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Kommunalwahl Stuttgart

Faster! Harder! CDU!

Kommunalwahl Stuttgart: Faster! Harder! CDU!
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Rette sich, wer kann – das CDU-Partysquad greift an: Der maximal cringe Gemeinderatswahlkampf der Stuttgarter CDU zwischen Halligalli-Party und rechter Propaganda.

Uff, gerade ist wirklich nicht die beste Zeit, um Augen zu haben: Kaum einen Schritt aus dem Haus brennen sich massenweise CDU-Wahlplakate auf die eh schon pollengestressten Glotzbebbel. "Integration hat Grenzen. Zuwanderung steuern & ordnen" hier, "Gesunder Menschenverstand statt Grün-Linker Bevormundung" da. "Stuttgart, lass dir das Auto nicht verbieten!" überall. Jesses! Dass gefühlt bislang wenig AfD-Plakate zu den anstehenden Kommunalwahlen in Stuttgart hängen, fällt überhaupt nicht auf. Längst hat die CDU bundesweit die Parolen der Rechtsextremen übernommen und schreibt sie sich jetzt auch selbstbewusst auf die lokalen Fahnen. Das ist bekanntlich Trick 17 der deutschen "Brandmauer gegen rechts": Rechtsextreme bekämpfen, indem Parteien ihre Parolen übernehmen. Super Idee. Fast so genial, wie Rechtsextreme zu "entzaubern", indem man ihnen stundenlange Sprechzeiten im Fernsehen einräumt oder sie inklusive Covershooting für Springer-Medien interviewt. Genial. Vielleicht kommen Markus Lanz oder Richard David Precht ja noch darauf, dass man Rechtsextreme loswird, indem man ihnen Regierungsbeteiligung gibt. Die CDU hat das Game gegen rechts jedenfalls ausgedribbelt und auch in Stuttgart dafür gesorgt, dass die AfD überhaupt keine Plakate mehr aufzuhängen braucht.

Die Stadt ist voll mit Sprüchen für rechte Boomer, die sich für die mit dem "gesunden Menschenverstand" halten, obwohl ihre Welt einfach ein paranoides Gagaland ist, in dem sie an jeder Ecke ihre Existenz von einer bolschewoken Meinungsdiktatur bedroht sehen. Da reicht es als Anlass für Wahnvorstellungen schon, wenn neben dem Fruchtsaftgetränk "Durstlöscher" auch eine Regenbogen-Edition namens "Durstlöscher:in" im Supermarktregal steht.

Es ist schon bizarr: Da beschmutzt die CDU die ganze Stadt mit rechtem Dreck – während sie doch eigentlich [Hupen-Geräuch aus "We Like to Party!" von den Vengaboys fading in the back] die STUTTGARTER PARTYPARTEI ist! Ja, wirklich! WHOOP, WHOOP, THE CDU-PARTYBUS IS COMING! Das CDU-Partysquad feiert die crazylocoverrücktesten Sausen der Stadt! Seit vielen Jahren zelebrieren stadtbekannte CDUler und CDUlerinnen und ihre Supporter:innen regelmäßig öffentlichkeitswirksam Heiligeili-Partys und lassen sich dabei von Uwe Bogen in der "Stuttgarter Zeitung" abfeiern.

Zieh die Schweinemaske auf

Erinnern Sie sich noch an diesen "mystischen" Maskenball auf Schloss Solitude letztes Jahr? Das "Schwäbische Eyes Wide Shut"? Wo Schönheits-Chirurgen ihre Instagram-Beautyfilter auf zwei Beinen übers Parkett führten, städtische Mode-Ikonen mit "Nirvana"-Shirt auf gelangweilte Killesberg-Hausfrauen trafen und sich Volksfest-VIPs mit Oberbürgermeistergattin Gudrun Nopper, ihrem Sohn Carl Alexander und der Witwe von Gerhard Mayer-Vorfelder fotografieren ließen. Auch dieses Jahr steppte auf Schloss Solitude wieder der CDU-Partybär mit glitzernden Masken! Diesmal sogar mit kinky Fetisch-Anleihen: Den ganzen Abend sorgte ein Event-Team in Lack- und Lederoutfits samt Schweinemaske für verruchte KitKatClub-Vibes für Menschen, die gerne einen auf kinky machen, aber sich – wie CDU-Oberbürgermeister Frank Nopper und CDU-Fraktionschef Alexander Kotz – "vehement" gegen die städtische Förderung eines Porno-Festivals aussprechen.

