Damit in die Jetzt-Zeit und den Jetzt-Ort. Die Preisverleiher haben den Journalisten, Buchautor, Dokumentarfilmer und Freund Hermann Abmayr als Preisträger ausgewählt. Eine gute Wahl zur richtigen Zeit.
Wer wachen Auges in die Welt schaut, sieht, dass die Pressefreiheit weltweit oft nur noch eine Schimäre ist. Jüngstes Beispiel: die BBC und Donald Trump. Der US-Präsident droht damit, die öffentlich-rechtliche Anstalt auf eine Milliarde Dollar zu verklagen wegen eines Zusammenschnitts einer Rede von ihm, die er 2021 vor dem Sturm auf das US-Kapitol gehalten hat. Handwerklich ist das scharf zu kritisieren, aber darum geht es dem Autokraten nicht. Es geht ihm darum, eine Institution des unabhängigen Journalismus' zu zerstören.
Und vor unserer Haustür? Wächst ein Monopol heran, das so noch nie dagewesen ist: die Neue Pressegesellschaft Ulm (NPG), die Herausgeberin der "Südwest Presse". 20 Zeitungstitel hat sie bereits in ihrem Portfolio, jetzt kommen noch die "Stuttgarter Zeitung", die "Stuttgarter Nachrichten", die "Eßlinger Zeitung", die "Böblinger Kreiszeitung" und der "Schwarzwälder Bote" dazu. Damit decken die Ulmer zwei Drittel von Baden-Württemberg ab. Die Politik schweigt, die Zivilgesellschaft zuckt mit den Achseln, bei mir verfestigt sich der Eindruck, dass das niemanden mehr juckt.
Und was lehren uns die Regeln der kapitalistischen Wirtschaft? Das Monopol ist der Feind der Freiheit. Es neigt zur Dominanz, Beherrschung, zum Machtmissbrauch. In Abwandlung einer legendären Sentenz eines Verlegers, der meinte, Pressefreiheit sei die Freiheit von ein paar reichen Leuten, ihre Meinung durchzusetzen, eröffnet das NPG-Monopol ein weites Feld. Die Freiheit zu gehen liegt dann nicht mehr im Ermessen der Beschäftigten. Aber versprochen wird "erstklassiger Journalismus".
Abmayr sei ein Kommunist, sagt der Chefredakteur
Und damit bin ich bei Hermann Abmayr. Geboren 1955, aufgewachsen in der kleinen Stadt Günzburg, Vater Tierarzt und Leiter des Schlachthofs, Mitglied im Bayerischen Senat, Sohn renitent, Schülersprecher, Druckerlehre, Sympathie für die Hausbesetzerszene, Menschenkette, Wackersdorf, das übliche Programm für irgendwie links. Auch in Bayern.
Es begab sich im Jahr 1980. Das aufgeweckte Kerlchen Hermann bekam ein Volontariat bei den "Stuttgarter Nachrichten", war vielseitig einsetzbar, wissbegierig und talentiert, bis ihn ein Brief des Chefredakteurs Jürgen Offenbach erreichte. Jener teilte ihm mit, er habe aus "verlässlicher Quelle" erfahren, dass er, Abmayr, seit mehreren Jahren "als Kommunist tätig" sei, "in aktiver Form", und deshalb zu kündigen sei. Wegen Verstoßes gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO).
Abmayr prüfte sich und fand nichts Belastbares. Franz-Josef Degenhardt kam ihm in den Sinn, die Befragung eines Kriegsdienstverweigerers: "Sie berufen sich hier pausenlos aufs Grundgesetz. Sagen Sie mal, sind Sie eigentlich Kommunist?". Und er erinnerte sich daran, dass Christof Wackernagel, der Ex-Terrorist von der RAF, in der "Nudelfabrik" übernachtet hatte. Dort, in der ersten Stuttgarter Baugemeinschaft, sittlich weit entfernt von Dulks Kommune, hat Abmayr gewohnt. Zusammen mit weiterem linken Volk wie dem Steuerberater Johannes Rauschenberger, der seit bald 15 Jahren Finanzvorstand bei Kontext ist.
