Naja, immerhin hört dann wenigstens das dumme Geschwätz von den "Linksgrünen" auf.
Was für eine Zeit, um am Leben zu sein, oder? Auch geil, dass selbst der Asteroid, der vergangenes Wochenende mit etwa 47.000 Stundenkilometern auf die Erde zuraste, keinen Bock hatte auf diesem gottverdammte Planeten einzuschlagen. Verdient hätte es die Menschheit allemal. Aber schon folgerichtig, dass am Montag wieder alle gut gelaunt und leistungsbereit auf der Lohnarbeit erscheinen mussten, um die "Extrameile" zu gehen, den Gürtel enger zu schnallen, um sich noch mehr ausbeuten zu lassen, damit wir gemeinsam zwar nicht uns und unsere Mitmenschen, aber unsere Wirtschaft retten. Aua. Aua. Aua. Verdient hätten wir's, die Dinos zu machen: ein Blitz im All. Vakuumzerfall.
Aber dann fiel mir wieder ein, dass die Welt nicht erst seit gestern im Arsch ist. Dass das Leben kein Ponyhof, sondern ein Saustall ist. Oink, oink. Und dass die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft schlichtweg die größte Herausforderung unserer Zeit ist und sich sehr wahrscheinlich auch nicht im Laufe meines Lebens bewerkstelligen lässt. Doch an der Welt zu verzweifeln und den Kopf in den Sand zu stecken, kann keine dauerhafte Option sein. Denn das Leben ist an sich ja ziemlich geil. Ungeil ist es, weil Menschen aufgrund ökonomischer Zwänge dazu verdammt sind, um die besten Plätze am Futtertrog zu kämpfen. Aber wo steht geschrieben, dass das für immer so sein muss? Wo stand geschrieben, dass die 40-Stunden-Woche niemals eingeführt werden kann? Wo stand geschrieben, dass Frauen niemals wählen gehen werden können? Wo stand geschrieben, dass "Rassengesetze" nicht abgeschafft werden können? Wo stand geschrieben, dass Bildung niemals kostenlos sein kann? Richtig. Nirgendwo. Niemals. Genauso wenig steht irgendwo geschrieben, dass all der Scheißdreck, den das patriarchal-kapitalistische Gesellschaftssystem tagtäglich hochwürgt, über der Welt auskotzt, wieder frisst und wieder auskotzt, auf ewig Normalität sein wird.
Zur Analyse des gegenwärtigen frustrierenden Zustands der Welt gehört die rationale Einsicht, dass auch eine feudale Kuchenfresserin wie Marie-Antoinette einmal dachte, für immer schlechte Witzchen über ihr Fußvolk machen zu können, das sich kein Brot mehr leisten konnte. Eine Guillotine später dachte sie das nicht mehr.
8 Kommentare verfügbar
Rainer Rau
vor 2 WochenSpaß beiseite - ich weiß genau, wer Gott ist:
Wenn man sich etwas dringend wünscht oder dringend braucht, dauernd auf den Knien betet, die Gebote befolgt, sein ganzes Vermögen spendet, sich zum besten aller Menschen entwickelt, dann…