Derweil demonstrieren CDU-Partysquad-Veteranen wie Florian "Mister Big" Gauder Stuttgart seit Jahren, wie Law-and-Order-Fans die Sau rauslassen: Der Bauunternehmer, Sauf-Spiele-Erfinder ("Schluck, du Luder") und "Bussi-Bussi-Baron" aus Degerloch ist der crazylocoverrückteste Christdemokrat der Stadt. Wenn Gauder nicht gerade auf Listenplatz 25 für einen Platz der CDU im Gemeinderat kandidiert, dann lässt er sich nämlich von – surprise, surprise – Uwe Bogen in den StZN als frecher Partyhengst inszenieren. Egal ob er mit 10.000 gesammelten "Bussis" beim Aschermittwoch ins Guinessbuch der Rekorde will, beim Stuttgarter Griechen "Cavos" in Tarnklamotten seine Klopapierkanone auspackt oder in einem Weihnachtsmann-Mankini zusammen mit seinem Freund und Super-Prepper Oliver Hornung vor dem Rathaus eine Facebook-Wette einlöst: Uwe Bogen ist immer am Start, um seinen gäggigen Kumpel als edgy Stuttgarter Unternehmer-Vogel zu bewerben. Gauders Signature-Move: Auf jedem Bild streckt er keck die Zunge beim Gewinnergrinsen aus dem Mundwinkel, um maximale Partystimmung auszustrahlen. "Vote me" steht auf einem der lebensgroßen Pappaufsteller, die Gauder mit Signature-Zunge und Gewinnerpose von sich hat anfertigen lassen und stolz in den Sozialen Medien zeigt.

Solitude ist nur einmal im Jahr

Auch der Unternehmensberater und Event-Veranstalter Marc Wenger lässt die CDU-Partykuh oft und gerne fliegen: Wie Gauder hing er beide Jahre bei der Masken-Sause auf Schloss Solitude rum, fotografierte sich eifrig mit allerei Wasen-Prominenz und ließ sich von Uwe Bogen für die Lokalzeitung den Hof machen. Wenn Wenger irgendwo ein Auto- oder Dirndl-Event veranstaltet, hat Bogen selbstverständlich auch darüber am nächsten Tag in der StZN berichtet. Und wenn Wenger sich nicht gerade als Superunternehmer oder Faschingskasper, der mit dem OB per Du ist, in den Sozialen Medien oder der Lokalzeitung präsentiert, dann unterstützt er zum Beispiel den ehemaligen Weissacher CDU-Bürgermeister im Wahlkampf für das Amt des Bürgermeisters in Esslingen mit einem Werbe-Interview in seinem Porsche oder verkündet auf Facebook, Sponsor-Partner bei Florian Gauders Saufparty-Event auf dem Cannstatter Wasen zu sein. Man kennt sich im CDU-Partysquad. Sponsert hier. Netzwerkt da. Immer funny, immer happy, good vibes only. Party hard!

Zwischendurch ein bisschen Wandkalender-Poesie auf Facebook: "Die wahre Aufgabe eines Menschen ist es, zu leben, nicht nur zu existieren. Jeder sollte seine Tage nicht dazu verschwenden, sie zu verlängern. NUTZE DEN TAG." Und am Ende des Tages wird dann wieder gemeinsam auf ersaufende Menschen im Mittelmeer geschissen, Flüchtlingen in Stuttgart der Basketballkorb vor dem Heim nicht gegönnt, sich gemeinsam gegen die "linksgrüne Meinungsdiktatur" eingeschworen und Rechtsradikalen die Talkingpoints geklaut. So geht Party in der CDU.

Das weiß Alexander Kotz, Listenplatz 1 für die Stuttgarter Gemeinderatswahl, am besten. Bei Gauders Wahlparty gab's nicht nur Unterstützung von beiden Nopperbuben, die mit Gauder-Merchandise Gaudi für Social Media machten. Auch Partyboy Kotz drehte richtig auf und tanzte crazylocoverrückt mit Gauder in einem Instagram-Video, um die Partycredibility der CDU auf Endstufe zu drehen. Haha, es ist so unfassbar absurd: Am nächsten Tag sitzt er dann wieder im Gemeinderat und echauffiert sich mit den anderen CDU-Partyanimals über "Gendergaga" und Tampons auf dem Männerklo im Rathaus. Denn wenn's um Party geht, stülpt sich der Konservative an sich bekanntlich gerne mal ein paar deviante Lebensformen über, verkleidet sich als Partyhäschen oder beim Fasching als "Zigeuner", um sich nach außen hin liberal und weltoffen zu geben. Geht's jedoch darum, diese Lebensformen und marginalisierte Existenzen außerhalb der Exotisierung auf Partys ernst zu nehmen, spricht er von "grün-linker Bevormundung".

"Grausig, grausig, was können wir da tun?", sagte OB Frank Nopper einmal in einer Reportage in der "FAZ". Für die hat er sich von einem Reporter und ein paar Polizisten bei einem nächtlichen Rundgang durch Stuttgart begleiten lassen und so zum ersten Mal festgestellt, dass es in seiner Stadt doch tatsächlich Menschen gibt, die im Schmutz unter freiem Himmel schlafen müssen. Was wir da tun können? Weniger Party bringt natürlich nichts. Aber nicht die CDU und andere Rechte zu wählen, wäre mal ein Anfang.

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