Später sollte sich herausstellen, dass die verlässliche Quelle der Präsident des baden-württembergischen Verfassungsschutzes war, der selbstverständlich nicht in den Zeugenstand zu rufen und somit für einen Arbeitsgerichtsprozess nicht zu verwenden war. Am Ende stand ein Vergleich und eine ordentliche Abfindung als Startgeld für den freien Journalisten Abmayr. Der war er bei der IG Metall unter Franz Steinkühler, wohl auch eine prägende Zeit, in der man noch von der Arbeiterklasse sprechen durfte, Arbeitnehmer nicht mit Arbeitgebern verwechselt hat, wer gibt und nimmt hier eigentlich?
Ein Arbeitsfeld von Schlecker bis Mengele
Schauen wir auf das Lebenswerk und nehmen ein paar Stücke heraus: Die Schlecker-Frauen, erschienen in Kontext, ausgezeichnet mit dem Willi-Bleicher-Preis, die Leiharbeiter bei Daimler, die Vertragsarbeiter in der DDR, die arbeitende Klasse in China – da brauchte es die Frage nicht: Wo stehst du? Dasselbe gilt für seine zahlreichen Arbeiten zu Stuttgart 21, die Titel sagen es schon: "Showdown am Bahnhof – Stuttgart 21 und der Schwarze Donnerstag", "Stuttgart steht auf", "Die Methode Bahn – Preise rauf, Angebote runter". Nicht zu vergessen seine Recherchen zum Radikalenerlass, die in einer ARD-Dokumentation ("Jagd auf Verfassungsfeinde") gipfelten, ausgestrahlt bundesweit.
Und dann, natürlich, Nazi-Deutschland. Das von ihm herausgegebene Buch "Stuttgarter NS-Täter", unter ihnen Ferdinand Porsche, zwingt die Firma zur neuen Aufarbeitung ihrer braunen Geschichte, den Gewerkschaftsführer und Widerstandskämpfer Willi Bleicher holt Abmayr aus dem Vergessen.
Aufsehenerregend der Scoop mit Josef Mengele. Leitender Arzt im Vernichtungslager Auschwitz, Massenmörder im Medizinergewand, meistgesuchter Kriegsverbrecher, geboren und aufgewachsen in Günzburg, wo die Familie die alles beherrschende Landmaschinenfabrik führte.
Der Günzburger Abmayr wusste also, mit wem er es zu tun hatte. In der Schule hat er noch erlebt, wie sich Kinder bei den Mengeles entschuldigen mussten, wenn sie wissen wollten, wer Josef Mengele war. Und die Familie war es auch, die den "Todesengel von Auschwitz" nach seiner Flucht nach Südamerika finanzierte und schützte. Noch Jahre nach seinem Tod. Daraus entstand der Film "Gesucht wird … Josef Mengele". Ausgezeichnet mit dem Grimme-Preis.
Alles Beiträge, die Bestand haben, weil sie mit Sinn und Verstand gemacht sind. Nicht wie heute üblich: schnell, skandalös, voll auf den Bauch gezielt, damit Quoten und Klickzahlen in die Höhe schießen. Abmayr tickt anders. Es ist das Gründliche, das Graben und Sagen, was ist, egal ob ein Film, ein Buch, ein Zeitungstext oder ein Radiobeitrag danach verlangt. Es erfordert Mut und Charakter, sich im Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden, und – frei nach Tucholsky – laut Nein zu sagen. Es braucht Stehvermögen.
Hermann liebt Haltung. Er hat ein Herz für die "kleinen Leute", was man als Soziologe eigentlich nicht sagen darf wegen Diskriminierungsgefahr. Armutsgefährdet klingt besser.
Aber ich bleibe dabei – und könnte Hermann Abmayr auch einen "schwäbischen Wallraff" nennen, der weiß, wo oben ist und wo unten und wer seine Stimme braucht. Der große Günter hätte sicher nichts dagegen. Das ist Journalismus und irgendwo auch Dulk. Das möge er sich bewahren.
Der Text ist die gekürzte Festrede zum Albert-Dulk Preis, der vom Untertürkheimer Kulturhaus- und Bürgerverein und den Naturfreunden verliehen wird. Vor Hermann Abmayr hat ihn der Kabarettist, Koordinator des Stuttgarter Bürgerprojekts Die AnStifter und Kontext-Kolumnist Peter Grohmann erhalten.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!