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Demokratiebündnisse in BW

Zähe Arbeit

Demokratiebündnisse in BW: Zähe Arbeit
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Anfang des Jahres sorgte "Correctiv" mit seiner Recherche zum Potsdamer Treffen für Aufruhr. In ganz Deutschland gingen Menschen auf die Straße und solidarisierten sich mit Migrant:innen. Viele Bündnisse sind entstanden und verabschiedeten Erklärungen gegen rechts. Was planen sie nun?

Zehntausende Menschen standen im Januar auf dem Schlossplatz, nicht um Fußball zu gucken wie später im Sommer, sondern um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Im Januar veröffentlichte "Correctiv" seine Recherche über ein Treffen in Potsdam, bei dem AfD-Politiker:innen zusammen mit dem österreichischen Rechtsextremen Martin Sellner unter dem Schlagwort "Remigration" die Ausbürgerung und Deportation von Menschen, die ihrer Ansicht nach nicht nach Deutschland gehören, planten. Bundesweit kam es zu Demos gegen Rechtsextremismus und für Demokratie. Laut taz haben bis Ende Februar fast vier Millionen Menschen demonstriert.

Zwar gab es zuvor schon Engagement aus der Gesellschaft gegen Rechtsextremismus, beispielsweise das Stuttgarter Netzwerk gegen rechts, das im Oktober 2023 zum ersten Mal eine Kundgebung abhielt und seitdem kontinuierlich Veranstaltungen organisiert. Das Potsdamer Treffen aber mobilisierte Massen. Es entstanden Bündnisse, Demotermine wurden ins Netz gestellt. In Baden-Württemberg gründete sich ein landesweites "Bündnis für Demokratie und Menschenrechte", dem sich Verbände und Vereine, Parteien und aktivistische Gruppen anschlossen – vom Wirtschaftsrat der CDU bis zu den Fridays for Future. Auch in der Industrie machte man sich angesichts des Zuspruchs für die AfD Sorgen ob des Zustands unserer Demokratie: IG Metall und der Arbeitgeberverband Südwestmetall unterschrieben im Februar die Erklärung "Wirtschaft für Demokratie", da kam sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Viele schöne Worte, kein konkreter Plan

Ausgabe 674, 28.02.2024

Die Bündnisse werden immer breiter

Von unserer Redaktion

Weiterhin ist das Bedürfnis groß, sich gegen die AfD zu positionieren. Vorigen Samstag zogen in Stuttgart mehr als 10.000 Menschen auf den Marktplatz, um "die rechte Welle zu brechen" – so das Motto dieser Demo. Bundesweit waren allein am vergangenen Wochenende mehr als 50 Demonstrationen gegen Rechtsextremismus angemeldet.

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Bei der Unterzeichnung sprach IG Metall Bezirksleiterin Barbara Resch von einer Demokratiezeit in den Betrieben, eine bezahlte Stunde pro Woche. Ein konkreter Plan? Nein. Mehrmals fragte Kontext im Laufe des Jahres nach, was denn nun passiert. Die ewige Antwort: Man arbeite daran, man entwickle etwas. Dann kamen die Tarifverhandlungen in der Elektro- und Metallindustrie. Im Dezember dann verweist eine Gewerkschaftssprecherin – vielleicht weil sie sonst nichts hatte – auf eine gemeinsame Erklärung von IG Metall und dem Zusammenschluss der Arbeitgeberverbände Gesamtmetall. Wieder viele schöne Worte, doch irgendetwas Konkretes vom Bündnis im Sinne von "machen" gibt es nicht.

Ein Südwestmetallsprecher versichert, dass man im Austausch stehe mit der IG Metall, um "gemeinsam geeignete Begegnungs- und Veranstaltungsformate zur Demokratieförderung zu entwickeln". Außerdem plane man für den 21. März in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politischen Bildung und der IHK Region Stuttgart einen Fachtag mit dem Titel "Demokratieförderung in Betrieben und Ausbildung erfolgreich gestalten". Dieser Demokratietag richte sich an Geschäftsführungen, Personaler:innen und Ausbilder:innen, erklärt ein Sprecher der IHK. Geplant seien zwei zwanzigminütige wissenschaftliche Vorträge zur politischen Einstellung in der Bevölkerung und darüber, "wie Jugendliche ticken", und mehrere Initiativen, die sich für Demokratieförderung in Betrieben engagieren, sollen von ihrer Arbeit berichten.

Und was ist los beim Landesbündnis für Demokratie und Menschenrechte? Es wächst, mittlerweile haben sich 140 Organisationen angeschlossen, es gibt einen Lenkungskreis und mehrere Arbeitsgruppen und immer mehr lokale Ableger. Zur vorgezogenen Bundestagswahl im Februar plant das Landesbündnis einen "Aktionszeitraum mit Social-Media-Begleitung" – was auch immer das beinhalten soll. Und anlässlich des einjährigen Bestehens des Bündnisses soll es am 27. Januar, der ja auch Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus ist, im Haus der katholischen Kirche in Stuttgart eine Veranstaltung geben. Nähere Infos dazu fehlen noch. Aber immerhin: Auf der Webseite des Bündnisses finden sich Termine von Fachorganisationen, die sich mit Rechtsextremismus befassen.

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3 Kommentare verfügbar

  • Kerstin Rudat
    vor 1 Woche
    Antworten
    Als der Artikel erschien, startete eine Kampagne der CSD-Bewegubg, unterstützt von vielen anderen queeren Initiativen und Organisationen, auch dem LSVD+ Verband Queere Vielfalt in Bund und auch BW. Eine Woche vor den Wahlen wird es am 15.2. in vielen deutschen Städten, auch in Stuttgart und…
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