Landes-DGB-Chef Kai Burmeister behauptete, das Bündnis hätte in einem Jahr viel erreicht. Tatsächlich? Frage an Laura Streitbürger von der AWO, die für die Liga der Wohlfahrtsverbände im Lenkungskreis des Landesbündnisses sitzt: Warum hat man ein Jahr lang nichts von dem Bündnis mitbekommen? Sie lächelt so halbfroh. "Wir haben uns frühzeitig zu sehr in Strukturfragen verzettelt. Besser wäre gewesen, einfach zu machen."
Politische Bündnisarbeit ist mühsam: Jede Organisation will berücksichtigt sein, Weltanschauungen gehen auseinander, es gibt Eitelkeiten, Zauderer, Kleinkrämer, Ungeduldige, Schlafmützen. In einem Bündnis mit 140 Mitgliedsorganisationen dürfte vieles noch viel schwieriger sein. Die Selbstverständniserklärung des Bündnisses ist so offen angelegt, dass letztlich jeder dazu "Ja" sagen kann. "Wir stellen uns gemeinsam gegen jegliche Form von Extremismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Menschenfeindlichkeit und verteidigen die Grundwerte unserer Demokratie. (…) Wir erheben gemeinsam unsere Stimme gegen Verfassungsfeinde", heißt es unter anderem. Die Partei AfD wird nicht genannt, stattdessen heißt es stets Rechtsextremismus. Die Offenheit – wer ist schon gegen Demokratie? – ermöglicht es konservativen, bürgerlichen Parteien und Organisationen beizutreten. So sind CDU, FDP, Arbeitgeberorganisationen dabei und müssen nicht befürchten, explizit linken Gruppen, gar organisierten Antifaschistisch:innen zu begegnen, die sich – der Mitgliederliste nach zu urteilen – dem Bündnis nicht angeschlossen haben.
Diese Offenheit setzt dem Bündnis allerdings politisch sehr enge Grenzen. Das war auch den Reden anzumerken, die über allgemeines kaum hinausgingen, geschweige denn Überlegungen anstellten, warum die AfD Zuspruch findet und ob das eventuell mit der Politik der vergangenen Jahre zusammenhängen könnte. Lieber nicht, da könnte ansonsten irgendein Bündnismitglied sauer werden.
Politisch wird's vor Ort
Aber über das Demokratiebekenntnis hinaus will das Bündnis auch nicht auftreten. Für Streitbürger fungiert es als Brücke: "Das Bündnis ist dann gut, wenn sich darüber Partner finden, die bisher nicht miteinander gearbeitet haben." Sie selbst habe beispielsweise als AWO zusammen mit den Landfrauen eine Veranstaltung auf die Beine gestellt, in der das beste Rezept für die Demokratie gesucht wurde. "Es ist einfacher, wenn ich irgendwo anrufen und sagen kann: Ihr seid doch auch in dem Bündnis, lasst uns was zusammen machen." So bestehe die Chance, auch an Leute außerhalb der eigenen Bubble zu kommen. Mehr als eine Großdemo im Jahr könne man vom Bündnis nicht erwarten, sagt Streitbürger. Die nächste ist erst nach der Bundestagswahl geplant, aktuell konzentriert man sich auf die Landtagswahl im Frühjahr 2026.
Vor Ort sieht's anders aus. In vielen Kommunen rufen noch vor der Neuwahl am 23. Februar kleine Gruppen oder breite Bündnisse zu Demos auf. Zum Teil haben sie mit dem Landesbündnis zu tun, so griffen manche lokale Initiativen auf dessen Selbstverständnis und Logo zurück, zum Beispiel in Stuttgart, Karlsruhe, Esslingen, Tübingen, Ulm – sie findet man auch auf der Webseite des Landesbündnisses. Manche Initiative vergisst vielleicht, sich dort zu melden. Denn am Ende sind es ja meist die ein, zwei Handvoll Aktive in Städten und Gemeinden, die zu Treffen einladen, Protokolle schreiben und verschicken, im Rathaus Demos anmelden, potentielle Partner anschreiben, Kerzen für Lichterketten kaufen, Lautsprecheranlagen besorgen, die Kabeltrommel mitbringen, Flyer schreiben, layouten und in Druck geben, Musiker:innen suchen, Ordnerbinden verteilen, Mahnwachen am AfD-Infostand auf die Beine stellen, die Lokalzeitung informieren, Instagram bedienen und so weiter.
Auf der Webseite demokrateam.org dagegen finden sich bundes- und landesweit zahlreiche Aktionen, von Workshops über Vorträge bis hin zu Demos. Letztere nehmen aktuell zu, wohl auch, weil CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz sich nun doch mit der AfD einlassen würde, um die Grenzen für Flüchtlinge noch dichter zu machen. Das regt eine Menge Leute auf. So gibt es Kundgebungen gegen rechts am kommenden Donnerstag, 30. Januar in Schorndorf, am Freitag in Tübingen, am Samstag in Stuttgart, Walldorf und in Bad Krotzingen. Auch die folgenden Wochenenden sind voll mit Protestveranstaltungen.
4 Kommentare verfügbar
Christian
vor 2 WochenDie CDU will nicht mit der AFD zusammenarbeiten und hat dies nie gesagt.
Wenn eine Partei im Bundestag mit abstimmt heißt das noch lange nicht zusammenarbeiten.
Ach so , die anderen Parteien haben x Gesetzesvorschläge eingebracht, auch da hat die AFD mit…