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Elon Musk

Green Deal am Arsch

Elon Musk: Green Deal am Arsch
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Sind wir eigentlich schon auf dem Mars? Vor nicht allzu langer Zeit war Elon Musk der große Hoffnungsträger des "grünen Kapitalismus". Sein individueller Wahnsinn entlarvt den systemischen.

Haha, wissen Sie noch? Als Elon Musk der Visionär schlechthin war und für einen ernstzunehmenden Pionier gehalten wurde, der den Kapitalismus umweltfreundlich macht und die Menschheit auf den Mars bringt? Als uns Winfried Kretschmann (Grüne), Angela Merkel (damals Bundeskanzlerin, CDU), Robert Habeck (Grüne) oder Peter Altmaier (damals Bundeswirtschaftsminister, CDU) und zahlreiche andere Politiker:innen weismachen wollten, dass Musk und seine unterhaltsamen Reden von Zukunftstechnologien für die wirtschaftliche und ökologische Zukunft Deutschlands wie auch der ganzen Welt von großer Bedeutung wären. Die deutsche Regierung war on fire, förderte die Entwicklung von Elektroautos und sah in Tesla – gerade wegen der Konkurrenz zur deutschen E-Auto-Entwicklung – einen starken Partner, um die Wirtschaft anzukurbeln. Zwischen 2019 und 2021 herrschte breiter Konsens darüber, dass Messias Musk dabei helfen könne, Klimaziele zu erreichen und Arbeitsplätze zu schaffen. Der "Green New Deal" schien perfekt.

Jetzt leben wir im Jahr 2024. Die Deutschen haben die Energiewende verpennt. Die deutsche Wirtschaft kackt ab. VW hat im September die Aufkündigung der seit 1994 gültigen "Beschäftigungsgarantie" bekanntgegeben, um nächstes Jahr bis zu 120.000 Angestellte wegzurationalisieren. Die Aktienkurse aller deutschen Autohersteller zeigen Fahrtrichtung abwärts. Und die Ziele des Pariser Klimaabkommens sind, wenn überhaupt, nur noch mit E-Autos und Photovoltaikanlagen aus China zu erreichen. Doch statt das Klima mit den besten Produkten, die der Markt hergibt, zu retten, muss die heimische Wirtschaft auf einmal vor der unsichtbaren Hand des Wettbewerbs beschützt werden: Nach über 47 Prozent Zöllen auf chinesische Solaranlagen jetzt auch noch über 35 Prozent "Schutzzoll" auf chinesische E-Autos, weil die Konkurrenz das Geschäft so sehr belebt hat, dass Deutschland bis heute keine wettbewerbsfähige E-Auto- und Solarindustrie auf die Kette gekriegt hat. Also wird überlegt, ob der Verbrenner vielleicht doch noch eine Zukunft hat, obwohl mittlerweile jedes Kind weiß, dass dem Opa sein alter Mercedes 190E der Umwelt Aua macht. Ah ja: Außerdem ist Elon Musk ein rechtsautoritärer Incel geworden ("Involuntary Celibates": unfreiwillig enthaltsame, meist junge Männer, die ihre Frustration über persönliche Misserfolge und soziale Zurückweisung in Hass auf Frauen und feministische Bewegungen umwandeln). Wow. Wie konnte das denn nun wieder passieren?

Ebenso entlarvend: der Hype um den Klimamessias

Naja. Dass Musk schon lange irre ist, ist nun wirklich keine Neuigkeit. Das Lustige ist vielmehr, wie gut man am peinlichen Hype um den Klimamessias beobachten kann, wie strunzdumm und verlogen die ganze Scheiße mit dem "grünen Kapitalismus" ist. Denn faktisch sieht's im Westen aktuell einfach so aus, dass Regierungen mit völlig absurdem Protektionismus gegen China und falschen Reindustrialisierungsversprechen an die eigenen Leute versuchen, die Schuld an der vergurkten Klimawende aufs Individuum abzuwälzen. "Nachhaltigkeit", "CO2-Fußabdruck" und "klimafreundlich" sind zu den mit Abstand ätzendsten Marketing-Wörtern der vergangenen Jahre für jeden nur erdenklichen Quatsch geworden. Während sich die Rhetorik grün färbt, werden der Natur heute weltweit drei Mal so viele Rohstoffe entnommen wie 1970.

