Der ordnungsliebende Immanuel Kant definiert in seiner "Anthropologie" einen Dreiklang für den fruchtbaren Gedankenaustausch in Gesellschaft, und zwar in genau dieser Reihenfolge: erstens Erzählen, zweitens Räsonieren und drittens Scherzen. Nachdem alle über die Neuigkeiten des Tages im Bilde sind, folgt der kultivierte Streit um die Beurteilung der Ereignisse. "Weil aber das Vernünfteln immer eine Art von Arbeit und Kraftanstrengung ist" und das auf Dauer beschwerlich werde, "so fällt die Unterredung natürlicherweise auf das bloße Spiel des Witzes".
"Remigration" als Wahlkampfversprechen
Im Januar berichtete "Correctiv" über ein rechtsextremes Treffen in Potsdam, bei dem AfD-Politiker:innen mit Gleichgesinnten unter dem Stichwort Remigration millionenfache Vertreibungen ihnen unliebsamer Personen diskutiert haben. Der AfD-Bundesvorstand veröffentlichte daraufhin ein Positionspapier, im Rahmen einer "Remigrationsagenda" eine "Offensive" starten zu wollen, allerdings "rechtsstaatlich" und "verfassungskonform", indem ausreisepflichtige Ausländer:innen konsequent abgeschoben würden. Nun wurde daraus sogar ein Wahlkampfversprechen. Thomas Rosspacher, der bei der Stuttgarter Kommunalwahl am 9. Juni auf Listenplatz drei für die AfD antritt, wirbt mit dem Slogan: "Schnelle Remigration schafft Wohnraum!" Die Vertreibungspläne der Partei sind nicht so harmlos, wie sie tut. Das zeigt sich unter anderem an einem ihrer Spitzenkandidaten. Der Faschist Björn Höcke, der in Thüringen Ministerpräsident werden will, erklärte bereits 2015: "Im 21. Jahrhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp." Basierend auf diesem rassentheoretischen Hirngespinst forderte er Konsequenzen. Diese konkretisierte er 2018 in einem Buch: "Neben dem Schutz unserer nationalen und europäischen Außengrenzen wird ein großangelegtes Remigrationsprojekt notwendig sein", bei dem "wohltemperierte Grausamkeit" in Kauf genommen werden müsste. Angesichts dieser Blut-und-Boden-Ideologie ist anzunehmen, dass "ausreisepflichtig" für die AfD sich nicht an Recht und Gesetz, sondern an Herkunft orientiert. (min)
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