Die Tragödie des "grünen Kapitalismus" ist dem Unwillen geschuldet, die Realität anzuerkennen. Technologischer Fortschritt kann die Klimakrise nicht lösen. Da helfen auch keine Hirnfürze milliardenschwerer Tech-Gurus aus einem von neoreaktionären Spinnern durchsetzten Silicon Valley, in dem Investoren und CEOs glauben, dass ein CEO die Weltherrschaft übernehmen müsse, weil diktatorisch geführte Start-up-Unternehmen am besten funktionierten. Doch der Kapitalismus darf und kann ums Verrecken nicht in Frage gestellt werden. Sonst wären Regierungsbeamte und andere Verwalter des Missstandes ihre Jobs los, und die reichsten Männer der Welt müssten einen Teil ihres Vermögens vielleicht dazu einsetzen, Hungersnöte zu beenden. Wer kann sowas Perverses nur wollen? Bevor es so weit kommt, macht Hoffnungsträger Musk lieber Wahlkampf für Donald Trump (obwohl es auch mit der marktkonformen Demokratin Kamala Harris nicht so weit käme).

Das Versprechen, im bestehenden System eine Welt zu schaffen, die durch saubere Energie, fortschrittliche Technologien und die Besiedlung anderer Planeten in eine glänzende Zukunft steuert, ist und war schon immer kompletter Bullshit. Und ja, es ist auch eine Menge Neid dabei: Trotz aller Agitationsbemühungen konnte keine linke Analyse in der Menschheitsgeschichte die Schnapsidee vom nachhaltigen Kapitalismus so brutal diskreditieren wie der Werdegang von Elon Musk.

Absurditäten, Kränkungen und Selbstlügen

Während die neoliberale Ökonomiesekte weiter den freien Wettbewerb predigt, ist die leidige Frage der "Schutzzölle" für chinesische E-Autos und Solaranlagen aktuell der beste Beweis für die schreiende Hilflosigkeit, mit der der Westen mit allen Mitteln versucht, Kontrolle über etwas zurückzubekommen, das längst außer Kontrolle geraten ist. Dabei ist die Ironie doch die, dass die Chinesen den Kapitalismus mittlerweile einfach viel besser draufhaben als irgendwelche Ursula von der Leyens, die sich einbilden, China mit Zöllen bedrohen zu können, um europäische E-Auto-Hersteller vor "unfairen" Wettbewerbsbedingungen zu schützen. Weil die gewieften Chinesen ihre Autohersteller nämlich subventionieren! Jaja, genau. So wie der Westen, aber eben wirkungsvoller. Grrrr, China! Es ist so absurd.

Und da wären wir dann bei der narzisstischen Kränkung, die der Westen, die Deutschen und Elon Musk gemein haben: Sie sind im Grunde Existenzen, die gerade abgehängt werden und ihre kognitiven Dissonanzen in Wahnvorstellungen auflösen. Der grüne Deal ist geplatzt. Die Selbstlüge wurde von der Realität überführt. Der eine kam nicht ins Berghain rein. Die anderen konnten ihrer lohnabhängigen Bevölkerung nicht mehr glaubhaft vermitteln, dass künstliche Verteuerung, persönlicher Verzicht und Jobverluste dem Klimaschutz dienen.

Dabei hätte theoretisch echt geiler Scheiß aus Elon Musks Hirnsuppe werden können! Wo ist mein "Hyperloop" – das solarbetriebene Hochgeschwindigkeitsverkehrssystem, das mich mit 1.200 km/h durch eine Vakuumröhre schießt? Hä? Wann ist denn eigentlich Mars-Besiedlung? Ich hatte mich so darauf gefreut, dass sich die ganzen Superreichen nicht nur in U-Boote zur Titanic setzen! Wo ist denn die Flotte aus einer Million "Robotaxis", mit denen ich mich ohne Fahrer besoffen heimfahren lassen kann? Wäre tausend Mal schlauer von Regierungen gewesen, auf diese Projekte zu setzen! Aber die hätten ja dann vielleicht sogar dem Gemeinwohl geholfen und nicht einzelnen Vermögenden, die neben der Mercedes G-Klasse für die Stadt noch eine Elektrolimousine für ihren gefühlten CO2-Fußabdruck brauchen.

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